Terrorangst in Österreich: Salafist im Kindergarten
Unterwandern radikale Islamisten die muslimischen Kindergärten in Wien? Eine Studie soll das herausfinden – und befragt ganze fünf Einrichtungen.
I n der Ignazgasse in Wien-Meidling sieht man täglich vollbärtige Männer und voll verschleierte Frauen ihre Kleinen in den Kindergarten bringen. Der wird von einem privaten Trägerverein betrieben. Werden Vorschulkinder dort zu radikalen Islamisten erzogen, die eines Tages zur Gefahr für die Gesellschaft werden?
Diese Frage treibt nicht nur in Wien besorgte Bürger um, seit Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) Anfang Dezember einen von ihm in Auftrag gegebenen Projektbericht (hier beim Standard als pdf-Download) über muslimische Kindergärten öffentlich machte. Es handelt sich zwar nur um ein Zwischenergebnis eines „qualitativ-empirischen Forschungsprojekts“, doch die Aussage ist irritierend bis alarmierend.
Studienautor Ednan Aslan, Religionspädagoge an der Uni Wien, schätzt die Zahl der muslimischen Kindergärten der Stadt auf derzeit 150. Dazu kämen noch 450 islamische Kindergruppen, die von insgesamt 10.000 Kindern besucht würden. Dahinter stehen 127 Betreibervereine.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), die offizielle Vertretung der in Österreich lebenden Musliminnen und Muslime, betreibt keinen einzigen. Was so hohe Wellen schlug, ist die Behauptung, jeder fünfte Kindergarten sei als salafistisch einzustufen. Den Kindern werde dort eine Distanz zu Andersgläubigen vermittelt. Nur ein Viertel sei als „normal“ einzustufen, 55 Prozent zeigten Tendenzen, die Kinder durch Religion „von der Gesellschaft zu isolieren“.
Aufregung im Boulevard
Während in den Boulevardmedien die Wogen hoch gingen, wiegelte die zuständige Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) ab und verwies darauf, dass alle Kindergärten Wiens regelmäßig überprüft würden. Ungewohnt heftig reagierte der IGGiÖ-Vorsitzende Fuat Sanaç, der als Vertreter einer eher liberalen Ausrichtung im Islam gilt. Er warf dem Studienautor „Verhetzung“ vor und hält die gesonderte Betrachtung von Kindergärten einer bestimmten Religion für „undemokratisch und unmenschlich“.
Was die Aussage des Papiers erheblich relativiert, ist die geringe Anzahl der Befragten. Nur in fünf Kindergärten empfing man Aslan zu einem Gespräch. Weitere 24 konnte er nur anhand von Eigendarstellungen im Internet, Vereinsregister oder Informationsbroschüren analysieren. Die meisten angefragten Kindergärten hatten gar nicht reagiert oder dem Forscher den Zutritt verweigert.
Minister Kurz fand die Ergebnisse der Studie „besorgniserregend“ und sah sich bestätigt in seiner Forderung, „weg von der Politik des Wegschauens“. Die ÖVP sieht im Zuzug muslimischer Migranten und Flüchtlinge schon lange eine Gefahr für die christliche Mehrheitsgesellschaft. Und die Verteidigungsstrategie der Wiener SPÖ wirkte einigermaßen hilflos. Denn bei den Kontrollen geht es in der Regel um feuerpolizeiliche Auflagen und Hygienevorschriften. Ob die Kinder gezielt indoktriniert oder der Gesellschaft entfremdet werden, dürften die Inspektoren schwerlich überprüfen können.
Rudimentäre wissenschaftliche Basis
Integrationsexperte Kenan Güngör kritisiert zwar, dass die Debatte sich an einer rudimentären wissenschaftlichen Basis entzündete, bestätigt aber aus seiner langjährigen Praxis im Integrationsbereich, „dass bestimmte Moscheevereinigungen und Interessenorganisationen für ihre Kinder eine islamische Umgebung schaffen und dazu auch Kindergärten betreiben möchten“. Die salafistischen Träger der Kindergärten seien oft gar nicht auf den ersten Blick zu erkennen.
Er weiß von einer Handvoll Kindergärten, über die von besorgten Eltern Vorwürfe zu hören seien, die die Aussage der umstrittenen Studie bestätigten: „Grundsätzlich kann die Tendenz, Kindern eine Umgebung zu schaffen, wo sie wenig Diversität kennenlernen und sehr einseitig stark religiös sozialisiert werden, nicht Ziel der Pädagogik in einer diversitätsgeprägten Stadt sein.“
Die Bildungsbeauftragten der Stadt Wien und die Islamische Glaubensgemeinschaft werden auf Dauer wohl nicht umhinkönnen, den Vorwürfen nachzugehen. Im eigenen Interesse und vor allem in dem der Kinder.
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