Olympische Spielereien: Wildwuchs der Ideen

Vor der Renaissance der Olympischen Spiele gab es in England und Griechenland etliche Versuche, die alten Spiele wiederzubeleben.

Menschen in alten Trachten mit Pferd und traditionellen Musikinstrumenten

Eröffnungszeremonie der Cotswold Olimpick Games 2007 Foto: Robert Harding/imago

Es ist Konsens, dass Olympia zwei Epochen hat: die antiken Olympischen Spiele und die modernen. Die alten Wettkämpfe fanden von 776 v. Chr. bis 393 n. Chr. statt, die neuzeitlichen wachsen seit 1896. Die Renaissance schien allein auf dem Mist des Barons de Coubertin gewachsen zu sein.

Idealismus, Verve und persönliches Engagement taugten als Wachstumsbeschleuniger für einen jungen Spross. Aber das ist nur ein Teil der Erzählung, denn schon vorm Franzosen gab es ernsthafte Versuche, die alten Spiele wiederzubeleben. Coubertin stand nur am Ende eines Prozesses. Er konnte mit seinem Kollegium etwas zur Reife bringen, was bereits über Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte in Europa zirkulierte.

Bereits im 16. und 17. Jahrhundert wurden in England auf Initiative eines gewissen ­Robert Dover „Olimpick Games“ einer aristokratischen Elite abgehalten – mit Pferderennen, Pferdejagden, Schach oder Backgammon. Die Spiele, auch Cotswold Games genannt, dienten dazu, wie der Sporthistoriker Wolfgang Decker schreibt, „der Gefahr der Erschlaffung der männlichen Bevölkerung“ entgegenzutreten. Die Puritaner versuchten den Sport seinerzeit unter das Verdikt des Unchristlichen zu stellen. Die Olimpick Games waren, so gesehen, ein freiheitliches und emanzipatorisches Projekt. Oder anders gesagt: Sollte sich doch der Pöbel der rigiden Moral beugen, die Hochwohlgeborenen ließen es krachen. ­Dovers Spiele hatten Höhen und Tiefen, doch es gibt sie bis heute.

In der englischen Grafschaft Shropshire an der Grenze zu Wales entwickelte der Landarzt William Penny Brookes einen soliden Olympiafimmel. Er schrieb Aufsätze zum Thema, und seine Olympian Class veranstaltete ab 1850 Olympian Games. Die Wettkämpfe fanden bis 1885, mit einer einzigen Unterbrechung, in der Ortschaft Much Wenlock statt. Man lief über Hürden, sprang weit und hoch, schoss mit dem Bogen, warf einen Eisenring (Quoit genannt). Fußball wurde gespielt, und Reiter spießten mit einer Lanze einen Ring auf (Tilting).

Weitere Dosis an Ideen

1890 besuchte Coubertin den alten Engländer, der dem Gast zu Ehren eine Ausgabe seiner Olympischen Spiele abhielt und den Festländer so mit einer weiteren Dosis seinen Ideen impfte. Ab 1861 nannte sich der Rummel, auf Betreiben der Wenlock Olympian ­Society, ­Shropshire Olympian Games. Was regional war, wurde national: Der Liverpool ­Athletic Club wurde nun auch aktiv und veranstaltete zwischen 1862 und 1867 Olympische Spiele für Amateure. Daraufhin wurde unter Beteiligung des Landarztes Brookes, des Präsidenten der German Gymnastic Association und eines Liverpooler Bürgers die National ­Olympic ­Association gegründet.

So ging es munter weiter. Der Olympismus griff um sich. 1866 wurden in London ­National Olympic Games ausgetragen, im Glaspalast der ersten Weltausstellung. Die Disziplinen: Turnen, Ringen oder Fechten. Diese Spiele versandeten jedoch. Freilich wurde die Bewegung nicht nur in England revitalisiert, auch im Mutterland der Spiele, in Griechenland, gab es intensive Bestrebungen zur Neuausrichtung Olympischer Spiele. Mit der Unabhängigkeit Griechenlands und der Installierung des Bajuwaren Otto I. als König zirkulierte alsbald der Plan eines Nationalfestes. Das Memorandum wurde von Panagiotis Soutsos entworfen, doch das für 1836 angesetzte Spektakel fand nicht statt, sehr wohl aber ein weiterer ­Versuch im griechischen Letrinoi zwei Jahre später.

1856 wurden in Piräus Olympische Spiele ins Leben gerufen, und auch der Kaufmann Evangelis Zappas war Trendsetter mit seinen ­Olympien (ab 1859). Es war schließlich an Pierre de Coubertin, den Wildwuchs der Ideen und Orte zu beenden und Olympia als bündige, unwiderstehliche Wertarbeit vorzustellen.

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