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Technocracy-BewegungRente mit 40 und Grundeinkommen

Die Technocracy-Bewegung plante eine nach den Prinzipien von Wissenschaft und Technik organisierte Welt. Eine ihrer Leitfiguren war Musks Großvater.

Elon Musk will ganz im Sinne seines Großvaters die „marsianische Technokratie aufbauen“ Foto: Paul Hennessy/Zuna Press/imago

Mit Internettechnologien gesellschaftliche Probleme lösen: Der Glaube daran ist im Silicon Valley heute allgegenwärtig. Doch der Grundstein für diesen „Solutionismus“ ist älter als das Internet selbst und maßgeblich geprägt von der Technocracy-Bewegung. Heute ist sie weitgehend vergessen. Ihr Archiv wurde gerade geschlossen, die meisten Mitglieder sind mittlerweile verstorben oder hoch betagt.

Entstanden ist die Bewegung in den USA nach dem Ersten Weltkrieg. Sie orientierte sich trotz ihres Antikommunismus durchaus an der frisch gegründeten Sowjetunion. Aus der sich gerade entwickelnden Arbeitswissenschaft entlieh sie sich Ideen zur Steigerung der Effizienz, die sie mit planwirtschaftlichen Ansätzen im Stil der frühen UdSSR kombinieren wollte. Der Ingenieur Howard Scott, einer der Köpfe der Bewegung, glaubte an einen technischen Fortschritt, der die menschliche Arbeit bald weitgehend überflüssig machen würde.

In der idealen Gesellschaft sollte man nur 16 Stunden pro Woche arbeiten müssen und mit 40 in Rente gehen. Alle sollten von einem einheitlichen Grundeinkommen leben. Geld sollte durch Energiezertifikate ersetzt werden, die an die Kryptowährungen von heute erinnern. So sollte auch dem Raubau an Rohstoffen begegnet werden, den Scott schon zu dieser Zeit als Problem erkannt hatte. Mit solchen Ideen konnte Scott nach der Großen Depression eine beträchtliche Zahl von Anhängern mobilisieren. Allein in Kalifornien soll die Bewegung in den 30er-Jahren eine halbe Million Mitglieder gehabt haben.

Den Mars besiedeln

Ein anderer Wortführer der Bewegung war Joshua Haldeman, ein Chiropraktiker, der im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs verhaftet wurde, weil Technocracy Inc. von der kanadischen Regierung als eine Organisation eingestuft worden war, die den „war effort“ torpedierte. 1971 brachte seine Tochter Maeve seinen ersten Enkel zu Welt. Sein Name: Elon Musk. 

Musk, der mit selbstfahrenden und angeblich energiesparenden Autos auf seine Weise die Ideen der Technocracy-Bewegung fortführt, treibt auch die Frage um, was die Menschen tun werden, wenn Maschinen ihnen die Arbeit abnehmen. In einer Rede von 2017 fragte er: „Viele Menschen leiten ihren Lebenssinn aus ihrer Arbeit ab. Wenn es also keinen Bedarf für deine Arbeit gibt, was ist dann dein Sinn?“

Mit seinem Weltraumunternehmen SpaceX will er nach eigener Aussage die Entwicklung von Raumschiffen beschleunigen, um die „marsianische Technokratie aufzubauen“. „Wenn die Menschheit zu meinen Lebzeiten nicht auf dem Mars landet, werde ich sehr enttäuscht sein“, sagte er einmal. Momentan versorgt SpaceX immerhin schon die internationale Raumstation.

Die größte Operation der Technocracy-Bewegung wurde dagegen auf der Straße umgesetzt. 1947 rollte in der „Operation Columbia“ ein Autokorso mit Hunderten von Teilnehmern von Los Angeles nach Vancouver und wieder zurück. Es war nach Angaben der Organisatoren „die größte Massendemonstration, die jemals eine internationale Grenze überschritten hat“. Unterwegs fanden immer wieder Kundgebungen statt, bei der die Zuschauer von den politischen Zielen der Bewegung überzeugt werden sollten: dass es nämlich keine Politik mehr brauche, sondern dass die Welt ausschließlich nach den Prinzipien von Wissenschaft und Technik zu organisieren sei. Die Autos, die Kleidung der Teilnehmer und ihre Ausrüstung waren in einem stumpfen Wehrmachtsgrau gehalten, aber bemalt mit knallroten Slogans und einem abgeleiteten Yin- und Yang-Symbol. Das Grau der Bewegung war auch Ausdruck des strikten Rationalismus, dem sich Technocracy Inc. verpflichtet sah.

Weder religiöse Überzeugungen noch politische Philosophien

Geblieben ist von der „Operation Columbia“ ein Film, in dem ein Erzähler mit donnernder Stimme im Stil von Weltkriegs-„Wochenschauen“ die Stationen der Reise beschreibt und der bei Youtube gegenwärtig weniger als 3.000 Aufrufe hat.

Die Aufnahmen von „Operation Columbia“ erinnern zunächst an einen faschistischen Aufmarsch und in der Tat war die Gruppe während des Zweiten Weltkriegs in Kanada verboten, weil man ihr Sympathien für die deutschen Nationalsozialisten unterstellte. Dabei betonten die Weltretter von Technocracy stets: „Unsere Einstellung hat nichts mit allen Theorien des Sozialismus, Faschismus oder Kommunismus oder der sogenannten politischen Parteienregierung zu tun und steht im Widerspruch dazu.“

Technokratie war für die Anhänger dieser merkwürdigen Reformbewegung nicht Dystopie, sondern Utopie: „Technocracy Inc. ist ein völlig neues Modell, um die Welt auf der Grundlage moderner Technologie zu betreiben“, heißt es noch heute auf der Website der exzentrischen Bewegung – von der wenig mehr als eben diese Website geblieben ist. „Es geht nicht um religiöse Überzeugungen oder politische Philosophien, sondern um den maximalen Nutzen, der durch die Anwendung der Wissenschaft auf die physischen Ressourcen des Kontinents bei maximaler Schonung erreicht werden kann.“

Zumindest rhetorisch wirken die Positionen dieser Bewegung in der heutigen Gegenwart, in der scheinbar uneingeschränkt herrschende Tech-Unternehmen das Kommando übernommen haben, erstaunlich zeitgenössisch.

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7 Kommentare

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  • An Schwachsinn grenzende Technikgläubigkeit, gepaart mit einer gehörigen Portion Faulheit!



    Warum nicht? Man kann es ja mal versuchen.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Ein erhellender Text!

    Wenn man die persönlich gefärbten Kommentare betrachtet, erscheint es wie zu oft das größte Problem (das dem klaren Denken immer wieder im Wege steht) zu sein, sich an mehr oder weniger bekannten Personen abzuarbeiten.

    Kreischende, höhere Primaten, die mit Stöckchen aufeinander einschlagen.

    Inhalte vermeiden.

  • Irgendwie hat er ja schon 'ne Meise.

  • Allerdins sind weder Musk noch andere Big Tech-Milliardäre bislang durch besonderes Engagement für 16h-Woche und Grundeinkommen aufgefallen, sondern eher durch "Extreme Hardcore"-Ultimaten und Hire-and-Fire-Mentalität.

    • @Ingo Bernable:

      Elon Musk hat sich schon mehrfach für ein Grundeinkommen ausgesprochen. Wie ernst er das meint, weiss ich allerdings nicht.



      Ich finde den Artikel hier etwas unklar, darin heisst es: "In der idealen Gesellschaft sollte man nur 16 Stunden pro Woche arbeiten müssen und mit 40 in Rente gehen. Alle sollten von einem einheitlichen Grundeinkommen leben."



      Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen MUSS eigentlich niemand mehr arbeiten, auch nicht 16 Stunden in der Woche. Andererseits würde ich sagen, dass es wohl jeder/m freigestellt sein wollte, wieviel er/sie arbeitet, bezahlt oder unbezahlt, also auch mehr als 16 Std./Woche.



      Und ob es ein gesetzliches Rentenalter geben muss, ist auch dahin gestellt, ich halte es da mit Ina Praetorius: twitter.com/InaPra...554372799325667329



      Außerdem kommt Erwerbseinkommen oben drauf aufs BGE, es leben also nicht alle nur vom Grundeinkommen...

      • @Eric Manneschmidt:

        Sie haben tatsächlich Recht, mit Blick darauf wie er mit seinen Angestellten umspringt scheint dieses Ideal allerdings in der Praxis nicht allzuweit zu tragen.

    • @Ingo Bernable:

      Wohl wahr: wäre schön, wenn für den Anfang wenigstens die 38,5 Stundenwoche, 30 Tage bezahlter Urlaub, Tariflohn und frei gewählte Betriebsräte auf deren Agenda stünden.