Termin für die Europawahl im Jahr 2024: Dunkle Schatten über der EU-Wahl

Vom 6. bis 9. Juni 2024 findet die Europawahl statt, die EU hat ihre Reformen nicht umgesetzt. Auch die Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen-Frage bleibt offen.

Ein Terrier mit Leibchen aus einer Europaflagge

Ein Europa-Fan in freier Wildbahn Foto: Stefan Boness

Brüssel taz | Die 27 EU-Staaten haben sich auf einen Termin für die nächste Europawahl geeinigt: vom 6. bis 9. Juni 2024. Doch knapp ein Jahr davor ist immer noch offen, ob es wie 2019 erneut Spitzenkandidaten geben wird. Die chancenreichste Politikerin, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU), zögert – sie hat Probleme mit ihren konservativen Parteifreunden.

Von der Leyen wechselte vor vier Jahren von Berlin nach Brüssel, obwohl sie bei der Europawahl nicht angetreten war. Ausgesucht wurde sie nicht von den Wähler*innen, sondern vom französischen Staatschef Emmanuel Macron. Der Grund: Der Wahlsieger, die konservative Europäische Volkspartei EVP, konnte keine Mehrheit auf ihren Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) vereinen.

Weber wurde übergangen, das Europaparlament musste schweren Herzens von der Leyen bestätigen. Dieses Debakel dürfe sich nicht wiederholen, erklärten Europapolitiker aller Couleur 2019. Weitreichende Reformen sollten die Europäische Union (EU) demokratischer und transparenter machen. Tatsächlich hat eine Reformkonferenz gute Vorschläge vorgelegt. Doch umgesetzt wurde kaum etwas.

Wenn Spitzenkandidat*innen, auch für die EU-Kommission

„Der schwedische EU-Vorsitz vergibt die Chance auf die Stärkung der europäischen Demokratie“, warnt der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. Auch die stellvertretende Parlamentspräsidentin, Katarina Barley (SPD), schlägt im Focus Alarm: „Wir werden nicht erneut mit Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen in den Wahlkampf gehen, wenn wir unseren Wählern nicht fest zusagen können, dass nachher einer auch die Führung der EU-Kommission übernimmt.“

Bisher hat noch keine Partei einen oder eine Spitzenkandidatin nominiert. Bei den Sozialdemokraten wollen sich weder Barley noch Sanna Marin, die beliebte finnische Noch-Premierministerin, aus der Deckung wagen. Auch EU-Klimakommissar Frans Timmermans, der letzte Spitzenkandidat der Genossen, hält sich bedeckt. Selbst die Favoritin, Kommissionschefin von der Leyen, schweigt.

Die CDU-Politikerin kann zwar auf Rückendeckung durch die Berliner Ampelkoalition zählen. Doch ausgerechnet die eigenen Parteifreunde schießen quer. Erst versuchte EVP-Chef Weber, eine Alternative zu von der Leyen aufzubauen – Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sei auch qualifiziert. Dann stellte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt das Spitzenkandidaten-Prinzip infrage.

Der umstrittene Klima-“Green Deal“ und die Korruption

Nun kommt auch ein Streit über die Klimapolitik und den angeblich industriefeindlichen Kurs der EU-Kommission hinzu. Der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) fordert von der Leyen zur „reglementarischen Pause“ auf und beruft sich ausgerechnet auf Macron, der jetzt auch eine Auszeit beim „Green Deal“ fordert.

Überschattet wird der beginnende Europawahlkampf zudem vom Krieg in der Ukraine. Von der Leyen hat eine Verhandlungslösung bis auf Weiteres ausgeschlossen, auch das Europaparlament ist nicht zu Kompromissen bereit. Wie Eu­ro­pa­po­li­ti­ke­r*in­nen um Stimmen werben werden, wenn im Osten Europas ein blutiger Krieg tobt, weiß in Brüssel derzeit niemand.

Offen ist auch, wie die Wahl­kämp­fe­r*in­nen mit den Affären und Skandalen umgehen wollen, die wie ein Damoklesschwert über der EU schweben. Seit 2021 schwelt die sogenannte Pfizer-Affäre, bei der es um einen milliardenschweren Impfstoff-Deal mit dem US-Pharmakonzern Pfizer geht. Seit Ende 2022 kommt auch noch das „Katargate“, also die Korruptionsaffäre im Europaparlament, hinzu.

Beide Skandale beschäftigen die Justiz; ein Ende ist nicht absehbar. Wenn es zu neuen Enthüllungen, Klagen oder gar rechtskräftigen Urteilen kommen sollte, könnte dies den Wahlkampf dominieren. Vor allem das „Katargate“ ist eine Zeitbombe. Als der Skandal um Bestechungsgelder ans Tageslicht kam, versprach Parlamentspräsidentin Metsola umfassende Reformen.

Doch auch die kommen kaum voran. Von den angekündigten 14 Reformen sei bisher nur eine einzige umgesetzt worden, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Freund. Selbst diese – eine „Abkühlphase“ für Abgeordnete, die nach ihrem Ausscheiden als Lobbyisten arbeiten wollen – falle unzureichend aus.

Die EU hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht, nun liegen dunkle Schatten über der Europawahl. Metsola hofft trotzdem auf eine rege Wahlbeteiligung. „Gehen Sie wählen, lassen Sie nicht zu, dass jemand anderes für Sie entscheidet.“ Es klang wie eine Mahnung, dass sich das Wahldebakel von 2019 nicht wiederholen darf.

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