Türkischer Journalist aus Haft entlassen: Sahin Alpay nun unter Hausarrest
Das Verfassungsgericht der Türkei hat zum zweiten Mal geurteilt, dass Alpays Inhaftierung gegen die Grundrechte verstößt. Das Verfahren gegen ihn läuft jedoch weiter.
Stunden zuvor hatte das Verfassungsgericht Alpays anhaltende Inhaftierung zum zweiten Mal als Verletzung seiner Grundrechte gewertet. Das Gericht sprach dem Mitarbeiter der inzwischen geschlossenen regierungskritischen Zeitung Zaman am Freitag eine Entschädigung von 20.000 Lira (4.170 Euro) zu, wie Anadolu meldete. Schon im Januar hatte das Verfassungsgericht geurteilt, die Untersuchungshaft von Alpay und dem ebenfalls klagenden Journalisten Mehmet Altan verstoße gegen das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit.
Damit hätten beide eigentlich aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen. Nach harscher Kritik der Regierung an dieser Entscheidung verweigerten untergeordnete Gerichte aber die Freilassung Alpays und Altans, wogegen beide erneut vor das Verfassungsgericht zogen. Am 16. Februar verurteilte ein Strafgericht Altan zusammen mit seinem Bruder Ahmet und der Journalistin Nazli Ilicak wegen angeblicher Verbindungen zu den Putschisten zu lebenslanger Haft. Das Verfahren gegen Alpay, dem Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen wird, läuft dagegen noch.
Das Verfassungsgericht betonte am Freitag, dass seine Urteile bindend seien. Altans Fall werde zu einem späteren Zeitpunkt beraten. Das jetzt ergangene Urteil erfolgte kurz vor einer Anhörung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg am kommenden Dienstag, bei der ein Urteil zur Klage der beiden Journalisten gegen ihre Inhaftierung erwartet wird. Als Mitglied des Europarats ist die Türkei verpflichtet, die Urteile des EGMR umzusetzen.
Nach der Weigerung, die Entscheidung zur Freilassung umzusetzen, hatte der Europarat die Türkei zur Achtung ihres eigenen Verfassungsgerichts aufgerufen. Aus Sicht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte die fortgesetzte Inhaftierung Altans und Alpays die Frage aufgeworfen, „ob die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei funktioniert“.
Die auflagenstarke Zeitung Zaman war das wichtigste Medium der Gülen-Bewegung. Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Die Zeitung war bereits zuvor unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden. Sie wurde nach dem Putschversuch per Notstandsdekret geschlossen. Alpay und Altan waren festgenommen worden.
In der Türkei gab es im Zuge des von der Regierung verhängten Ausnahmezustands mehr als 55.000 Festnahmen, über 140.000 Staatsbedienstete wurden entlassen oder vom Dienst suspendiert. Die Presse- und Meinungsfreiheit wurde stark eingeschränkt.
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