Trans*-Aktivistin über BVerfG-Ablehnung: „Die Begründung ist abscheulich“

Am Freitag wurde Nicole Faerbers Antrag vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Sie kämpft für eine Reform des sogenannten Transsexuellengesetzes.

Demonstrant*innen halten eine Regenbogen- und All-Gender Flagge

Das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung muss ständig neu erkämpft werden – auf der Straße und vor Gericht Foto: Imago/ZUMA Press

taz: Frau Faerber, am vergangenen Freitag wurde in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ihre Beschwerde zum sogenannten Transsexuellengesetz (TSG) nicht zur Verhandlung angenommen wurde. Was war Ihr bisheriger juristischer Weg?

Nicole Faerber: Angefangen hat das alles vor über zwei Jahren. Mit dem Rechtsbeistand der Kanzlei White&Case in Hamburg bin ich zunächst vor das Amtsgericht Dortmund gezogen. Von dort ging es zum Oberlandesgericht und letztlich zum Bundesverfassungsgericht. Leider hat das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde jetzt nicht einmal angenommen und diese Entscheidung kann auch nicht angefochten werden.

Was genau besagt das aktuelle TSG und was ist ihre Kritik daran?

Das TSG beinhaltet inhaltlich nur noch zwei Bestimmungen: Das eine ist das sogenannte Offenbarungsverbot. Es besagt, dass Transpersonen zusammen mit ihrem Vornamen und rechtlichen Personenstand auch die Möglichkeit haben, ältere amtliche Dokumente wie Zeugnisse ändern zu können. Die zweite Bestimmung betrifft die Begutachtung, der sich Personen unterziehen müssen. Wer seinen Personenstand oder Vornamen ändern lassen möchte, muss sich einer zweifachen psychologisch-psychiatrischen Begutachtung unterziehen lassen.

Das ist im deutschen Rechtssystem völlig unüblich und wird ansonsten höchstens noch bei Schwerverbrechern angewendet. Der Tenor dahinter ist eine längst überkommene Psychopathologisierung von Trans*menschen. Also dass angenommen wurde, dass Trans*menschen fürchterlich gestört seien und man ihnen nur im allergrößten Notfall zugestehen könnte, den Geschlechtswechsel zu machen. Diese Grundannahme ist menschenverachtend, deswegen geht diese Begutachtungspraxis einfach gar nicht.

Wie sehen diese Begutachtungen für gewöhnlich aus?

Das TSG besagt, dass der sogenannte transsexuelle Zwang, also der Zwang“ zum Leben im anderen Geschlecht, seit mindestens drei Jahren bestehen muss und auch nach allen wissenschaftlichen Kriterien nicht mehr weggehen wird. Das Gericht weist einem dann zwei Gutachter zu, die diesen „Zwang“ objektiv belegen sollen. Natürlich gibt es Gutachter, die das auf relativ unkomplizierte Weise über die Bühne bringen. Aber es gibt auch Gutachter, die eine riesige Anamnese aufmachen – von der Kindheit angefangen über Lebenswandel, Eltern und Umfeld bis hin zu intimen Dinge wie explizite Fragen nach dem Sexualleben. Dabei hat das damit ja überhaupt nichts zu tun!

Werden die Gutachten von der Krankenkasse übernommen?

Das ist ein Verfahren der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit, das heißt, es ist komplett selbst zu bezahlen und kostet je nach Gutachter*in von 500 bis 1.500 Euro pro Gutachten.

Das „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“, kurz „Transsexuellengesetz“ (TSG) genannt, existiert in geringfügig veränderter Form seit 1981. Es schreibt unter anderem vor, das sich Trans*menschen einer zweifachen psychologischen Begutachtung unterziehen müssen, um ihren Namen zu ändern. Eine Vorgabe, die von vielen Betroffenen als diskriminierend empfunden wird.

Sie haben sich bisher geweigert, sich diesen Gutachten zu unterziehen. Welche konkreten Folgen hat es für Sie, dass Ihre geschlechtliche Identität momentan nicht offiziell anerkannt ist?

