Trans Menschen und Feministinnen: In Eigenregie l(i)eben
Unsere Antagonist*innen verleumden uns nach Kräften. Dabei ist und bleibt das Transgendersein etwas Natürliches.
Die Würde des Menschen ist unten antastbar“, so heißt der Titel eines Tongedichts, das ich einst in einem Neuköllner Venue uraufführte. Das Stück befasst sich mit der Art und Weise, auf die man mit uns Angehörigen der Transgender-Community umgeht. „Mitglied, ohne Glied, noch nicht das Ende vom Lied. Ihr seid lustig, feiern wir Pride. Solange Ihr nicht zu stolz seid.“ Fakt ist, wir werden als Faszinationsobjekte begrapscht und als Feindbilder bedrängt. Unsere Bedürfnisse werden häufig totgeschwiegen. Dafür labert man lebhaft über uns, unsere Gender-Gaga, unsere Genitalien – und über unsere Köpfe hinweg.
Als „Frau ohne Menstruationshintergrund, aber mit Herzblut, in der Regel“ habe ich diesbezügliche Erfahrungen am eigenen Leibe gesammelt. Man spricht euphemistisch von „Transphobie“, aber diese Angst vor uns artikuliert sich allzu oft als Hetze in Wort und Bluttat, ob online oder auf offener Straße.
In unserer „Trans Serie“ schreiben queere, trans und cis Menschen rund um die aktuellen Diskurse um das neue Selbstbestimmungsgesetz. Alle Texte der Reihe finden Sie hier.
Zu unseren erbittertsten Widersacher*innen zählen religiöse Fundamentalist*innen, Neonazis, Maskulinisten und nicht zuletzt die TERFS, eine seit 1970 gängige Selbstbezeichnung für Trans Exclusionary Radical Feminists. Eine unheilige Allianz, in der besorgte Bürger*innen Mobbing als Ausdruck der Meinungsfreiheit auf allen Kanälen betreiben.
TERFs schrecken dabei vor dem rassistischen Revisionismus auch nicht zurück. Die Ikone Marsha P. Johnson (1945 – 1992), jene Schwarze trans* Frau, die 1969 beim Gay-Rights-Aufstand in der New Yorker Christopher Street den ersten Stein von Stonewall warf, wird von ihnen gar nicht anerkannt, sondern ausgelacht und geleugnet.
geboren 1961 im Schatten der Freiheitsstatue, Berlinerin mit afroamerikanischen Wurzeln, Kolumnistin, Kabarettistin, Keynote-Rednerin und Juristin (Juris Dr., US). Ihr Buch „Race Relations: Essays über Rassismus“, erschienen 2022 im GrünerSinn-Verlag, reüssiert als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus und liefert Hintergründe zu den bis heute anhaltenden Diskriminierungen.
Für TERFs, wie auch für unsere anderen Widersacher*innen, sei das Geschlecht nicht frei wählbar, sondern ausschließlich und unabänderlich biologisch bedingt. Somit zelebrieren sie binäre, heteronormative Körperideale. Dabei offenbaren sie auch eine ableistische Haltung, die Menschen mit Behinderung in mikroagressiver Mitleidenschaft zieht.
Wir in der Trans-Community erleben die TERF-Bewegung als eine soziopathische Sekte, die psychoterroristisch agiert und agitiert. Missgendern, Mobbing, Mordaufrufe. Während ihre Gefährlichkeit von den Medien und von der Justiz noch unterschätzt wird, bilden TERFs – sehenden Auges und mit blinder Besessenheit – eine unheilige Allianz mit der besorgten Bürgerschaft des Patriarchats.
TERFs teilen auch die Überfremdungsängste der rechten Rattenfänger*innen, obwohl Transgenderpersonen mitsamt non-binären Personen knapp 2 bis 5 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Umso bedauerlicher ist es, dass man TERFs eine gewisse Salonfähigkeit verleiht. Hochschulen, besonders jene, die eine nicht aufgearbeitete Tradition systemischer Diskriminierung aufweisen, lassen sich ja bekanntlich dazu nötigen, solchen Demagog*innen eine Plattform zu bieten.
