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Terror in Konzerthalle in RusslandKommt die Tat Putin gelegen?

Der russische Präsident Putin gibt der Ukraine eine Mitschuld an dem Terroranschlag. In der Ukraine rechnet man mit heftigeren Angriffen.

Trauer in Russland um die Opfer des Attentats in der Crocus City Hall Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Kyijw taz/dpa | Dass der Terroranschlag in der Crocus Hall weitere Repressionen in Russland und eine Verhärtung im russisch-ukrainischen Krieg zur Folge haben wird, steht für die meisten Beobachter in der Ukraine außer Zweifel. Es spielt auch keine Rolle, ob islamistische Terroristen am Werk waren oder nicht. Mitunter ist auch Schadenfreude über den Tod von Russen zu spüren, die mehrheitlich den Krieg gegen die Ukraine unterstützen.

Wirklich traurig über den Terroranschlag ist der Charkower Journalist Pawlo Fedosenko nicht. „Es ist absolut scheißegal, ob wir das waren oder nicht (und ich bin mir sicher, dass wir es nicht waren.)“, schreibt er unmittelbar nach Bekanntwerden des Terrors auf seinem Telegram-Kanal. „Aber die Nachricht, dass 40 Russen verreckt sind, kann doch keine schlechte sein. Dafür hat es sich gelohnt, mal ohne Strom sein zu müssen.“

Fedosenko ist sich sicher, dass das Massaker der russischen Führung sehr gelegen kommt. „Halten wir doch mal fest“, schreibt er am 23. März, einen Tag nach dem Anschlag: „Terroristen sind ins Crocus gekommen, um zu töten. Und sie töten seit Langem. Das ganze Land weiß das, und sie sind immer noch dort. Buchstäblich in real time kann man das beobachten, kann sehen, wie sie das Gebäude in Brand setzen. Und dann verlassen sie seelenruhig das Haus, setzen sich in einen Wagen. Das Kennzeichen des Autos ist bekannt. Sie haben es nicht ausgewechselt. Dann verlassen sie in aller Ruhe das Gebiet Moskau, das mit Überwachungskameras nur so bespickt ist. Fahren 400 Kilometer in einem Auto, das alle russischen Geheimdienste suchen. Und erst unweit der Grenze zur Ukraine werden sie verhaftet.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies die Versuche Putins, mit unbelegten Schuldzuweisungen der Ukraine eine Mitverantwortung für den Anschlag zuzuschieben, kategorisch zurück. „Nach dem, was in Moskau passiert ist, versuchen Putin und die anderen Bastarde natürlich nur, jemand anderem die Schuld in die Schuhe zu schieben“, sagte Selenskyj am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache.

Selenskyj weist Mitschuld der Ukraine zurück

Die russische Seite habe immer die gleichen Methoden. „Und immer schieben sie die Schuld auf andere.“ Nach den Ereignissen in der Konzerthalle habe „dieser absolute Niemand Putin“ einen Tag lang geschwiegen, anstatt sich um seine russischen Bürger zu kümmern. Vielmehr habe Putin darüber nachgedacht, „wie er das in die Ukraine bringen kann“.

Selenskyj warf Russland vor, selbst Terror zu verbreiten. Russen kämen in die Ukraine, um Städte niederzubrennen, „und versuchen, die Schuld auf die Ukraine zu schieben“. Sie folterten und vergewaltigten Menschen – und gäben den Opfern die Schuld. „Sie haben Hunderttausende ihrer eigenen Terroristen hierhergebracht, auf ukrainischen Boden, um gegen uns zu kämpfen, und es kümmert sie nicht, was in ihrem Land geschieht.“

Der auf Militärfragen spezialisierte Blogger Olexi Petrow wundert sich auf seiner Facebook-Seite über die Untätigkeit von Polizei und Sicherheitskräften in einem Staat, der sehr viele Sicherheitsleute hat. „Wo sind eigentlich die Streifenpolizisten geblieben, die mit den Terroristen hätten kämpfen müssen. Oder zumindest diese hätten ablenken müssen, um so die Flucht von Zivilisten zu ermöglichen.“ Es sei schon sehr merkwürdig, so Petrow, dass vor einem Konzert mit Tausenden von Besuchern und nach einer Warnung von Verbündeten lediglich mit Schlagstöcken bewaffnetes Wachpersonal an den Türen gestanden habe.

Dem in Spanien lebenden ukrainischen Olexandr Ruschanski fällt es schwer, für die russischen Opfer Mitgefühl zu empfinden. Ukrainische Städte seien in diesem Krieg dem Erdboden gleichgemacht worden, Zigtausende seien umgekommen. „Und was schließen die daraus? Ihnen gefällt das.“

Wenig Mitgefühl für die Opfer in Russland

Putin könne nicht einen einzigen Beweis anführen für die Schuld der Ukraine am Anschlag. Der Umstand, dass man sich im Kreml entschieden hatte, diese Warnungen in den Wind zu schlagen, könne doch nur bedeuten, dass der Kreml entweder selbst an diesem Terroranschlag beteiligt ist, oder er sich zumindest entschieden hat, einen geplanten Anschlag nicht zu vereiteln, so der Kolumnist Vitali Portnikow auf Youtube. „Weil man die Ukraine in diese Sache reinziehen wollte.“

Der Anschlag habe auch gezeigt, so Portnikow, dass Putin nicht in der Lage sei, die Sicherheit seiner Landsleute zu gewährleisten. Und bei seinen Gesprächen mit dem Sicherheitsrat, mutmaßt Portnikow, werde es weniger darum gehen, wie sich in Zukunft derartige Terroranschläge verhindern ließen, als vielmehr darum, wie man diesen Anschlag nutzen könne, um aus einem autoritären Regime einen totalitären Staat zu machen. Russland werde wohl in der Folge verstärkt Repressionen erleben. Sicherlich sei es kein Zufall, dass Putin ausgerechnet beim FSB ganz im Stile von Stalin von Verrätern gesprochen hatte, die es zu vernichten gelte.

