Twitter in Turbulenzen: Musks „thermonukleare“ Drohung

Angesichts der Verluste des Nachrichtendienstes, schießt Elon Musk gegen abtrünnige Werbekunden. Entlassene Beschäftigte haben eine Sammelklage eingereicht.

Ansicht der Twitter-Konzernzentrale

Seit Elon Musks Einzug geht es in der Twitter-Zentrale drunter und drüber Foto: Jeff Chiu/ap

SAN FRANCISCO/BERLIN/NEW YORK dpa/rtr/ap | Tech-Milliardär Elon Musk hat gedroht, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr bei Twitter schalten, öffentlich bloßzustellen. Der neue Twitter-Besitzer reagierte mit seinem Tweet in der Nacht zum Samstag auf den Vorschlag eines rechten Lobbyisten, er solle diese Werbekunden nennen, „damit wir sie mit einem Gegenboykott belegen können“. Musk schrieb in seiner Antwort: „Danke. Ein thermonukleares Benennen und Schämen ist exakt das, was passieren wird, wenn das nicht aufhört.“

In den vergangenen Tagen hatten unter anderem die Volkswagen-Gruppe, der Pharmakonzern Pfizer und der Lebensmittelriese Mondelez angekündigt, Werbung bei Twitter aussetzen zu wollen. Auch United Airlines schließe sich der Liste der Unternehmen an, die ihre Werbeausgaben auf Twitter einstellen, bestätigte eine Sprecherin der Fluggesellschaft am späten Freitag. Twitter erwirtschaftete mit Werbung zuletzt mehr als 90 Prozent seiner Einnahmen. Der Autobauer GM hatte seine bezahlten Werbeschaltungen auf Twitter bereits ausgesetzt.

Dass Firmen sich darüber sorgen, dass ihre Anzeigen neben negativen Inhalten auftauchen könnten, ist kein neues Phänomen. Auch etwa Googles Videotochter YouTube hatte bereits damit zu kämpfen.

Musk hatte solche Sorgen selbst mit häufiger Kritik ausgelöst, Twitter habe zu sehr die Redefreiheit auf der Plattform eingeschränkt. Vergangene Woche versuchte er dann, Werbekunden mit einem offenen Brief zu beruhigen: Twitter werde kein Ort sein, an dem man sich ohne Konsequenzen alles erlauben könne. Auch jetzt betont er, dass sich an den Inhalte-Regeln der Plattform bislang nichts verändert habe.

Musk beklagte sich am Freitag über einen „massiven Umsatzeinbruch“ und machte dafür „Aktivistengruppen“ verantwortlich, die Druck auf die Unternehmen ausübten. Diese nicht näher umschriebenen Aktivisten versuchten, „die Redefreiheit in Amerika zu zerstören“. Der rechte Internet-Lobbyist Mike Davis schlug daraufhin bei Twitter ein Gegenboykott der Werbekunden vor, die sich solchem Druck beugten. Davis wettert in mehreren Organisationen unter anderem gegen die „Cancel-Kultur“ und will Internet-Konzerne für die angebliche Unterdrückung konservativer Ansichten zur Verantwortung ziehen.

Musk hatte vergangene Woche den Kauf von Twitter für rund 44 Milliarden Dollar abgeschlossen und hat dafür unter anderem Schulden aufgenommen, die bedient werden müssen. Die Werbeeinnahmen bringen fast den gesamten Umsatz von Twitter ein und ihr Rückgang ist damit besonders schmerzhaft. Twitter mache aktuell mehr als vier Millionen Dollar Verlust pro Tag, schrieb Musk in einem weiteren Tweet. Das habe den Stellenabbau am Freitag unvermeidbar gemacht.

Twitter hat die Hälfte seiner Mitarbeiter laut einem Tweet des Leiters der Abteilung für Sicherheit und Integrität des Unternehmens, Yoel Roth, entlassen. Roth sagte, dass 15 Prozent seines Teams, das für die Verhinderung der Verbreitung von Fehlinformationen und schädlichen Inhalten zuständig ist, von dem Abbau betroffen sind. Es war die erste Bestätigung von Twitter über den Umfang der Kündigungen. „Jedem, der entlassen worden ist, wurde eine dreimonatige Abfindung angeboten“, twitterte Firmen-Chef Musk. Unternehmensweit sollen etwa 3.700 Mitarbeiter betroffen sein.

Einige Angestellte in San Francisco twitterten, sie hätten bereits keinen Zugang mehr zu ihren Arbeitskonten. Sie und andere schrieben in dem Kurzmitteilungsdienst unter dem Hashtag #OneTeam. Beschäftigte in den USA reichten bereits am Donnerstag eine Sammelklage gegen Twitter ein. Sie werfen dem Unternehmen vor, die bei Massenentlassungen vorgeschriebene 60-Tages-Frist nicht eingehalten zu haben. Das verstoße gegen kalifornisches Recht und Bundesrecht.

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