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US-Angriff auf Qasim SoleimaniSchwer, Mord zu legitimieren

Lag eine unmittelbare Bedrohung durch den iranischen General vor? US-Verteidigungsminister Esper widerspricht seinem Präsidenten Donald Trump.

Kann Trumps Version nicht teilen: Verteidigungsminister Mark T. Esper Foto: ap

BERLIN taz | Bei der Rechtfertigung der Ermordung des iranischen Generals Qasim Soleimani verstrickt sich die US-Regierung immer mehr in Widersprüche. Präsident Donald Trump hatte den tödlichen Drohnenangriff vom 3. Januar von Beginn an damit gerechtfertigt, Soleimani habe neue Anschläge auf US-Einrichtungen und -Personal in der Region geplant. Diese „unmittelbare Bedrohung“ habe abgewendet werden müssen.

Ende vergangener Woche legte Trump nach und sprach von geheimdienstlichen Erkenntnissen, nach denen So­lei­mani Angriffe auf vier US-Botschaften in Planung gehabt habe, darunter jene in Iraks Hauptstadt Bagdad, die vor einigen Wochen tagelang von De­mons­trant*innen belagert worden war.

Danach befragt, erklärte nun aber am Sonntag Verteidigungsminister Mark T. Esper, derartige Erkenntnisse der Geheimdienste seien ihm nicht bekannt. Die Botschaftsangehörigen waren auch nicht gewarnt worden. Außenminister Mike Pompeo wand sich in der Öffentlichkeit und flüchtete sich schließlich in die Aussage, man könne keine Details preisgeben.

NBC meldete am Montag unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter gar, Trump habe die Ermordung Soleimanis schon vor sieben Monaten autorisiert, sollte die zunehmende Aggressivität Irans zum Tod von US-Amerikaner*innen führen. Damit wäre die Begründung einer „unmittelbaren Gefahr“ endgültig Makulatur.

Der Kongress hat nichts zu melden

Der Kongress, dessen Ver­tre­ter*innen aus der Demokratischen Partei schon unmittelbar nach dem Angriff klagten, sie seien vorher nicht in Kenntnis gesetzt worden, wurde in der vergangenen Woche informiert. Alle 100 Senatoren erhielten ein vertrauliches Briefing über die unmittelbaren Zusammenhänge – aber selbst konservative republikanische Senatoren wie Mike Lee aus Utah sagten im Anschluss, das Briefing sei eine faktenfreie Frechheit gewesen. So etwas habe er in seinen neun Jahren als Senator noch nie erlebt. Die Begründung der Exekutive, eine parlamentarische Debatte schwäche die Position der USA und stärke Iran, sei ein Schlag ins Gesicht der Verfassung. Sie behalte es aus gutem Grunde dem Kongress vor, einem anderen Land den Krieg zu erklären.

Denn genau dafür sind die Umstände wichtig: Nur zur Abwehr einer „unmittelbaren Gefahr“ dürfte der Präsident ohne Einverständnis des Parlaments auf eigene Faust handeln.

Unmittelbare Gefahr oder nicht? Die Regierung braucht wenigstens eine Sprachregelung

Dabei geht es ausschließlich um die rechtliche Bewertung innerhalb der USA. Völkerrechtlich bestreitet kaum jemand, dass die gezielte Ermordung eines ausländischen Funktionsträgers rechtlich nicht gedeckt ist – zumal, wenn sich beide Länder offiziell nicht im Krieg befinden. Trump hatte des Weiteren argumentiert, er betrachte Soleimani nicht als hohen General, sondern als Organisator von Terrorismus, mithin selbst als Terroristen.

Ausländische Terroristen aber zu töten wird innerhalb der USA akzeptiert und international zumindest geduldet – auch wenn die Argumentation der Selbstverteidigung völkerrechtlich ebenfalls auf tönernen Füßen steht. Das war schon unter Trumps Vorgängern George W. Bush und Barack Obama so. Insbesondere Obama weitete den Drohnenkrieg und die Tötungseinsätze des Joint Special Operations Command extrem aus, ohne dass es darüber zu großem internationalem Protest kam.

Ohnehin haben sich die USA in ihrer Geschichte selten um völkerrechtliche Bedenken oder um Verurteilungen durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag geschert. Urteile von US-Gerichten hingegen können durchaus Wirkung zeigen.

Insofern, aber auch mit Blick auf das bevorstehende Amtsenthebungsverfahren im Senat muss Trumps Regierung sich bemühen, zumindest eine einheitliche Sprachregelung zu finden. Auch wenn die mit großer Wahrscheinlichkeit eine Lüge ist.

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