piwik no script img

Treffen von Putin und LukaschenkoReine Verachtung

Kommentar von Barbara Oertel

Mit Putins Unterstützung für Lukaschenko ist es nicht mehr weit her. Der in Aussicht gestellte Kredit würde Belarus noch abhängiger von Moskau machen.

Treffen sich zwei Präsidenten in Sotschi: Alexander Lukanschenko und Wladimir Putin Foto: Russian Presidential Press Service/ap/dpa

E s war ein denkbar schlechtes Schauspiel, das da am Montag, 14. September, in der russischen Stadt Sotschi am Schwarzen Meer aufgeführt wurde. Allein die Körpersprache war schon entlarvend bei der Zusammenkunft zwischen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dem belarussischen Noch-Staatschef Alexander Lukaschenko: Putin kühl zurückgelehnt mit versteinerter Miene, Lukaschenko so weit nach vorne gebeugt, als würde er gleich auf die Knie fallen wollen. Nein, Treffen von Freunden sehen anders aus. Und der Umstand, dass Putin betonte, er könne Lukaschenko jetzt erstmals persönlich zu dessen „Wahlsieg“ gratulieren, mutete geradezu grotesk an.

Doch diese abgeschmackten Höflichkeitsfloskeln konnten nicht über die wahre Befindlichkeit Putins hinwegtäuschen: Reine Verachtung. Schließlich war mit Lukaschenko ein Bittsteller nach Sotschi gekommen. Einer, dem die Kontrolle in seinem Land längst entglitten ist und der es trotz brutaler Repressionen und Zwangsmaßnahmen auch nach über einem Monat nicht geschafft hat, die Proteste zum Verstummen zu bringen. Da half es auch nichts, dass Lukaschenko seinem Gegenüber weiszumachen versuchte, die Lage in Belarus sei besser, als die „Feindpresse“ behaupte.

Den widerborstigen Nachbarn in die Knie zu zwingen und noch stärker an Russland zu binden, das versucht der Kreml schon lange. Belarus ist aus strategischen Gründen wichtig – als Pufferstaat zum Westen, denn es grenzt an drei EU-Staaten. Putin dürfte allerdings klar sein, dass der großzügige 1,3 Milliarden-Euro-Kredit, den er Belarus jetzt gewährt, das Problem nicht lösen, sondern Lukaschenkos Delirium allenfalls ein wenig verlängern wird.

Notizen aus Belarus

Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

Es wird immer deutlicher, dass Moskau ein fertiger Plan B fehlt. Belarus „heimzuholen“, wie seinerzeit die Krim, ist nicht vermittelbar. Die Interessen angeblich unterdrückter Landsleute mit Waffengewalt zu verteidigen, wie im Donbass, ebenso wenig. Mal abgesehen davon, dass das die Liebe der Belaruss*innen zum großen Bruder nicht gerade befördern dürfte. Die Frage ist jetzt: Wie wird Putin mit diesem Dilemma umgehen?

Aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind die Äußerungen der belarussischen Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja, die sich zusehends aus der Deckung wagt. Es sei bedauerlich, sagte sie an die Adresse Putins gerichtet, dass die Kremlchef einen Dialog mit dem Diktator führe, anstatt mit dem Volk. Fragt sich nur, ob auch Putin diese Botschaft verstanden hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Diese Überlegungen darüber was P alles wollte aber nicht könnte sind z.T. völlig aus der Luft gesogen. Irgendwer hat sie zuerst aufgeschrieben u alle schreiben Sie ab: Belarus "heimzuholen" wäre "nicht vermittelbar" Anders als auf der Krim und im Donbass. Warum nicht? Wenn das Volk ihm die Erklärungen nicht abnimmt, ist es auch egal, nicht wenige werden sich trotzdem freuen, dass Mütterchen R wieder ein Stück größer geworden ist und werden zur Jubelfeier Fahnen schwenken kommen. Und: waren die Gründe für die Krim und den Donbass nicht auch von vorn bis hinten ausgedacht und die brenzlige Lage, weshalb man den "russischen Landsleuten" in der Ukraine zu Hilfe eilen musste mit urlaubenden Soldaten selbst herbeigeführt? Das könnte P auch in Belarus ohne Probleme tun. Für die historische, kulturelle, sprachliche Begründg für die Zugehörigkeit Belarus' zu Russland muss sich der Kreml auch nicht das Hirn verrenken. Und der Westen wird schön still halten, alle haben Angst vor P, vllcht der einzige Grund warum P eigentlich sich zufrieden zurücklehnen kann und keinen Finger krumm machen muss, niemand wird etwas unternehmen um nur ja nicht ihn zu reizen. Außerdem würde es auch Arbeit machen und ja, Unruhe bringen. Vielleicht ist auch P inzwischen etwas müde. Aber das ist mglw. eine zu schwach fundierte Hoffnung. Tatsache ist, wenn die Leute in Belarus wieder von der Straße runter sind, wird sich im Westen auch niemand mehr wegen Belarus das Hirn martern, wo man ja ohnehin wenig bis gar nichts machen kann. Vllcht kann man dann auch endlich wieder ungehindert den Geschäften nachgehen, kann man dann mit "Wandel durch Annäherung" überschreiben. Ob es den dann gibt wird die Zukunft weisen, muss man sich jetzt keine Gedanken darüber machen. Putin weiß, dass Merkel, Kurz usw genügend Unternehmer u Verbände in den Ohren liegen hat, die das Geschäft nicht gefährdet haben wollen. Die Belarussen werden darob Russland nicht mehr lieben? R möchte nicht geliebt werden, sondern gefürchtet.

  • "...würde Belarus noch abhängiger von Moskau machen."

    Natürlich. Putin sucht doch längst nur noch jemanden, der an Stelle Lukaschenkos übernehmen kann...

    "...dass die Kremlchef einen Dialog mit dem Diktator führe, anstatt mit dem Volk."

    Wie müsste ich mir das praktisch vorstellen? Putin läuft durch die Straßen von Minsk und berät mit den Leuten den Sturz der Regierung? Das würde wohl nur funktionieren, wenn er ein paar Divisionen zu seinem Schutz mitbringt. Sonst lässt ihn L. verprügeln...

  • Die Beiden haben meinen höchsten Respekt. Wie man sich ohne zu zucken, minutenlang den Bullshit des anderen anhören kann... Das schafft nicht mal der Dalai Lama. Das ist Beherrschung!

  • Putins größte Sorge dürfte sein, dass die Bevölkerung in Belarus von dortigen PolitikerInnen auf einen streng westlichen bzw. antirussischen Kurs getrieben wird. Ich kann mir gut vorstellen, was jetzt hinter den Kulissen in diesem Land läuft. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass Putin so doof ist, der Opposition in Belarus in den Rücken zu fallen bzw. Lukaschenko wirklich zu stützen. Wenn er wirklich nicht doof ist, dann würde er seinen Einfluss Richtung Neuwahlen geltend machen.

    • @Rolf B.:

      Das würde aber bedeuten dem Druck der Straße nachzugeben und diesen Eindruck wird er ebenfalls unbedingt vermeiden wollen um der eigenen Opposition kein Vorbild zu liefern. Ich vermute daher eher, dass er versuchen wird Lukaschenko zu stützen, dabei aber möglichst unsichtbar zu bleiben.