Es ginge um die „Wissenschaftsfreiheit“. Na ja, auch die Flat Earthers (die Erde sei eine Scheibe) stehen auf einem „wissenschaftlichen Fundament“, aber eben auf einem aus dem 15. Jahrhundert. Für ein Referat beispielsweise über die moderne Astrophysik wären Flatearthers allerdings nicht geeignet. Ihnen die Auftrittsmöglichkeit deshalb zu verweigern, hätte also nichts mit Zensur zu tun.
Den berüchtigten HU-Vortrag möchte ich inhaltlich nicht kommentieren. Außer: Von einer Meeresbiologin, die über Transsexualität referiert, hätte ich der Vollständigkeit halber etwas über „Seepferdchen-Papas“ der humanen Sorte erwartet. So nennen sich trans* Männer, die – noch über ihre weiblichen Geschlechtsorgane verfügend – Kinder gebären. Ja, Männer können schwanger werden. Das war Gegenstand des 2020 an der University of Leeds durchgeführten Symposiums Trans Pregnancy, bei dem das Sujet ohne polemische Verengung, sondern unter interdisziplinären Gesichtspunkten (Medizin, Psychologie, Recht und Soziologie) erörtert wurde.
Prominente wie J. K. Rowling twittern transfeindliche Sticheleien. Wenn sie nicht als Harry-Potter-Autorin unterwegs ist, schreibt Rowling übrigens unter dem Pseudonym Robert Galbraith. Der Arzt Robert Galbraith Heath (1915–1999) war ein glühender Verfechter der abscheulichen Konversionstherapie, die „zur Heilung“ homo- und transsexueller Zwangspatient*innen teilweise nach wie vor eingesetzt wird. Ein Zufall? Doch damit nicht genug: Als Robert Galbraith veröffentlicht Rowling eine Krimireihe, in der „feminin verkleidete“ Männer immer wieder als Übeltäter auftauchen. So bedient sie sich eines verleumderischen Klischees, mit denen die Community seit Langem zu tun hat.
Trans* Frauen als Kerle, die in Weiberklamotten herumlaufen, nach jener Möglichkeit lechzend, sich auf der Damentoilette sexuell zu befriedigen und Opfer zu vergewaltigen. Allerdings, wenn die Erzähler*innen solcher Gruselstorys darum gebeten werden, mit konkreten Beispielen aufzuwarten, kommen sie in Bedrängnis. Schließlich erwähnen sie irgendeinen obskuren, im Hörensagen verwurzelten Fall, in dem ein cis Mann sich als Frau verkleidet, um seine fetischartigen Übeltaten zu begehen.
Anschließend zieht sich der Täter wieder männlich an. Er hat freilich überhaupt kein Interesse daran, in seinem alltäglichen Umfeld weiblich unterwegs zu sein, geschweige denn, dass er auf die Idee käme, an seiner amtlichen Identität als Mann zu rütteln. Denn dadurch würde seine Tarnung auffliegen. Zum Vergleich: Wenn ein Weißer seine Haut mit dunkler Farbe kaschiert, um bei einer x-beliebigen Straftat den Verdacht auf Nichtweiße fallen zu lassen, ist es dann gerecht, wenn unbeteiligte Schwarze in Sippenhaft genommen werden? Doch genau das passiert mit uns.
Mit solchen Hirngespenstern hantieren auch hierzulande unsere Antagonist*innen. Emma-Feministin Alice Schwarzer meldet sich zu Wort, mit einem vor dem „Trend Transsexualität“ eindringlich warnenden Band, der tief im Bunker der Binarität verwurzelt ist. Dabei ist und bleibt das Transgendersein etwas Natürliches. Denn was könnte natürlicher sein als das Bedürfnis, in Eigenregie zu lieben und zu leben? Dass die übersichtliche Welt unserer Widersacher*innen dadurch erschüttert wäre, dürfte uns nicht zum Nachteil gereichen. Sie stützen sich auf Autokratie (Verbote, Toilettenkontrollen), wir dahingegen verkörpern Autonomie.
Eigentlich wollen wir mehrheitlich keine Sonderrechte, sondern Rechte. Die Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes ist deshalb wichtig, damit das Unrecht des seit 1981 geltenden Transsexuellengesetzes beseitigt werden kann. Kein Allheilmittel, aber ein Schritt in Richtung Würde und eine gesetzlich verankerte Kampfansage an alle, die durch Hetze und Halbwahrheiten unsere Existenz infrage zu stellen versuchen.
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