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Tutorial gegen GentrifizierungBauanleitung Milieuschutz

Was tun, wenn Ihr Mietshaus vom Immobilien-Hai bedroht wird? Wie bringt man seinen Bezirk dazu zum Vorkauf. Eine Anleitung in drei Schritten.

Mieter*innen-Proteste wirken: Der Bezirk unternimmt mehr, wenn Mieter*innen demonstrieren Foto: dpa

Generell gilt und natürlich erst recht bei Mieterhöhungen, Luxussanierungen, Umwandlung in Eigentum: nichts unterschreiben, mit Nachbar*innen reden, Mieterberatung aufsuchen. Wenn Ihr Haus dazu in einem der 56 Milieuschutzgebiete Berlins liegt, wo ein bezirkliches Vorkaufsrecht existiert, und Sie von einem Verkauf Ihres Hauses erfahren haben (und es sich dabei nicht um einen Share-Deal handelt), dann hilft Ihnen möglicherweise folgende Bastelanleitung für eine erfolgreiche Mieter-Initiative in drei Schritten.

Foto: taz-grafiken: infotext-berlin.de

1. Schritt: Wird Ihr Haus verkauft? Das herauszufinden, ist gar nicht so leicht: Immobilien-Exposés großer Maklerfirmen sind oft nicht öffentlich. Wenn allerdings Grundstück und Haus die Besitzer*in wechseln, müssen die Vertragsparteien dem Bezirk den Verkauf anzeigen. Friedrichshain-Kreuzberg informiert Mieter*innen von sich aus, ob es einen Vorkauf prüft oder nicht. Andere Bezirke wie etwa Pankow machen das nur in Ausnahmefällen. Im Zweifel: nachfragen. Auch sind Mieter*innen in der Regel berechtigt, das Grundbuch einzusehen. Sobald jedoch ein Verkauf klar ist, wird es zeitlich knapp: Dann haben Sie nur noch zwei Monate, um Welle zu machen. So lange nämlich dauert die Frist für den Bezirk, bei einem Verkauf zu intervenieren. Er kann mit dem Käufer eine Abwendungsvereinbarung mit Garantien von Bestandsmieten, aber auch Gewerbemietverträgen für Kneipen, Kitas und Veranstaltungsorte herausschlagen, bei akuter Bedrohung ein bezirkliches Vorkaufsrecht prüfen und im Idealfall sogar das Haus in eine städtische Wohnungsbaugesellschaft überführen.

2. Schritt: Es droht ein Verkauf: Mieter*innen müssen sich schnell vernetzen und eine möglichst große Öffentlichkeit herstellen. Mit solidarischen Nachbar*innen reden hilft immer. Eine Pressemitteilung als Mieter-Initiative schreiben und herausgeben hilft, Öffentlichkeit zu schaffen. Verschicken kann man diese an Redaktionen von Tageszeitungen. Viele Berliner Lokalzeitungen wie Berliner Woche, Prenzlauer Berg Nachrichten berichten auch über kleinteilige Konflikte auf lokaler Ebene. Nachfragen per Telefon hilft ebenfalls. Ganz sicher ist es auch nicht verkehrt, Twitter- und Facebook-Accounts zu erstellen. Das Volksbegehren Deutsche Wohnen Enteignen bietet sogar regelmäßig Workshops zu Öffentlichkeitsarbeit für Mieter-Inis an. Als ideales Beispiel kann hier die Gleimstraße 56 dienen, die erfolgreich gegen ihren Verkauf an die Deutsche Wohnen protestierte und nun einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft gehört. Die Mieter*innen haben jeden Sonntag Kiezspaziergänge unter dem Motto „Kann denn Miete Sünde sein?“ gemacht, Kampfmarmelade gekocht, tausende Flyer verteilt und drei Filme über ihr Haus gedreht.

3. Schritt: Kontaktaufnahme mit dem Bezirk. Kennen Sie Ihre zuständige Bezirksstadträt*in? Nein? Lernen Sie die kennen! Wenden Sie sich direkt an den Bezirk, kommen Sie ins Gespräch. Wenn dort kein Durchkommen ist, gerne auch mit öffentlichen Briefen und Fragen. Die nächsten Ansprechpartner*innen auf Landesebene sind die Senatorin für Bauen und Wohnen, Katrin Lompscher, und ihr Staatssekretär Sebastian Scheel (beide Linke). Diese haben Einfluss auf mögliche Käufer, wenn das Vorkaufsrecht zum Tragen kommt: die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Und schließlich muss man den Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) überzeugen, einen im besten Fall saftigen Zuschuss bereitzustellen, damit die Baugenossenschaft sich überhaupt einen Vorkauf leisten kann – die dürfen nämlich nur solide wirtschaften. Und was tun eigentlich Mitglieder des Abgeordnetenhauses aus Ihrem Bezirk für Sie persönlich? Gehen Sie doch mal in das Büro Ihres Abgeordneten und fragen Sie nach! Gleiches gilt auch für Abgeordnete der Bezirksversammlungen. Je mehr Druck Sie aufbauen, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Bezirk sich auch für Ihr Haus einsetzt.

Quellen: Mieterforum Pankow, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, verschiedene Mieter-Inis, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

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6 Kommentare

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  • Ich werde eines Tages ein großes Mietshaus erben. Ach du scheiße. Wenn ich zukünftig nichts reparieren lasse, bin ich der pöse Miethai, aber wenn ich was renovieren lasse, bin ich auch pöse. Der pöse Luxrenovierungsheini, oder was ? Und was jetzt ?

    • @Thomas Schöffel:

      Ist doch klar: Nur nötige Reparaturen vornehmen lassen, fair bleiben bei den Mieten, vor allem langjährige Mieter*innen nicht mit horrenden Mieterhöhungen abzocken.

  • nochmal als Ergänzung:



    In der Immobilienzeitung, die vor allem den Immobilienunternehmen zum Austausch untereinander dient, die also der Mieter*innenbewegung durchaus nützliche Informationen liefern kann, findet sich am 21.2.2019 ist ein längerer Artikel zu Share Deals:



    www.immobilien-zei...eit-um-share-deals



    Darin wird auch Florian Schmidt wiedergegeben:



    „In der Anhörung wurden vergangene Woche weitere Argumente für ein schärferes Vorgehen gegen Share-Deals laut. Florian Schmidt, grüner Baustadtrat im Berliner Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, etwa kritisierte, dass mithilfe solcher Konstruktionen zunehmend das Vorkaufsrecht von Mietern und Kommunen in Gebieten mit Milieuschutz ausgehebelt werde, da Anteilsveräußerungen an Objektgesellschaften oft nicht als Immobilienverkäufe erfasst würden.“



    und weiter unten:



    „Sachverständige und Politiker waren sich in der Anhörung einig, dass Share-Deals zwar legal sind. Sie seien aber "gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert", sagte Chris Kühn von den Grünen. Es gehe um die Frage der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens.““

    Das mit der schwindenden gesellschaftlichen Akzeptanz funktioniert natürlich nur, wenn die Leute auch bescheid wissen. Wäre also gut, realistisch zu berichten.

  • Danke für die Ergänzung des Artikels um die Möglichkeit der Einsichtnahme ins Grundbuch.

    Die einleitende Formulierung "... 56 Milieuschutzgebiete, wo ein bezirkliches Vorkaufsrecht existiert ..." suggeriert m.E., in einem Milieuschutzgebiet sei der Vorkauf allgemein möglich. Das ist wie gesagt nicht der Fall. Es gilt nur in den Fällen, in denen die Transaktion als Asset-Deal abgewickelt wird, wenn also tatsächlich das Haus verkauft wird, also ein Grundbucheintrag überhaupt stattfindet. Ein Teil der Immobilientransaktionen findet aber als Share-Deal statt (s.u.) und geht damit am Bezirk, an der Öffentlichkeit, an den Mieter*innen vorbei, die dennoch den Kaufpreis mit ihrer Miete refinanzieren müssen. Beispiele dafür gab es ja in der jüngsten Zeit genug. Die Immobilienwirtschaft veranstaltet laufend teure Seminare darüber, wie diese Deals abgewickelt werden . können (z.B. PB3C, die Berliner Immobilienrunde).

    Um politisch handlungsfähig zu sein, muss bekannt sein, dass es nicht reicht, möglichst viele Milieuschutzgebiete auszuweisen und dann in jedem Einzelfall in der 2-Monatsfrist möglichst schnell zu handeln. Deshalb fänd ich es gut, solche irreführenden Formulierungen nicht zu verwenden.

  • Im Artikel "Auf Kauftour im Schutzgebiet" stand (links in den Erläuterungen), der Bezirk könne im Milieuschutzgebiet einen Verkauf verbieten. Ich fänds gut, das zu korrigieren. Es täuscht Möglichkeiten vor, die nicht gegeben sind und kann deshalb Menschen in einer falschen Sicherheit wiegen.



    Ein Verkauf eines Hauses und / oder Grundstücks wird, wenn es sich um einen Asset-Deal handelt, ins Grundbuch eingetragen. Mieter*innen haben das Recht, dieses einzusehen. Das ist auch ihre sicherste Möglichkeit herauszufinden, ob sich etwas tut in Sachen Verkauf.



    Im Grundbuch ist allerdings nicht zu sehen, wenn der Verkauf, was häufig der Fall ist, als Share-Deal abgewickelt wird. Hier werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft verkauft, der das Haus gehört. Anteilsverkäufe tauchen Im Grundbuch nicht auf, gehen also auch am Bezirk, an der Grunderwerbssteuer, am Vorkaufsrecht vorbei. Sie werden schlicht nicht bekannt, egal ob das Haus im Milieuschutzgebiet liegt oder nicht. Dennoch wird natürlich bei jeder Immobilientransaktion der Kaufpreis auf die Mieten umgelegt.



    M.E. schwächt es auch die Mieter*innenbewegung insgesamt, wenn immer wieder falsche Informationen verbreitet werden, die zudem die Lage der Mieter*innen günstiger darstellt als sie ist. Voraussetzung jeder Gegenwehr ist doch, die Lage realistisch einzuschätzen.

  • Und wenn das Haus nicht in einem der Milieuschutzgebiete liegt? Wie lautet dann die Empfehlung für das weitere Vorgehen?