Tourismusexperte über Treffen auf Rügen: Insellösungen für Inselprobleme
Wie schafft man einen Spagat zwischen Tourismus und Naturschutz? Das müsse die zweite deutsche Inselkonferenz zeigen, meint Knut Schäfer.
taz: Herr Schäfer, am Donnerstag und Freitag treffen sich in Binz auf Rügen Vertreter:innen von 26 Inseln und Halligen. Wieso brauchen die Inseln eine Konferenz?
Knut Schäfer: Weil Inselprobleme Insellösungen brauchen. Vor allem gibt es auf einer Insel geografische Probleme. Es steht nur eine begrenze Menge an Platz zur Verfügung. Dieses Problem wird dadurch verstärkt, dass es auf den Inseln der Nord- und Ostsee viele Schutzgebiete gibt. Wenn man darüber nachdenkt, dass der Tourismus auch Arbeitskräfte benötigt, kommt man zu dem Thema Wohnraum und Zuwanderung. Standortfaktoren müssen so gestaltet werden, dass sie interessant für Zuwander:innen sind. Auf der Konferenz geht es um den Austausch zwischen den Inseln, um voneinander zu lernen. Ziel ist die nachhaltige Gestaltung des Lebensraums Insel.
Knut Schäfer moderiert die Inselkonferenz. Er wurde 1976 auf Rügen geboren, ist Diplombetriebswirt, Geschäftsführer der Reederei Weiße Flotte GmbH und seit 2015 Vorstandsvorsitzender des Tourismusverbands Rügen.
Platzproblem auf den Inseln und Zuwanderung – ist das nicht ein Widerspruch?
Ein Mehr an Übernachtungskapazitäten wäre tatsächlich kontraproduktiv. Ich bin daher für eine touristische Entwicklung in Nischen und mit Qualität. Das bedeutet schonenden Umgang mit Ressourcen. Solch eine Entwicklung muss immer mit den Interessen der Bewohner:innen einhergehen. Anderenfalls ist diese Region nicht mehr authentisch, was unsere Stammgäste vergraulen würde. Die Leute wollen die Kultur der Inseln kennenlernen und die Schutzgebiete bewundern – und keine vollgestopften Hotelblocks. Um die Inseln attraktiv für Zuwanderung zu machen, benötigen wir eine gute ÖPNV-Anbindung, Wohnraum und Kitaplätze.
Die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern kritisieren, dass die nachhaltige Agenda der Inselkonferenz nur Kosmetik sei. Stimmt das?
Das ist an den Haaren herbeigezogen. Eine nachhaltige Entwicklung der Inseln muss auch unter touristischen Gesichtspunkten gedacht werden. Der Tourismus ist nun mal eine der wichtigsten Einnahmequellen der Inseln. Außerdem wollen wir keine rein touristische Entwicklung, sondern einen Einklang zwischen Natur, Tourist:innen und Bewohner:innen der Inseln.
Leiden die deutschen Inseln schon unter dem Klimawandel?
Durchaus. Was wir schon heute deutlich spüren, ist der Verlust der großen Heringsschwärme. Durch die höhere Wassertemperatur laichen die Heringe viel früher, was dazu führt, dass die Jungfische nach dem Schlüpfen nicht genug Nahrung finden. Die Hauptnahrung der Heringe, kleine Krebse, sind zu dieser Zeit noch nicht verfügbar, da sie nicht von der Wassertemperatur abhängen. Das ist ein riesiges Problem, weil es einen Verlust für unsere Kulturlandschaft bedeutet. Der Hering ist unser Brotfisch, und wenn der stirbt, stirbt auch die Branche.
Das Meer bietet aber auch großes Potenzial für erneuerbare Energien. Wie nutzen Sie das?
Vor Rügen beispielsweise gibt es bereits verschiedene Offshore-Windparks zur Stromerzeugung. Allerdings kann es für Inselbesucher:innen irritierend sein, wenn am Horizont Windkraftanlagen zu sehen sind.
Was halten Sie davon?
Offshore-Windanlagen sind eine Säule der Energiewende und nötig. Onshore-Räder direkt bei uns auf der Insel hingegen sehe ich kritisch. Nicht zuletzt wegen der vielen sensiblen Naturräume und Vogelschutzgebiete auf den Inseln. Dagegen haben wir uns als Tourismusverband eindeutig positioniert.
Wie stehen Sie zur Erschließung von neuen Gas- und Ölvorkommen in Nord- und Ostsee?
Das halte ich für äußerst problematisch. Aufgrund der geringen Vorkommen bei uns würde die Erschließung in Richtung Fracking gehen. Dagegen haben wir uns ebenfalls klar positioniert, da es einen zu großen Eingriff in die Naturlandschaft bedeuten würde.
Bis wann streben Sie eine CO2-Neutralität auf den Inseln an?
Ich würde sagen, dass bis dahin noch mindestens fünf bis zehn Jahre vergehen.
Auf einigen kleineren Inseln sind eigene Autos verboten. Wäre das nicht auch ein Konzept für die Größeren?
Rügen ist ungefähr so groß wie das Stadtgebiet Berlins. Da braucht man Individualverkehr, sonst würde es dem Tourismusstandort schaden. Nichtsdestotrotz sollte die Zielsetzung sein, den Individualverkehr so weit wie möglich zu reduzieren. Zuerst müssen wir die Hausaufgaben auf den Inseln erledigen und den ÖPNV ausbauen, sodass Gäste das Gefühl haben, man könne sich auf der Insel ohne Auto stressfreier bewegen. Der Weg hin zu einer autofreien Anreise führt meist über positive Erfahrungen beim Verzicht aufs Auto im vorherigen Urlaub in der Region.
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