Türkischer Einfluss auf deutsche Moschee: Das Ende der Import-Imame

Ankara ist bereit, künftig keine Geistlichen mehr nach Deutschland zu entsenden. Doch damit sind längst nicht alle Fragen geklärt.

Ein Imam in weißen Gewand betet vor

Ein Imam sitzt dem Mittagsgebet vor in der DITIB Zentralmoschee in Ehrenfeld im Oktober Foto: Christoph Hardt/imago

BERLIN taz | Der Islamwissenschaftler Bülent Uçar begrüßt die Pläne der Bundesregierung, den Einfluss der Türkei auf deutsche Moscheegemeinden zu verringern. „Das ist ein lang überfälliger Schritt“, sagt Uçar der taz. Das Osnabrücker Islamkolleg Deutschland (IKD), bei dem Uçar Wissenschaftlicher Direktor ist, bildet seit 2021 Imame in staatlicher Verantwortung aus. Wichtig sei nun, schnellstmöglich die Details zu klären, so Uçar.

Auf der Islamkonferenz, die am Mittwoch zu Ende ging, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigt, dass die Imam­ausbildung in Deutschland „signifikant“ ausgebaut werden solle. Ziel sei es, „die Entsendung von Imamen aus der Türkei in der Folge ganz zu beenden“. Auf diese Punkte hatten sich am vergangenen Wochenende auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin verständigt. Wegen Erdoğans Äußerungen zum Nahostkonflikt fand die Nachricht jedoch kaum Beachtung. Dabei wäre sie eine Zäsur.

Seit rund 30 Jahren entsendet die türkische Religionsbehörde Diyanet Imame nach Deutschland. Sie sind vor allem beim türkischen Islamverband Ditib tätig, dem mit 900 Gemeinden größten Moscheeverband in Deutschland. Immer wieder wird Kritik laut, dass die türkische Regierung dadurch Einfluss auf deutsche Moscheegemeinden nehme. Der Eindruck verstärkte sich, als Ditib-Imame nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei 2016 unter Verdacht standen, Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland auszuspionieren.

Bis heute tut sich der Verband schwer, seine Unabhängigkeit von Ankara unter Beweis zu stellen. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, bezeichnete derlei Versuche der Organisation als „nicht glaubhaft“. Sollte Ditib bereit sein, künftig nur noch Imame einzustellen, die in Deutschland ausgebildet worden sind, wäre das „vielleicht ein erster Versuch“, sagte Kaddor am Mittwoch im Deutschlandfunk.

Woher kommt das Geld?

Ob Ditib diesen Schritt ganz gehen wird, war allerdings nicht klar. Eine entspreche Anfrage der taz ließ die Organisation zunächst unbeantwortet. In der Vergangenheit hatte der Verband darauf verwiesen, dass Imame bereits teilweise an einer eigenen Akademie in Deutschland ausgebildet würden. Das Innenministerium teilte auf Anfrage lediglich mit, dass der Austausch mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet und Ditib zur stärkeren Unabhängigkeit von Ankara „weit vorangeschritten“ sei.

Bülent Uçar, Islamwissenschaftler

„Die Verbände haben wenig finanzielle Spielräume“

Wo die Imame ausgebildet werden, ist für Islamwissenschaftler Uçar nicht die allein entscheidende Frage. In diesem Jahr hat das Islamkolleg Deutschland die ersten staatlich ausgebildeten Imame verabschiedet. Doch nicht alle finden eine gut bezahlte Anstellung, berichtet Uçar: „Die fünf Moscheeverbände, mit denen wir kooperieren, haben wenig finanzielle Spielräume.“ In der Regel bekämen Imame zwar Wohnungen gestellt, mehr als 1.000 Euro Gehalt seien aber nicht drin.

Uçar fordert deshalb, dass der deutsche Staat Moscheegemeinden mit jüdischen, katholischen und evangelischen Gemeinden gleichstellt und ebenso finanziell unterstützt. Ansonsten drohe, dass die verstärkte Imamausbildung in Deutschland die beabsichtigte Wirkung verfehle.

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