Trumps Friedensplan: Neues Machtspiel oder Ausweg?
US-Präsident Donald Trumps 20-Punkte-Plan verspricht Frieden. Israels Premier Netanjahu widerspricht zentralen Inhalten. Und wie reagiert die Hamas?

Die Palästinenser bekämen einen permanenten Waffenstillstand, also ein endgültiges Ende der israelischen Offensive und einen graduellen Rückzug der israelischen Armee. Frei kämen auch 250 Palästinenser mit lebenslangen Strafen in israelischen Gefängnissen und 1.800 weitere, die während der Gaza-Offensive gefangen genommen wurden. Die humanitäre Hilfe würde wieder in vollem Umfang unter der Verwaltung der UNO aufgenommen. Und für die Palästinenser steht als wichtigste Perspektive in Punkt 19 des Plans: Nachdem die palästinensische Autonomiebehörde sich reformiert hat, soll das Ganze in einem palästinensischen Staat münden, der ihnen ihr Selbstbestimmungsrecht gibt.
Neu ist die Internationalisierung des Gazastreifens. Ein sogenannter Friedensrat mit dem US-Präsidenten Donald Trump als Schirmherrn und dem ehemaligen britischen Premier Tony Blair soll eine Verwaltung palästinensischer Technokraten überwachen, bis diese an die reformierte palästinensische Autonomiebehörde übergeben wird. Arabische und islamische Staaten sollen Truppen im Gazastreifen stationieren und eine neuen Polizei aufbauen.
Hamas noch nicht zugestimmt
Soweit das Papier. Nun zur Frage, was es wert ist. Bis zur Stunde hat die Hamas diesem Deal noch nicht zugestimmt. Es gibt Punkte im Deal, die ihr entgegenkommen, wie das Ende der israelischen Offensive und ein gradueller Rückzug der israelischen Armee. Und natürlich die Aussicht auf einen palästinensischen Staat. Aber die Entwaffnung der Hamas und ihre Entmachtung im Gazastreifen sind natürlich für sie ein harter Brocken zu schlucken.
Trump hat gedroht, dass er Netanjahu grünes Licht geben wird, alles zu tun, was er will, wenn Hamas diesen Deal nicht unterschreibt. Das könnte dann auch die Vertreibung der Palästinenser beinhalten. Vieles hängt davon ab, ob die Hamas diesem Prozess der Internationalisierung des Gazastreifens traut.
Kann sie es vermarkten, dass damit die Palästinenser durch die zu stationierenden Truppen arabischer und islamischer Staaten Schutz vor der Besatzung bekommen? Oder fürchtet sie, dass die Besatzung dann unter anderen Vorzeichen weitergeht? All das sind Erwägungen, die ihre Entscheidung beeinflussen werden. Sie kann auf jeden Fall für sich in Anspruch nehmen, dass sie die palästinensische Frage mit dem brutalen Angriff des 7. Oktobers ganz oben auf die internationale Tagesordnung gesetzt hat.
Aber mit einem darf man sich keinen Illusionen machen: Wenn die Hamas entwaffnet wird, was bedeutet das wirklich? Sie lebt von der asymmetrischen Kriegsführung und sie hat keine schweren Waffen, sondern nur leichte, die sich einfach verstecken lassen.
Aber nehmen wir an, die Hamas ist als Organisation tatsächlich ausgeschaltet – wenn die israelische Besatzung einfach weitergeht, dann wird es dagegen immer auch ein palästinensischer Widerstand formieren, egal ob der den Namen Hamas oder irgendeiner neuen Organisation tragen wird. Das weiß auch die Hamas.
Nur wenige Stunden nach der Verkündung dieses Deals ist auch deutlich, dass es völlig verschiedene Lesarten gibt. In einer gemeinsamen Erklärung jener Staaten, die sich mit Truppen in Gaza beteiligen könnten, haben Saudi Arabien, Jordanien, die Arabischen Emirate, Indonesien, Pakistan, Katar, die Türkei und Ägypten den Plan willkommen geheißen. Sie betonen, dass laut dem Deal, die Palästinenser nicht aus dem Gazastreifen vertrieben werden dürfen und dass sich die israelische Armee vollständig aus dem Gazastreifen zurückziehen muss.
Besonderen Wert legen sie darauf, dass das Ganze zu einem palästinensischen Staat zusammen mit dem Westjordanland und Ostjerusalem führen soll, um, wie es in er Erklärung heißt, „einen gerechten Frieden zu erreichen“. Sie wissen, dass sie innerhalb des Deals auch ihre Manövriermasse haben. Sie könnten sich beispielsweise einfach weigern, ihre Truppen in der Nähe israelischer Truppen zu stationieren. Das würde den Druck auf Netanjahu erhöhen, sie abzuziehen.
Netanjahu schlug dagegen für sein heimisches Publikum ganz andere Töne an. Er feierte, dass die Hamas ausgeschaltet wird, erklärte aber weiter, dass er die israelische Sicherheitskontrolle des Gazastreifens nicht aufgeben werde. Er habe keinem palästinensischen Staat zugestimmt und sei weiter absolut gegen ein solches Konstrukt als Ergebnis des Prozesses. Er habe auch keinerlei Absicht, die israelischen Truppen komplett aus Gaza abzuziehen. „Das wird nicht passieren“, sagte er klar und deutlich. All das widerspricht dem Text und Geist des Abkommens.
Das Gefühl in der stärkeren Position zu sein
Viel wird davon abhängen, wie sich diese Internationalisierung des Gazastreifens tatsächlich gestaltet. Netanjahu hat wie immer das Gefühl, er ist in der stärkeren Position. Er kann am Ende bestimmen, was passiert – egal, was er unterschrieben hat. Schon im vergangenen Februar hat er beim letzten Waffenstillstand gezeigt, dass er bereit ist, ihn einseitig zu brechen.
Dass ausgerechnet Trump und der ehemalige britische Premier Tony Blair die Schirmherrschaft der Internationalisierung übernommen haben, erzeugt kein großes Vertrauen auf der arabischen Seite. Aber sie müssen damit umgehen. Blair gilt in der arabischen Welt als Kriegsverbrecher, der zusammen mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush den Irak-Krieg begonnen hat. Und das unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, von irakischen Massenvernichtungswaffen, die nie existierten. Keine gute Visitenkarte.
Für Netanjahu, den Stärkeren, ist das Papier des Deals nur geduldig. Er glaubt, am Ende ohnehin tun zu können, was er will. Aber vielleicht verzockt er sich diesmal. Denn die Zeiten sind vorbei, in der die alten Mächte repräsentiert durch Trump und Blair, die Region alleine zusammen mit Netanjahu in ihrem Sinne formen können. Ohne die Regionalmächte mit einzubeziehen, wird das nicht gelingen. Und die haben ihre eigene Agenda.
Auch International haben sich die Gleichgewichte verschoben. Die Welt schaut heute anders auf Gaza und die Besatzung des Gazastreifens. Es wird sich zeigen, wie sich das auf die Internationalisierung der Verwaltung und Sicherheit des Gazastreifens niederschlagen wird. Kommt dieser Deal zustande, wir er eine ganz eigene Dynamik entwickeln.
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