Teure Verkehrwende in Hamburg: Eine U-Bahn für über 16 Milliarden
Hamburgs Senat legt eine Kostenschätzung für die neue U5 vor und hofft, dass der Bund 75 Prozent trägt. Kritiker finden das Vorhaben so oder so zu teuer.
Es handele sich dabei um eine „langfristige Schätzung“, schränkten die drei ein. Derzeit lägen die Kosten noch bei 8,8 Milliarden Euro, auf die je nach Inflationsrate bis 2041 zwischen 5,3 und 7,7 Milliarden Euro oben drauf kämen.
Die zweite gute Botschaft aus Sicht der U-Bahn-Befürworter war, dass dieses Projekt laut einem Gutachten der Firma Interplan einen „Nutzen-Kosten-Faktor“ von 1,23 hat. Das heißt, jeder investierte Euro bringt einen Nutzen von 1,23 Euro. Und weil diese Zahl über dem Faktor 1 liegt, gilt der U-Bahn-Bau als „förderfähig“ durch den Bund, der theoretisch bis zu 75 Prozent bezahlt. Darauf, dass es diesen Faktor gibt, habe man sich mit dem Bundesverkehrsministerium „verständigt“, sagte Tjarks.
Den Förderantrag für die ersten 5,8 Kilometer von Bramfeld zur City-Nord hat Hamburg bereits gestellt. Noch im November rechnet der Senat mit einer Entscheidung des Bundes darüber. Und es sehe so aus, als würde der Bund 70 Prozent der 2,8 Milliarden Euro Kosten zahlen, die allein für dieses Teilstück mit fünf Stationen anfallen. Das würde dann Hamburgs Haushalt nur noch mit 900 Millionen Euro belasten. Und da der Finanzsenator schon seit 2018 dafür Geld auf einem „Sparbuch“ hortet, wäre die Sache im Grunde finanziert. „Wir müssen nicht an anderer Stelle kürzen, um uns die U-Bahn leisten zu können“, sagte Dressel.
Dieser „Nutzen-Kosten-Faktor“ komme zustande, weil Tausende Menschen durch die U5 schneller an ihre Ziele gelangten, erklärte die Hochbahn in einem „Faktenpapier“. Die ohne Fahrer betriebene U-Bahn ermögliche „minimale Wartezeiten“ und spare jährlich 17,5 Millionen Stunden Reisezeit. Monetarisiert entspräche das einem Nutzen von 115 Millionen Euro im Jahr. Der Rückgang des Autoverkehrs soll 9.400 Tonnen CO2 im Jahr sparen, was sechs Millionen Euro wert sei.
An dieser Nutzen-Betrachtung gibt es Zweifel, die die Nahverkehrsexperten Jens Ode und Dieter Doege 2022 mit einer Studie im Auftrag der Linksfraktion zu Papier brachten. Demnach führe die neue U5-Linie im ersten Abschnitt in Ost-West-Richtung an den Beförderungswünschen der Fahrgäste vorbei, weil sie wichtige Ziele der heutigen Buslinien in Nord-Süd-Richtung wie den S-Bahnhof Rübenkamp nicht anfährt. Zudem seien die mit 20 bis 35 Metern sehr tief gelegenen U-Bahnhöfe für die Fahrgäste umständlich zu erreichen. Und die im Vergleich zu Bus oder Straßenbahn etwa doppelt so großen Abstände dieser Haltestellen verursachten längeren Fußwege und wirkten sich ungünstig auf Fahrzeit und Fahrgastpotential aus.
Doege und Ode gehören zur Initiative „Pro Stadtbahn Hamburg“ und haben ihre Bedenken nun noch mal in vier „Kernthesen“ zusammengefasst und darauf verwiesen, dass der „Nutzen-Kosten-Faktor“ für diese ersten 5,8 Kilometer deutlich unter dem für die Bundesförderung nötigen Faktor 1 gelegen habe. Zudem zweifeln die beiden, dass der Bund einen so großen Anteil seines begrenzten Förderetats allein für Hamburg ausgibt.
Nach dem Faktor für diese Teilstrecke gefragt, sagte Hochbahn-Chef Henrik Falk vor der Presse, den habe man gar nicht erhoben, sondern nur einen Faktor für die ganzen 24 Kilometer. Die Option, dass der Bund, der nun für dieses erste Teil seine Finanzierung zusagen soll, es sich noch anders überlegt, schloss Tjark nahezu aus. Bei großen Bauprojekten sage man nicht heute Hü und morgen Hott: „Ich gehe davon aus, dass der Bund die erste Förderung bewilligen wird.“ Der Antrag für die nächsten zwei Stationen soll dann 2024 folgen.
Steuerzahlerbund ist nicht erfreut
Tschentscher führte noch mal aus, wie wichtig es sei, die Bahn unter die Erde zu legen, da man oben den Platz für anderes brauche. Indes sprechen die nun bekannt gewordenen Zahlen nicht gerade gegen die Alternative einer Straßenbahn. „Bei diesen Kosten wird mir schwindelig“, sagte die Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann und rechnete vor, dass ein Kilometer U5 nun bis zu 688 Millionen Euro koste, ein Kilometer der neuen Berliner Tram M10 dagegen nur 15 Millionen Euro.
„Einfach nur frech“, nannte Petra Ackmann vom Bund der Steuerzahler, dass die drei Amtsträger zwischen Geld der Stadt und des Bundes unterscheiden, sei doch beides Geld der Steuerzahler. „Um es klar zu sagen: Für uns ist die Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Projektes noch nicht gänzlich abgeschlossen.“ Der Senat wäre gut beraten gewesen, abzuwägen, „ob das Konzept der Stadtbahn nicht deutlich besser ist“.
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