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TiefseebergbauNorwegen macht Tempo

Schon im ersten Halbjahr 2025 will die Regierung Lizenzen für den Tiefseebergbau vergeben. Nun lässt sie ihr Vorhaben öffentlich diskutieren.

Ein arktischer Tiefseebewohner ohne Aktiendepot und Stimmrecht Foto: Martin Hatley/ocean census via ap

Berlin taz | Norwegen treibt seine Bergbauprojekte in der Tiefsee weiter voran. Am späten Mittwoch hat das Energieministerium des Landes eine öffentliche Konsultation zu den Gebieten begonnen, in denen Unternehmen Lizenzen für den Rohstoffabbau beantragen können. Die insgesamt drei Gebiete in der Norwegischen See und in der Grönlandsee wurden in 386 Blöcke aufgeteilt, in denen Mangankrusten und Massivsulfide vorkommen, die diverse Metalle enthalten. Die Gebiete liegen zwischen Norwegen, Grönland und Spitzbergen und umfassen etwa das Doppelte der Größe Dänemarks. |

Die Welt braucht Mineralien für die grüne Transformation, und die Regierung möchte erforschen, ob es möglich ist, auf dem norwegischen Festlandsockel auf nachhaltige Weise Mineralien vom Meeresboden zu gewinnen“, sagte Norwegens Erdöl- und Energieminister Terje Aasland von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Der Vorschlag liegt nun bis zum 26. September für eine öffentliche Konsultation aus.

Doch ist dieser Plan umstritten. „Dies ist ein völlig unverantwortlicher Schritt der Regierung“, sagt der Chef der Grünen Partei Norwegens, Arild Hermstadt, „alles, was sie in diesem Fall über Umweltbelange gesagt hat, war ein Spiel für die Galerie.“ Jetzt werde der Weg für Bergbauaktivitäten geebnet, die die Fischerei und das Ökosystem in weiten Teilen des Meeres gefährdeten, so Hermstad.

Kritik kommt auch vom Koalitionspartner der Sozialdemokraten: Der Kampf um einen sauberen und reichen Ozean werde in Zukunft von großer Bedeutung sein, sagte der energiepolitische Sprecher der Zentrumspartei, Lars Haltbrekken laut der Norwegischen Nachrichtenagentur NTB. „Anstatt sich mit den Tatsachen auseinanderzusetzen, dass der Abbau von Bodenschätzen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann, ignoriert die Regierung die Warnungen ihrer eigenen Umweltexperten völlig“, so Haltbrekken.

Unternehmen besitzen Knowhow

Auch die Umweltorganisation Greenpeace warnt vor dem Tiefseebergbau, vor allem ist sie besorgt über das angeschlagene Tempo. Die norwegische Regierung ignoriere alle Warnungen, sagt die Greenpeace-Meeresexpertin Daniela Herrmann. Wis­sen­schaft­le­r:in­nen des norwegischen Instituts für Meeresforschung, die norwegische Umweltbehörde und die Vereinten Nationen hätten davor gewarnt, dass Tiefseebergbau den Ökosystemen am Meeresgrund irreversibel schaden könne. „Die Tiefsee der arktischen Gewässer gehört zu den letzten unberührten Lebensräumen der Erde“, so Herrmann, „sie leidet schon jetzt stark unter den Folgen der Klimakrise.“

Nur ein Moratorium könne die Meere vor der Bedrohung des Tiefseebergbaus schützen. Ein solches Moratorium hatte das Europaparlament im Februar von Norwegen gefordert. „Die norwegischen Unternehmen besäßen wegen der langjährigen Öl- und Gasbohrung Erfahrungen mit Unterwassertechnologie“, sagt Herrmann, „sie können sehr schnell mit dem Tiefseebergbau beginnen, sie verfügen über das Knowhow, das Seegebiet ist kartiert.“ Es sei zu befürchten, dass der Bergbau beginne, bevor die Risiken ausreichend klar seien.

Der WWF Norwegen hat deswegen schon im Mai angekündigt, die norwegische Regierung zu verklagen. Der Naturschutzverband ist der Ansicht, dass die strategische Umweltverträglichkeitsprüfung des Energieministeriums, die der Entscheidung der Regierung zugrunde liegt, die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt.

