Trumps Dekret gegen trans Personen: Nicht das goldene Zeitalter, sondern der Rollback beginnt
In den USA werden nur noch zwei Geschlechter anerkannt. Eine American Horror Story, die aber auch in Deutschland schon Nachahmer findet.
D ie Szenen aus der Vereidigung von Donald Trump als US-Präsidenten könnten aus der Serie „American Horror Story“ stammen. Doch die Dystopie ist leider Realität, und die nimmt mit vollem Tempo ihren Lauf.
Auf Trumps Prioritätenliste steht das Dekret gegen trans und intergeschlechtliche Menschen. Unter dem Titel „Defending Women from Gender Ideology Extremism and Restoring Biological Truth to the Federal Government“ soll es den dritten Geschlechtseintrag „X“, der seit 2022 neben dem weiblichen und dem männlichen im Reisepass eingetragen werden kann, nicht mehr geben.
Außerdem soll der Zugang zu geschlechtsspezifischen Räumen wie Frauenhäusern, Gefängnissen, Umkleidekabinen oder Toiletten an eine biologistische Geschlechtsauslegung gebunden sein. Die medizinische Versorgung von trans Personen in Gefängnissen soll unterbunden werden. Zwar haben unterschiedliche Organisationen und Unternehmen angekündigt, an ihren Diversitätsrichtlinien festzuhalten, doch ohne Antidiskriminierungsgesetze wird die Sicherheit der Betroffenen vom Wohlwollen ihres Gegenübers abhängen.
Schon seit dem Wahlausgang haben trans Aktivist_innen vor einem solchen Szenario gewarnt und rieten trans Menschen, ihren Geschlechtseintrag vor Trumps Amtseintritt zu ändern, weil es danach wohl nicht mehr möglich sein würde. Diese Befürchtungen hört man übrigens auch hier in Deutschland hinsichtlich des Selbstbestimmungsgesetzes – obwohl erst vor wenigen Monaten in Kraft getreten, bereits jetzt ein Dorn im Auge von rechtskonservativen Politiker_innen wie Friedrich Merz.
LGBTIQ-Personen müssen mit weniger Rückhalt rechnen
Merz etwa macht Wahlkampf mit der Ansage, das Gesetz wieder abschaffen zu wollen – ob seine potenziellen Koalitionspartner SPD oder Grüne sich darauf einlassen und pietätslos das von ihnen eingeführte Gesetz wieder streichen werden, bleibt abzuwarten. Merz aber reiht sich damit in einen globalen und gesamtgesellschaftlichen Trend ein. Die Stimmung gegen die „Genderideologie“ ist nicht neu, doch der Backlash hat sich in den letzten Jahren rasant zugespitzt. Das Verbot geschlechtssensibler Sprache an Schulen und in Behörden, wie es zuletzt in Sachsen und Bayern eingeführt wurde, ist bereits ein Teil dessen.
Auch die von Mark Zuckerberg angekündigten Änderungen bei Meta – von der Streichung der Diversitätsmaßnahmen bis zur Einstufung diskriminierender Aussagen als Meinungsfreiheit – machen deutlich, dass trans und intergeschlechtliche, aber auch grundsätzliche alle LGBTIQ-Personen mit immer weniger Rückhalt rechnen können.
Die Behauptung, das transfeindliche Dekret von Trump wolle Frauen schützen, ist dabei besonders perfide. Zweigeschlechtlichkeitsnormen verstärken regressive Geschlechterbilder und resultieren darin, dass auch cis Mädchen und Frauen gemaßregelt und kontrolliert werden. Selbst sie müssen Angst davor haben, als nicht weiblich genug zu gelten. Das trifft gendernonkonforme sowie rassifizierte Frauen besonders.
Tradition einer faschistischen Gesellschaft
Wie das abläuft, haben wir letzten Sommer während der Olympischen Spiele am Beispiel der algerischen Boxerin Imane Khelif beobachten können. Wenn Mädchen und Frauen bald also am Einlass zur Umkleide irgendwelchen schmierigen Typen ihre Genitalien zeigen sollen, wird es sie gewiss nicht sicherer machen.
Als Frauen werden in dem Dekret übrigens Menschen definiert, die Eizellen produzieren. Ob in dieser biologistischen Auslegung unfruchtbare cis Frauen mitgemeint sind, bleibt offen – das Signal, Unfruchtbarkeit mache sie zu keinen „richtigen Frauen“, sendet es trotzdem. Überraschend ist es nicht, schließlich wird Trumps Regierung ansonsten wenig für die Selbstbestimmungsrechte von Frauen übrig haben – Stichwort „your body, my choice“.
Das Bekämpfen von trans und intergeschlechtlichen Menschen gehört zum Kern faschistischer Gesellschaften, man muss sich dazu nur die deutsche Geschichte anschauen. Genau in diese Tradition begibt sich auch die AfD, die auf ihrem Bundesparteitag stolz ankündigte, die Gender Studies abschaffen zu wollen. Es braucht nicht viel Vorstellungsvermögen, um zu ahnen, dass bald darauf die Post-Colonial Studies folgen würden, dies jedoch nur der Beginn zur Abschaffung der Wissenschaftsfreiheit an sich wäre. Denn trans Menschen sind nie das Ende, sondern immer der Anfang des Rollbacks.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden