Tempelhofer Feld: Versteckte Investoren
Mit einem Trojanischen Pferd demonstriert „100% Tempelhofer Feld“ gegen Pläne des Senats. Sie vermuten, dieser schiebe Flüchtlinge vor, um Baurecht zu schaffen.
Berlin taz | Ein drei Meter großes Holzpferd mit rotem Irokesenschnitt steht am Dienstagmorgen vor dem Roten Rathaus. Gezogen wird es von einer Gruppe mit Masken der Regierenden von CDU und SPD, die sich große Geldscheine in die Tasche stopfen. Etwa 70 Menschen haben sich dem Protest angeschlossen; eine Gruppe Trommler:innen untermalt dramatisch die Szenerie.
Die Figur, angelehnt an das Trojanische Pferd aus der griechischen Mythologie, soll laut der Initiative „100% Tempelhofer Feld“ dafür stehen, wie der Senat mit einem „harmlos anmutenden Gesetzentwurf“ tatsächlich ein anderes Ziel verfolgt. Im Inneren des Pferdes versteckt sich demnach das Ziel einer Rückeroberung des Feldes, also dessen Bebauung und möglicher Verkauf.
Seit Wochen wird im schwarz-roten Senat über die Änderung des „Gesetzes zum Erhalt des Tempelhofer Feldes“ diskutiert; zwei Mal ist eine Verabschiedung verschoben worden. „Die Gespräche dauern an“, heißt es am Dienstag aus der Sozialverwaltung von Cansel Kiziltepe (SPD).
Formuliertes Ziel ist es, die Unterbringung von Geflüchteten in Containern vor dem Flughafengebäude dauerhaft zu gewährleisten und auch noch auf weitere Flächen östlich und südlich des Gebäudes auszudehnen. Argumentiert wird mit der rechtlich unsicheren Situation der seit 2017 existierenden Tempohomes, die angesichts des gültigen, eine Bebauung ausschließenden Gesetzes nur geduldet sind.
Keine Notwendigkeit
Initiativensprecher Michael Schneidewind bestreitet im Gespräch mit der taz die Notwendigkeit: „Die Container können da bis 2030 stehen“, eine Gesetzesänderung sei nicht notwendig. Der Regierung gehe es stattdessen darum, „Baurecht zu schaffen“, um einer Randbebauung des Feldes infolge eines städtebaulichen Wettbewerbs und einer möglichen erneuten Befragung der Berliner:innen näher zu kommen.
Mit der Gesetzesänderung stünde das Pferd mitten auf dem Feld, schreibt die Initiative: „Herausklettern werden die stadtbekannten Investoren, Baufirmen, Notare und sonstige Profiteure der Verwertungskette.“
Das ausgegebene Ziel, im Sinne der Flüchtlinge zu handeln, hält die Grünen-Abgeordnete Antje Kapek für einen „cleveren Move“ der Regierung, der gleichwohl nicht aufgehen dürfe: „Geflüchtete dürfen kein Feigenblatt sein, kein Einstiegstor für eine Randbebauung“, so Kapek im Gespräch mit der taz.
Leser*innenkommentare
tomás zerolo
@SURYO, @TONI ZWEIG
Veränderung, immer. Aber nur wenn es Ihnen passt?
Ich würde das eintauschen: gegen die Abschaffung der Share Deals.
Und, oh. Wo bleiben die Enteignungen, eigentlich?
Veränderung!1!!
Topp?
Suryo
@tomás zerolo Nichts dagegen.
Suryo
Ich denke beim Widerstand gegen eine Randbebauung des Feldes immer an die Gegner von Neubauten in der Nähe des Mauerparks. Diese, so wurde damals behauptet, würden den Park dominieren und ihm die Frischluftzufuhr abschneiden.
Heute nimmt man diese Gebäude überhaupt nicht wahr und wenn einem im Mauerpark etwas die Luft zum Atmen nimmt, dann so wie schon immer die Rauchschwaden der ganzen Grills.
Lord Jim
GUTE AKTION - weiter so!
Suryo
Konservatismus reinsten Wassers. Alles in der Stadt möge bitte exakt so bleiben, wie man es beim Hinzug vorgefunden hat.
Toni Zweig
Bei den Demonstrierenden ist wohl noch nicht angekommen, dass wir in multiplen Veränderungszeiten leben, die daran angepasste politische Maßnahmen dringend erfordern!
Heute würde wohl eine Abstimmung übers Tempelhofer Feld zu einem etwas anderen Ergebnis kommen als damals - insofern scheinen mir die Demonstrierenden die eigentlich Konservativen zu sein, die mit aller Macht an etwas festhalten wollen, das so romantisch nicht mehr sein kann.
Hauke
@Toni Zweig "Heute würde wohl eine Abstimmung übers Tempelhofer Feld zu einem etwas anderen Ergebnis kommen als damals"
Warum dann die Änderungen durch die Hintertür? Warum nicht mit offenem Visier, wo doch jeder weiss dass nur noch Ewiggestrige gegen die Bebauung sind? Die Art wie man hier eine basisdemokratische Entscheidung aushöhlt stört Sie so gar nicht?
Suryo
@Hauke Was stört Sie am ganz normalen verfassungsmäßigen Gesetzgebungsverfahren?
So,so
Man denkt, dass wer am Boden liegt nicht umfallen könne.
Da hat man sich aber in der Umfallerpartei spd mal wieder geirrt.
Eine Partei, die dem politischen Gegner die deutsche Hauptstadt kampflos überlässt hat ihre Existenzberechtigung vollständig verloren.
Es geht den 'Regierungsbeteiligten' der spd nur noch um ihre Pensionsansprüche.
Gemeinwohl?
Fehlanzeige.
655170 (Profil gelöscht)
Gast
@So,so Ja, die SPD wird nach und nach zur neuen FDP:
Radikal-kapitalistisch orientiert, nur noch die Pfründe des politischen Personals im Blick, irgendwann am Rande des politischen Existenz-Minimums (5%).
Das hat sie sich "redlich" erarbeitet - da driftet sie hin - da gehört sie inzwischen auch hin.