Tödlicher Polizei-Schuss in Bremen: Einsprachigkeit kann töten
In Bremen scheitern Polizisten daran, sich mit einem Mann in einer psychosozialen Krise zu verständigen – mit tödlichen Folgen
W enn ein Mensch infolge eines Polizeieinsatzes stirbt, ist ein entsetzlicher Fehler passiert. Immer. Wer schuld ist, dass am Donnerstag ein Mann im Gröpelinger Breitenbach-Hof erschossen wurde, spielt dabei eine geringe Rolle. Politisch relevant ist hingegen die Frage: Was im System hat dazu geführt, dass hier geschossen wurde? Ließe sich das künftig vermeiden?
Darauf geben Smartphone-Videos vom Vorfall mehr Hinweise als auf die Frage, wohin der Todesschütze traf: Ob jemand verblutet, weil eine Polizeikugel seine Oberschenkel-Arterie durchtrennt – so starb ebenfalls am Donnerstag ein 23-Jähriger im Kreis Emsland – oder ob ein Vitalorgan beschädigt wurde, ist unwichtig. Gut lässt sich jedoch nachvollziehen, wie die Kommunikation scheitert zwischen den Polizist*innen und dem Mann, der später sterben wird.
Und das macht klar, dass es kein Zufall ist, sondern Folge systeminhärenter Xenophobie, dass mal ein Marokkaner, mal ein Guineer Opfer werden. Denn die sehr erregte Ansprache der Profis verfängt sich sofort in rasendem Leerlauf: „Sie legen das sofort aus der Hand!“ – „Was haben Sie da?“ – „Leg das Messer weg!“ – -„Legen Sie das Messer auf den Boden, dann machen wir die Waffen auch weg!!!“ – „Mit Messer.“ – „Das Messer!“ – „Das Messer!!“ – „Legen Sie das Messer weg!!!“ – „Messer weg!“ – „Mach Pfeffer klar!“ – „Das Messer weg!!!“ – „Das Messer!“
Es fehlt jeder Versuch, zu klären, ob der Umzingelte auch versteht, wozu er da aufgefordert wird. Es fehlt ein Versuch, in eine andere Sprache zu wechseln, Arabisch wäre gut, aber oft reichen schon Englisch, Französisch oder Spanisch, um einen gemeinsamen Kanal zu finden. Sich auf das Gegenüber, das gerade eine psychische Krise erlebt, einstellen zu können, das ist in einem Einwanderungsland oft eine Frage um Leben und Tod; in diesem Fall war es eine. Benötigt wird dafür eine Polizei, die nicht im monolingualen Habitus gefangen bleibt. Denn der ist tödlich.
Empfohlener externer Inhalt
.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?