Terroranschlag in Hanau: Trauer, Wut und #gegenhalten
Migrantenverbände äußern scharfe Kritik nach dem Terroranschlag von Hanau. Für den Abend sind in Berlin zwei Mahnwachen angekündigt.
Auch die Medien müssten achtgeben, nicht durch „unsensible Berichterstattung Opfer und ihre Familien zu entmenschlichen, indem nur von ‚Shisha-Morden‘ die Rede ist oder von ‚fremdenfeindlichen oder ausländerfeindlichen‘ Motiven.“ Die TGD stellt fest: „Diese Menschen waren Hanauer*innen.“ Über sie solle berichtet werden „mit Namen, Geschichten und Mitgefühl, wie im Fall von Walter Lübcke“.
Am Mittwochabend waren in Hanau zehn Menschen ermordet worden, weitere wurden schwer verletzt. Tatorte waren Shisha-Bars, laut Polizei haben viele der Opfer einen Migrationshintergrund. In einem Bekennerschreiben und -video, das der taz vorliegt, spricht der mutmaßliche Mörder Tobias R., der tot in seiner Wohnung gefunden wurde, unter anderem über „Ausländerkriminalität“ in Deutschland. Eine Ausweisung von Migranten könne „keine Lösung mehr sein, da die Existenz gewisser Volksgruppen an sich ein grundsätzlicher Fehler ist“. Es müssten daher mehrere „Völker komplett vernichtet werden“, erklärt der 43-Jährige.
Auch der Migrationsrat Berlin beklagt in einer Erklärung am Donnerstag „die permanente Verweigerungshaltung der Politik, sich aktiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu stellen“. Auch er kritisiert die Medien, die von “Schießerei“ statt einem Terroranschlag schrieben und „von einem ‚wirren‘ Bekennerschreiben statt einem rechtsextremen, hassvollen Bekennerschreiben“. Die Organisation fragt: „Gab es gar keine Lehren aus dem Terror des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds? Gibt es keine Lehren aus den andauernden Angriffen auf die Unterkünfte von Geflüchteten, auf Moscheen und Synagogen, auf Frauen, die als muslimisch ‚erkannt‘ werden, aus Hetzjagden und den Enthüllungen um neonazistische Netzwerke in Polizei- und Verfassungsschutzbehörden oder in der Bundeswehr?“
Geisel: „rechtsterroristischer Mord“
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) bezeichnete den Anschlag am Donnerstag als „mutmaßlich rassistisch-rechtsterroristischen Mord“. Der Täter habe „unglaubliches menschliches Leid über Hanau und das ganze Land gebracht“, so Geisel. Im Augenblick gebe es zwar keine Bezüge nach Berlin, er wisse aber, „dass die Menschen in unserer Stadt beunruhigt sind“, und werde daher „kurzfristig“ Vertreter*innen von Migrantenverbänden einladen, um über die aktuelle Sicherheitslage zu sprechen. Auch Geisel betonte: „In Hanau wurde keine Shisha-Bar angegriffen. In Hanau wurden Menschen getötet, die zu uns gehören.“
Empfohlener externer Inhalt
Eine Gruppe namens „Kein Generalverdacht“, die sich vor dem Hintergrund der massiven Polizeirazzien in Nordneukölln zur angeblichen Bekämpfung von „Clankriminalität“ gegründet hat, hat per Facebook für den heutigen Donnerstagabend 18 Uhr zu einer Gedenkveranstaltung am Hermannplatz aufgerufen.
Politiker von SPD, FDP und Grünen, darunter SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, Sawsan Chebli, Christian Lindner und Werner Graf rufen auf Twitter unter dem Hashtag #gegenhalten zur einer Kundgebung am Brandenburger Tor auf, ebenfalls um 18 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr