Trinkwasserversorgung für Obdachlose: Keine Selbstverständlichkeit
In den Innenstädten von Hannover und Hamburg gibt es zu wenig öffentliche Zapfstellen für Obdachlose. Das ist besonders bei Hitze ein Problem.
Das stimmt nicht, sagt ein Sprecher des privaten Versorgungsunternehmens Enercity, das in Hannover insgesamt drei Brunnen und auch den am Schiller-Denkmal betreibt. „Seit Mai läuft dieser wieder durchgehend.“
Die Nachfrage bei der Wasserausgabe des Vereins sei jedenfalls stark gestiegen, sagt Cordes. Die Privatleute, die abends zusätzlich zu der nur wenige Stunden am Tag geöffneten Ausgabe herumgehen und Wasser verteilen, seien zwar hilfreich. Aber vorrangig brauche es mehr Brunnen.
Nach Einschätzung der Stadt dagegen sind Obdachlose durch verschiedene Einrichtungen der Wohlfahrtspflege tagsüber genügend versorgt; ebenso durch Essensausgabestellen und Unterkünfte sowie die städtischen Trinkwasserbrunnen. Aktuell leben rund 1.000 Obdachlose in Unterkünften im Stadtgebiet Hannover. Menschen, die nicht in Unterkünften wohnen, sind hier jedoch nicht inbegriffen.
Reinhold Fahlbusch, Verein Stimme der Ungehörten
„Es bestehen im Stadtgebiet zahlreiche Möglichkeiten, kostenlos an Trinkwasser zu gelangen“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Auf einer Karte, die einem Bericht der Verwaltung angehängt ist, sind 13 öffentliche Brunnen eingezeichnet. Von diesen liege allerdings keiner in der Innenstadt, kritisiert Cordes, wo sich viele der Obdachlosen aufhielten.
Dem Bericht zufolge sind weitere Brunnen geplant. Als nächstes soll eine Quelle am Maschsee verfügbar gemacht werden. 20.000 Euro kostet die Errichtung einer Zapfstelle; auf 750 Euro belaufen sich die jährlichen Folgekosten. Enercity dagegen plant derzeit keine weiteren Brunnen.
Die Coronapandemie verschlimmere indes die Situation, sagt Ulrich Matthias. Er ist Redakteur der hannöverschen Straßenzeitung Asphalt. Denn Treffpunkte, an denen auch Wasser und zusätzlich ein schattiger Ort angeboten werden, seien eingeschränkt geöffnet. „Wenn man Obdachlosen zurzeit eine Flasche Wasser in die Hand drückt, trinken sie diese oft in einem Zug.“ Matthias fordert die Menschen dazu auf, geschwächt wirkende Obdachlose anzusprechen, mit Wasser zu versorgen und ihnen falls notwendig Hilfe zu rufen – Hauptsache „nicht einfach vorbeigehen“.
Das fordert auch der Gründer und Vorsitzende des Vereins „Stimme der Ungehörten“ Reinhold Fahlbusch. „Mir wird immer wieder berichtet, dass Desinteresse doch weh tut“, sagt er. Auch Fahlbusch kritisiert die prekäre Versorgungslage in Hannover. Mit der Pandemie seien Strukturen zusammengebrochen. „Wie in jeder Stadt gibt es hier Hotspots der Obdachlosen. In deren Nähe müssen Wasserzapfstellen installiert werden“, fordert er.
Auch öffentliche Institutionen wie Freizeitheime und die Organisation Refill, die dafür sorgt, dass einige Geschäfte Wasser an Passant:innen ausgeben, werden von der Stadt als Optionen genannt. In Geschäften nach Wasser zu fragen, stelle für viele Obdachlose jedoch eine hohe Hürde dar, sagen die Helfer:innen. „Sie wissen, dass sie eigentlich nicht gewollt sind“, sagt Fahlbusch. „Und gerade in Hannover hat die Obdachlosenszene einen sehr schlechten Ruf“, sagt Cordes von der Obdachlosenhilfe. „Die haben da drinnen keine Chance.“
Auch in Hamburg ist die Situation prekär. Normalerweise gibt es im Stadtgebiet – Alster, Landungsbrücken, Rathaus, Stadtpark – fünf öffentliche Wasserspender, sagt Janne Rumpelt, Sprecherin des Unternehmens Hamburg Wasser. Coronabedingt sind diese aber derzeit außer Betrieb. „Zum einen ist die kontaktlose Nutzung des Spenders nicht möglich; zum anderen können wir nicht sicher gewährleisten, dass die Abstände an der Säule eingehalten werden“, sagt Rumpelt.
Hamburg Wasser folge damit der Empfehlung der Gesundheitsbehörde. In Hannover und auch in Bremen, wo es nach Auskunft der Gesundheitssenatorin sechs öffentliche Trinkbrunnen gibt, sind die Brunnen trotz der Hygienevorschriften nicht gesperrt.
Wohnungen würden nicht nur Wasserversorgung verbessern
Die Hamburger Versorgungslage zehre an den Nerven der Menschen, sagt Andrea Hniopek, Leiterin des Fachbereichs Existenzsicherung bei der Caritas Hamburg. „Wir nehmen Menschen wahr, die erschöpft rumliegen und vor sich hin dösen.“ Die Versorgung, auch mit Duschmöglichkeiten, habe schon vor Corona nicht gereicht, berichtet Hniopek. Ihre Kolleg:innen, die mit den Projekten der Caritas unterwegs sind, hätten zwar jeweils ein paar Liter Wasser dabei – kompensieren könnten sie den Wegfall der Zapfstellen aber nicht.
Die Lösung für diese und weitere Probleme seien Wohnungen, sagt Hniopek. „Eine geregelte Wohnsituation würde wirklich helfen – nicht so ein aufgeblähtes Hilfesystem, wie wir es momentan anbieten.“ Die Stadt bemühe sich zurzeit sehr, Räume herzurichten; dies sei jedoch zäh. Die Versorgungskrise durch die Pandemie werde sich im Winter weiter verschlimmern, sorgt sich Redakteur Matthias. „Und das Extremwetter ist zurzeit eine zusätzliche Belastung.“
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