Zudem sei der am Mittwoch präsentierte Vorschlag „von fast 400 Blöcken weit entfernt von einem ‚schrittweisen Vorgehen‘, wie es die Regierung versprochen hat“, sagte Karoline Andaur, die Generalsekretärin des WWF in Norwegen. Ungeachtet der Proteste plant Norwegens Regierung, schon im ersten Halbjahr 2025 erste Lizenzen für den Tiefseebergbau zu erteilen.

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6 Kommentare

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  • Ich nehme hier mal die unpopuläre Meinung an, dass es auch gute Seiten hat, wenn unsere ID.3s, E-bikes und Windräder zu einem Anteil aus Metallen der Tiefsee bestehen:

    - weniger große Tagebaue in Chile/Peru für Kupfer/Gold, somit in den heutigen Bergbauregionen weniger Umweltfolgen

    - wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir immense Mengen an Kupfer, Cobalt, Nickel, Mangan, diese können recht leicht aus der Tiefsee kommen, trotz der Belastung der Umwelt

    - weniger Abhängigkeit von Diktaturen wie China

    Bergbau hat immer Umweltfolgen, die heutigen in Südamerika und im Copperbelt vom südlichen Afrika sind schlimm. Es wird auch in der Nordsee Folgen haben, aber deswegen sind Umweltfolgenabschätzungen wie Sie die Norwegische Regierung vor hat sehr sinnvoll.

  • Warum nicht? Wenn dann konsequent den ganzen Planeten umwälzen. Nach Vergiftung, Verstrahlung und Erhitzung nun auch "ein bisschen umbuddeln". Die Vorteile von Tiefsee-Bergbau sind:



    # da leben als "komisch und gruselig" gelabelte Tiere. Tiere an sich haben kaum Lobby, solche noch weniger



    # sie ist kaum erforscht



    # es ist weit weg und ...



    # ... es ist tief unter Wasser -> mensch sieht es nicht



    Beste Voraussetzungen um Profite zu machen und ungesehen massiv Schaden anzurichten. Und die Gesellschaft freut sich über Wirtschaftswachstum und womöglich neue Wegwerfgadgets/Konsumgüter.



    /Sarkasmus

  • Hey es gibt noch einen Ort der von den Menschen praktisch unberuehrt ist ... lass uns den auch zerstoeren!"

    Jeder Bergbau in der Tiefsee wird dieser fuer eine fuer Menschen einfach unvorstellbar lange Zeit schaden.

    Das ist so als wuerde man den Kahlschlag des Regenwaldes als "nachhaltig" bezeichnen.

    Das einzige "nachhaltige" ist die Verwuestung, die wird auch viele Jahre nach dem endgueltigen Ende der Menschheit noch zu sehen sein.

  • Norwegens Erdöl- und Energieminister Terje Aasland: „Die Welt braucht Mineralien für die grüne Transformation, und die Regierung möchte erforschen, ob es möglich ist, auf dem norwegischen Festlandsockel auf nachhaltige Weise Mineralien vom Meeresboden zu gewinnen.“

    Wenn man so etwas liest, dann denkt man wirklich schon, dass man im Tollhaus ist. Man möchte den Planeten also retten, indem man ihn noch mehr zerstört. "Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode" [Shakespeare, Hamlet]

    Das Krebsgeschwür der Welt heißt Wirtschaftswachstum (das ungebremste Wachstum schädigt unsere Ressourcen) und die Auswirkungen sind Umweltzerstörungen und ein Klimawandel der immer mächtiger wird. Und das einige was Politikern dazu einfällt, ist den umwelt- und klimaschädlichen Irrsinn immer mehr voranzutreiben.

  • Die spinnen die ("sozialdemokratischen") Norweger.



    Und danke für die Bildunterschrift "Ein arktischer Tiefseebewohner ohne Aktiendepot und Stimmrecht"!

  • Wie jetzt, die Norweger als schwarzes Schaf der grünen Transformation? Das waren doch die Guten, so wie die Schweden mit ihrer sozialdemokratischen Volksversorgung. Verstehe einer die Nordeuropäer.