Transgender-Regeln bei Olympia: Wann ist jemand eine Sportlerin?
Das IOC wird neue Empfehlungen vorlegen, die Transgender-Personen entgegenkommen sollen, heißt es.
N ach den Winterspielen von Peking ist es so weit: Das Internationale Olympische Komitee wird neue Empfehlungen herausgeben, wie die Sportwelt mit Transgender-Athletinnen umzugehen hat. Wie schwer das ist und wie schnell Kontroversen entstehen, zeigt eine aktuelle Debatte im US-Schwimmsport. College-Studentin Lia Thomas, die als Mann auf die Welt kam, schwimmt ihren Konkurrentinnen auf den längeren Distanzen davon. In einem Rennen über 1.500 Meter hatte sie kürzlich 38 Sekunden Vorsprung auf die Zweitplatzierte. Hämische Kommentare musste sie sich anhören, als Thomas bei einem Wettkampf der University of Pennsylvania über 100 Meter von Iszac Henig geschlagen wurde, auch er ist ein Transgender-Athlet, allerdings ein Trans-Mann, der, um seine neue soziale Identität zu untermauern, eine Mastektomie hat vornehmen lassen, Brustgewebe also hat entfernen lassen.
Dass beide im selben Wettbewerb antreten, ist völlig legal, denn die Regeln der NCAA, der National Collegiate Athletic Association, besagen seit 2011, dass Trans-Frauen nach einem Jahr Hormontherapie (Lia Thomas hat sogar zweieinhalb Jahre hinter sich) an Frauen-Wettkämpfen teilnehmen können – und dass Trans-Männer, die kein Testosteron einnehmen, ebenfalls bei den Frauen mitschwimmen dürfen. Deren Stoffwechsel hat sich ja nicht verändert.
Das IOC hat zuletzt 2015 in seinem „Consensus Statement“ den internationalen Sportverbänden eine Empfehlung zum Umgang mit diesen seltenen Ausnahmen gegeben. Das Ergebnis: Frauen, die eine Geschlechtsidentität als Mann angenommen haben, dürfen ohne Restriktionen an Männer-Wettkämpfen teilnehmen. Im umgekehrten Fall geht das nicht so einfach: Der Wechsel der Identität muss mindestens vier Jahre zurückliegen und amtlich beurkundet sein. Die Athletin muss zusätzlich nachweisen, dass ihr Testosteronspiegel im Blut mindestens zwölf Monate lang unter zehn Nanomol pro Liter gelegen hat. Diesen Grenzwert, der regelmäßig kontrolliert wird, muss sie dauerhaft einhalten.
Von diesem Wert ist in der IOC-Novelle nun nichts mehr zu finden, vielmehr sind da zehn (weiche) Punkte aufgelistet, die für die Sportverbände allerdings rechtlich nicht bindend sind. Der Fokus soll gerichtet werden auf: Inklusion, Schadensverhütung und Nichtdiskriminierung, Fairness, auf „eine Vorteilsvermutung“ solle verzichtet werden, ein evidenzbasiertes Vorgehen wird gewünscht, die Gesundheit solle Vorrang haben, ebenso wie der Datenschutz, das Ganze solle „Stakeholder-zentriert“ sein, und die Empfehlungen müssten regelmäßig überprüft werden. Das IOC, das für sein Zehn-Punkte-Programm 60 Hearings, unter anderem mit LGBTIQ-Vertretern, veranstaltet hat, ist sich bewusst, dass es eine „hochgradig politisierte und spaltende Debatte“ gebe, gerade über die leistungssteigernde Wirkung des männlichen Hormons Testosteron.
Das IOC ist nun der Meinung, dass es „keinen wissenschaftlichen Konsens darüber gebe, wie Testosteron die Leistung im Sport“ beeinflusse. Das sehen Vertreter von Sportverbänden, Experten, ja selbst Mitarbeiter des IOC anders, denn in einem jetzt bekannt gewordenen Positionspapier warnen unter anderem Wissenschaftler davor, dass die neuen Richtlinien zu unlauterem Wettbewerb im Frauensport führen könnten. „Der neue Rahmen des IOC konzentriert sich hauptsächlich auf eine bestimmte Menschenrechtsperspektive, und die wissenschaftlichen, biologischen oder medizinischen Aspekte werden nicht berücksichtigt“, heißt es. Auch die NCAA bekommt Druck. Sie möchte ihre über zehn Jahre alten Regeln „überdenken“.
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