Treffen von Putin und Lukaschenko: Reine Verachtung
Mit Putins Unterstützung für Lukaschenko ist es nicht mehr weit her. Der in Aussicht gestellte Kredit würde Belarus noch abhängiger von Moskau machen.
E s war ein denkbar schlechtes Schauspiel, das da am Montag, 14. September, in der russischen Stadt Sotschi am Schwarzen Meer aufgeführt wurde. Allein die Körpersprache war schon entlarvend bei der Zusammenkunft zwischen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dem belarussischen Noch-Staatschef Alexander Lukaschenko: Putin kühl zurückgelehnt mit versteinerter Miene, Lukaschenko so weit nach vorne gebeugt, als würde er gleich auf die Knie fallen wollen. Nein, Treffen von Freunden sehen anders aus. Und der Umstand, dass Putin betonte, er könne Lukaschenko jetzt erstmals persönlich zu dessen „Wahlsieg“ gratulieren, mutete geradezu grotesk an.
Doch diese abgeschmackten Höflichkeitsfloskeln konnten nicht über die wahre Befindlichkeit Putins hinwegtäuschen: Reine Verachtung. Schließlich war mit Lukaschenko ein Bittsteller nach Sotschi gekommen. Einer, dem die Kontrolle in seinem Land längst entglitten ist und der es trotz brutaler Repressionen und Zwangsmaßnahmen auch nach über einem Monat nicht geschafft hat, die Proteste zum Verstummen zu bringen. Da half es auch nichts, dass Lukaschenko seinem Gegenüber weiszumachen versuchte, die Lage in Belarus sei besser, als die „Feindpresse“ behaupte.
Den widerborstigen Nachbarn in die Knie zu zwingen und noch stärker an Russland zu binden, das versucht der Kreml schon lange. Belarus ist aus strategischen Gründen wichtig – als Pufferstaat zum Westen, denn es grenzt an drei EU-Staaten. Putin dürfte allerdings klar sein, dass der großzügige 1,3 Milliarden-Euro-Kredit, den er Belarus jetzt gewährt, das Problem nicht lösen, sondern Lukaschenkos Delirium allenfalls ein wenig verlängern wird.
Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.
Es wird immer deutlicher, dass Moskau ein fertiger Plan B fehlt. Belarus „heimzuholen“, wie seinerzeit die Krim, ist nicht vermittelbar. Die Interessen angeblich unterdrückter Landsleute mit Waffengewalt zu verteidigen, wie im Donbass, ebenso wenig. Mal abgesehen davon, dass das die Liebe der Belaruss*innen zum großen Bruder nicht gerade befördern dürfte. Die Frage ist jetzt: Wie wird Putin mit diesem Dilemma umgehen?
Aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind die Äußerungen der belarussischen Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja, die sich zusehends aus der Deckung wagt. Es sei bedauerlich, sagte sie an die Adresse Putins gerichtet, dass die Kremlchef einen Dialog mit dem Diktator führe, anstatt mit dem Volk. Fragt sich nur, ob auch Putin diese Botschaft verstanden hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt