Tripolis in der Hand der Islamisten: Spaltung Libyens droht
In Libyen droht eine Art Entscheidungsschlacht zwischen den verfeindeten Parteien. Der „Islamische Staat“ und die arabischen Länder mischen kräftig mit.
TOBRUK taz | Nach dem Ende der Kämpfe herrscht in der libyschen Hauptstadt angespannte Ruhe. Während sich die Bürger in den wiedereröffneten Tankstellen und Supermärkten versorgen, schwor Vizepräsident Salah Makhzoum am Samstag eine neue Regierung ein. Damit hat die im Krieg gegen moderate Milizen siegreiche islamistische Allianz „Morgendämmerung“ aus Misrata nun auch politisch die Kontrolle über die Hauptstadt übernommen.
In den Augen vieler Liberaler ist der Einzug der Minister von Premierminister Omar al-Hassi in die von Milizen besetzten Ministerien jedoch ein Staatsstreich.
Das Mitte Juni landesweit gewählte Parlament und die international anerkannte Regierung vom Adullah Thinni sehen sich ebenfalls im Amt. Beide Institutionen haben sich im ostlibyschen Tobruk vor dem Zugriff der Milizen in Sicherheit gebracht.
Die nahe der ägyptischen Grenze liegende Hafenstadt wird von dem Antiislamisten General Khalifa Hafter und der libyschen Armee kontrolliert. Hafter bombardiert im Rahmen seiner Militäraktion extremistische Milizen wie Ansar Scharia.
Damit ist Libyen gespalten. Die meisten Stämme und Städte in der ölreichen Provinz Cyreneika unterstützen Thinni und die Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Die Lokalräte in Westlibyen haben sich auf die Seite Misratas Allianz geschlagen.
Diplomaten warten ab
Die ins benachbarte Tunesien geflohenen internationalen Diplomaten und Aktivisten warten nun gespannt auf die ersten Schritte des von Islamisten dominierten Rumpfkongresses in Tripolis, dessen Mandat offiziell abgelaufen ist. Die internationale Gemeinschaft steht vorerst zu der Regierung in Tobruk und droht gegen Kriegsverbrechen vorzugehen.
Eine Kommission der Vereinten Nationen erarbeitet zurzeit eine Liste von Milizenkommandeuren, die aufgrund des Beschusses der Zivilbevölkerung mit Sanktionen belegt werden könnten. „Es mag ja sein, dass EU und UN Abdullah Thinni und das Repräsentantenhaus in Tobruk unterstützen. Sie kontrollieren zwar die Ölfelder und Zentralbank, doch nicht die Exekutive in der Hautstadt und weite Teile des Westens, wo der Großteil der Libyer lebt“, so der Akivist Mazigh Buzakahr.
Die Nato forderte auf ihrem Gipfel in Wales alle Seiten zur Mäßigung auf, setzt jedoch im Rahmen der „Mittelmeer-Initiative“ ausschließlich auf Dialog der Gegner. „Ohne internationale Hilfe könnte Libyen in einen Bürgerkrieg versinken“, so Buzakhar, der für diesen Fall die Autonomie der Berber-Gebiete prophezeit. Hilfe ist bereits auf dem Weg – in Form von Waffenlieferungen.
Auch der Sudan mischt mit
Während eine an die Öffentlichkeit gelangte Mail die Waffenlieferungen der ägyptischen Armee an Khalifa Hafter offenlegte, wird die Allianz aus Misrata von Katar und nun auch dem Sudan unterstützt. Nachdem eine Transportmaschine aus Khartum in die Wüstenoase Kufra und zum Militärflughafen Tripolis-Maitiga Munition brachte, wies Premier Thinni den sudanesischen Militärattaché aus.
„Nach Katar, Ägypten, den Emiraten und Saudi-Arabien mischt nun auch der Sudan im Spiel um das libysche Öl mit: Willkommen!“, kommentiert eine Aktivistin ironisch. Auch der türkische Präsident Präsident Erdogan äußerte sich kritisch zum Parlamentsstandort Tobruk.
Die lachenden Dritten des Machtvakuums sind dschihadistische Milizen, die sich in Sirte und Derna auf das völlige Chaos vorbereiten. Kämpfer des IS in Syrien haben sich bereits solidarisch erklärt. „Im Falle eines Bürgerkrieg wird der Islamische Staat auch in Libyen versuchen Fuß zu fassen“, prophezeit der marokkanische Terrorismusexperte Mohamed Chtatou.
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