Ich habe zum Glück nicht das Problem, dass ich mich mit Zeugnissen irgendwo bewerben muss, in denen noch meine frühere geschlechtliche Identität festgehalten wäre. Das ist natürlich für jüngere Trans*personen eines der ganz großen Probleme. Das kann zu massiven Diskriminierungen führen. In meinem Fall laufen alle amtlichen Ausweisdokumente noch auf den alten Namen. Wenn ich irgendwo in der Öffentlichkeit unterwegs bin, mir ein Flugticket buche oder in ein Hotel einchecke, dann habe ich jedes Mal Herzklopfen. Ich kann das aber auch nicht unter meinem alten Namen machen, denn das passt ja nicht, wenn ich als Frau mit männlichem Pass im Hotel auftrete. Man hat ständig Angst, infrage gestellt zu werden, oder sich selbst erklären zu müssen.

Sie haben bereits einen langen juristischen Weg hinter sich. Was ist Ihre Motivation, trotz Rückschlägen weiter zu kämpfen?

Ich war schon immer ein sehr politischer Mensch. Ich habe meine eigenen Überzeugungen, trete für sie ein und lasse mich da auch nicht so leicht verwirren. Wenn ich etwas sehe, das ungerecht ist, setze ich mich dafür ein und gebe nicht so leicht auf. Es sei denn, man überzeugt mich eines Tages vom Gegenteil, aber das ist bisher beileibe noch nicht passiert. (lacht)

Wie geht es Ihnen nun nach der Absage des Bundesverfassungsgerichts?

Ich bin natürlich sehr enttäuscht. Dieser Beschluss ist wie ein Salto rückwärts. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Oktober dieses Jahres mit der Begründung zur sogenannten dritten Option deutlich gemacht hat, dass die persönliche geschlechtliche Identität etwas ist, das nicht von Dritten beurteilt werden kann, hatte ich mir große Hoffnungen für meinen Fall gemacht. Aber mit der Absage bin ich am Ende der juristischen Mittel in Deutschland.

Besonders verletzend finde ich den Schlusssatz der Ablehnungsbegründung: „Die beschwerdeführende Person kann durch eine unzulässige Ausgestaltung der Begutachtung in Grundrechten überhaupt nicht verletzt sein, weil sie sich der Begutachtung gar nicht erst unterzogen hat.“ Diese Begründung empfinde ich als abscheulich und menschenverachtend. Wie kann man ernsthaft von mir verlangen, dass ich mich erst einem beschädigenden Verfahren unterziehen muss, um in der Lage zu sein, eine Beschwerde vorzubringen?

Was ist Ihr weiteres Vorgehen?

47, ist Informatikerin, Co-Gründerin einer Software-Firma und arbeitet als Trans*aktivistin unter anderem für den „Bundesverband Trans*“. Sie reichte eine Verfassungsbeschwerde gegen die verpflichtende zweifache Begutachtung des TSG ein, die am 17. Oktober abgelehnt wurde.

Wie es jetzt weitergeht, weiß ich noch nicht. Ich werde auf jeden Fall weiter aktivistisch tätig sein, auf den Gesetzgeber Druck ausüben, damit endlich etwas passiert. Denn das TSG wird schon seit Jahren kritisiert. In den vergangenen Jahren wurde vor dem Bundesverfassungsgericht sieben Mal gegen das TSG geklagt, mittlerweile ist dieses Gesetz die reinste Ruine. Aber trotzdem hat der Gesetzgeber bisher nichts daran geändert. Der politische Wille ist einfach nicht da. Ich glaube, im Kern ist das Problem, dass viele Menschen wahnsinnig verunsichert werden, sobald man anfängt an der binären Geschlechtlichkeit zu rütteln.

Wie sieht Ihre Vision für einen idealen rechtlichen Umgang mit Trans*menschen aus?

Am wichtigsten ist es, die Selbstbestimmung zu achten. Fremdbestimmung, wie durch solche Gutachten, funktioniert einfach nicht. Die Wissenschaft sagt mittlerweile unisono, dass es nicht möglich ist, die geschlechtliche Identität einer Person in irgendeiner Form objektiv von außen zu belegen. Außerdem müsste überprüft werden, an welchen Punkten der Staat etwas mit der Kategorie Geschlecht zu tun hat. Ist sie für den Staat überhaupt relevant – und wenn ja, wo? Ist es tatsächlich notwendig, dass im Geburtenregister oder in den Pässen ein Geschlecht eingetragen ist? An allen nicht relevanten Stellen sollte diese Kategorisierung endlich verschwinden.

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