Portnikow erinnert an die Ermordung des Leningrader Parteichefs Sergej Kirow, die Stalin genutzt hatte, um das Land mit einer bisher ungekannten Säuberungswelle zu überziehen und das autoritäre Land in einen totalitären Staat zu überführen. Durchaus möglich, so Portnikow, dass sich auch Putin dieses Instrumentariums bedienen werde. „Und das heißt, das Schlimmste steht den Menschen in Russland noch bevor.“ Offensichtlich wolle jemand mit dem Terroranschlag, der ganz im Stil (des tschetschenischen Terroristen Schamil) Bassajew gewesen sei, Friedensgespräche torpedieren, vermutet der in Odessa lebende Blogger Wjatscheslaw Asarow, auf seinem Telegram-Kanal.

„Man musste einen Schock verursachen, damit nicht einmal mehr Gedanken an einen Waffenstillstand in den Sinn kommen, man nur noch einen totalen Vernichtungskrieg im Sinn hat.“ Eine Folge könnte sein, dass nun westliche Partner direkt in den Krieg eintreten oder zumindest ihre militärische Hilfe weiter aufstocken werden. Jetzt sei ein Friede, der nur im Rahmen einer globalen Regelung geschlossen werden könne, in weite Ferne gerückt, so Asarow.

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11 Kommentare

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  • Cui bono?



    Für die Ukraine wäre es extrem unnütz, einen solchen Anschlag auch nur zu denken. Für Terroristen ist ein Anschlag in Moskau oder Washington (oder New York) die Königsdisziplin, damit können sie noch jahrzehntelang angeben.



    Für Putin eine Steilvorlage für jedwede Propaganda bis hin zur "Notwehr" durch Atomschläge gegen die Ukraine.

  • ob putin die tat gelegen kommt ... ?

    nein.

    eher handelt es sich um unvorhergesehenes, von dem schon clausewitz spricht. und eben dieses unvorhergesehene auch kriege entscheiden kann.

    soll bedeuten, daß sich die russen zunehmend kritischer gegenüber den regierenden einstellen werden.

  • "Es ist absolut scheißegal, ob wir das waren oder nicht"

    Dieser Kommentar zeigt gut wie ein Krieg für eine Verrohung der Gesellschaft auf beiden Seiten sorgt. Unter emotionalen Aspekten sehr verständlich, aus sachlicher Sicht besorgniserregend.

    • @Alexander Schulz:

      Das ist so richtig ein typischer Satz vom bequemen Sofa aus. - Hallo, wie lange ist die Ukraine unter russischem Beschuss? Das Land ist jetzt bereits zu einem guten Teil verwüstet und Sie machen moralisch korrekte Bemerkungen. Etwa damit Sie sich besser fühlen?

      • @Christian Lange:

        Fühlen Sie sich besser, wenn Sie eine Annäherung an russische "Werte" verteidigen? Gerade in Kriegszeiten ist es besonders wichtig nicht in Verrohung zu verfallen.

    • @Alexander Schulz:

      Viel übler als besorgniserregend ist die gefährliche Entwicklung Russlands unter Putin zu einem großen Terrorstaat und die AfD hofiert diesen Terrorstaat.

      • @Tino Winkler:

        Russland ist schon länger eine Diktatur - das ist eine abgeschlossene Entwicklung.



        Und das die AFD Putin hofiert ist schlimm. Jedoch scheint es hier ja mit der BSW inzwischen eine Partei zu geben, die die AFD langsam schwächt.

  • Eine false-flag-Aktion ist ziemlich wahrscheinlich. Putin ist alles zuzutrauen. Es wäre nicht das erste mal dass man den FSB berechtigterweise in Verdacht haben kann. Und Ablauf und Gestaltung, soweit man darüber was weiß, sprechen auch dafür.

  • Was mich bei so etwas verstört ist die Verhärtung, die auch hierzulande zu sehen ist.

    Das "Es ist absolut scheißegal, ob wir das waren oder nicht [...] Aber die Nachricht, dass 40 Russen verreckt sind, kann doch keine schlechte sein" aus dem Munde eines Ukrainers, der mitten im Gefcht steht ist nicht schön, aber verständlich. Aber aus dem relativ sicheren Luxus eines Wohnzimmers ein paar Tausend Kilometer weit weg?

  • Das 'Problem Kaukasus' kommt sicher nicht "gelegen".



    /



    www.bpb.de/themen/...l-im-nordkaukasus/



    /



    Das Wort 'Pulverfass' ist nach Basajew noch in finsterster Erinnerung.



    taz.de/!405944/

  • Was für eine Frage, Putin ist Autokrat, was nicht passt wird passend gemacht. Wenn es was ist, was er nicht selbst kontrolliert oder inszeniert, dann wird das trotzdem so dargestellt, dass es jemand war, der zum Feindbild gehört und es werden im Zweifel irgendwelche Personen verhaftet und wenn sie Glück haben in Schauprozessen verurteilt. Im unglücklichen Fall werden die bei der Festnahme oder auf der Flucht erschossen.



    Seit Hitler und Stalin wissen wir ja ziemlich genau, wie man sowas inszeniert.



    Das ändert jetzt auch nichts an der Tragik für die russische Bevölkerung, außer das Putin daraus neuen Hass generieren wird.