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Tarifvertrag für Pflegende scheitertVon wegen Nächstenliebe

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Der Caritasverband lehnt einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Pflege ab. Damit hilft er, das Image der katholischen Kirche zu zerstören.

Schon lange fordern Pflegekräfte bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne Foto: Christian Mang

E s ist ein weiterer Schlag für das Image der katholischen Kirche, die schon als heimeliger Hort von Missbrauchern und als knallharte Blockiererin einer humanen Sterbehilfe dasteht, um nur einiges an selbstverursachter Rufschädigung zu nennen. Jetzt verhindert die katholische Caritas auch noch die Einführung eines allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrags für die Pflege.

Das ist Egoismus pur, denn nur 170.000 Beschäftigte in der Altenpflege arbeiten für Caritas-Einrichtungen, in der gesamten Branche sind aber 1,2 Millionen Menschen, vor allem Frauen, tätig. Ihnen, von denen viele in privaten Heimen ohne jeden Tarifvertrag alte Menschen pflegen, wird durch die Verweigerung der Caritas eine bessere Entlohnung verwehrt.

Die Blockade ist ein schlechter Witz, denn die Caritas-Einrichtungen selbst zahlen ihren Pflegekräften vergleichsweise gute Löhne. Warum also diese Verweigerung? Es ist die Arbeitgeberseite in der arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas, die sich einem allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag verschließt, den Verdi und der Arbeitgeberverband BVAP ausgehandelt hatten.

Die Zustimmungen von Caritas und Diakonie sind erforderlich, um die Allgemeinverbindlichkeit in der gesamten Branche festzulegen. Von der Arbeitgeberseite der Caritas heißt es, man sehe durch eine Zustimmung den sogenannten Dritten Weg der Kirchen in Gefahr: Die Kirchen vereinbaren ihre Löhne in eigenen Kommissionen, es gibt kein Streikrecht.

Alter, selbstgerechter Sound

Mit einem allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag könnte die Caritas nach wie vor ihre eigenen Löhne festlegen, nur niedriger als der Branchentarifvertrag dürften sie dann eben nicht mehr sein. Die Einstiegstarife für Hilfskräfte etwa, die im Verdi-Vertrag relativ hoch sind, könnten die Caritas-Tarife für AlltagsbegleiterInnen künftig unter Druck setzen. Probleme in der Lohnfindung von einigen tausend Caritas-Hilfskräften dürfen aber kein Grund sein, ein allgemeinverbindliches Regelwerk für über eine Million Beschäftigte zu torpedieren.

Aus der Argumentation spricht wieder dieser alte, selbstgerechte Sound, diese Hermetik der katholischen Kirche, die zwar ein Mitspracherecht in gesellschaftlichen Fragen fordert, sich selbst aber nicht schert um die Gesellschaft drumherum.

Spannend dürfte die Entscheidung der evangelischen Diakonie sein, die am Freitag kommen sollte. Das Ergebnis war bis Redaktionsschluss noch ­offen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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10 Kommentare

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  • Was, außer unverdienten Privilegien und Rechten, ist denn bei der Kirche anders, als bei anderen Großkonzernen?

    Die gleiche Profitgier, Steuervermeidungstaktik, Asozialität und Ignoranz ihren Angestellten gegenüber. Längst kassiert die Kirche mehr Gewinne aus ihren Immobilien als jeder andere in Deutschland.

    Ich will da mal eine ganz provokante Frage aufwerfen:



    Braucht die Kirche überhaupt noch Gläubige? Der Laden läuft doch auch so wie geschmiert. Das würde die Gleichgültigkeit und Arroganz erklären, mit denen die Übriggebliebenen behandelt werden.

  • Als langjähriger Mitarbeiter der Caritas und ebenfalls langjähriger Abonnent der taz finde ich diesen Kommentar nur ärgerlich. Warum sucht man nicht nach den Gründen für die Entscheidung der Caritas und vermischt hier wieder mal alles mit allem, um dann Kirchenbashing betreiben zu können. Wer sich ernsthaft informieren will, der kann die Argumente der Caritas hier finden:



    - www.caritas.de/fue...einen-einheitstari



    -www.caritas.de/fue...der-caritas-wichti



    - www.caritas.de/fue...r-altenpflege-komm

    Die Gutwilligen können auf dieser Basis eine vernünftige Diskussion führen. Die anderen sind an Wahrheit eh nicht interessiert.

    • @KommentarausdemSüden:

      "Die Gutwilligen können auf dieser Basis eine vernünftige Diskussion führen. Die anderen sind an Wahrheit eh nicht interessiert." (KommentarausdemSüden)



      Aha - So sehen Sie das also: Die Gutwilligen unterstützen die Position der Arbeitgeberseite und die Kritiker sind einfach nicht an der Wahrheit interessiert.



      Das Gegenteil ist der Fall, mein Lieber, das Gegenteil!



      Um nämlich der ganzen Wahrheit die Ehre zu geben: Zu den Kritikern gehören halt auch die Vertreter der Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas und die sehen das Problem völlig anders als Sie:



      www.akmas.de/aktue...altenpflege/?L=862



      Und diese Kritik wird sogar noch von Teilen des Arbeitgeberlagers geteilt, wie die Stellungnahme der Stellvertretenden Diözesan-Caritasdirektorin von Hildesheim belegt:



      www.caritas-dicvhi...n-tarifvertrages-d



      Nein, mit Ihrer simplen Aufteilung in Gut-und Böswillige wird man der Wahrheit nicht gerecht - und eine Diskussion erübrigt sich auf so einer Basis sowieso komplett.

  • "Die Löhne der Caritas liegen in der Regel sogar über denen, die im Verdi-Branchentarifvertrag ausgehandelt wurden." (Barbara Driebusch, taz.de/Pflege-und-Loehne/!5754160/)

    Warum sollen die Beschäftigten der Caritas dann auf den Zug von verdi aufspringen?

    • @Rudolf Fissner:

      "Warum sollen die Beschäftigten der Caritas dann auf den Zug von verdi aufspringen?" (Fissner)



      Nicht die Beschäftigten der Caritas weigern sich dies zu tun, sondern die Führung der Caritas und damit die katholische Kirche. Und diese hat ganz andere Gründe als die der Solidarität der Pflegedienstbetreiber oder das Wohlergehen ihrer weltlichen Angestellten, wie Frau Dribbusch ja erwähnt: "(...) man sehe durch eine Zustimmung den sogenannten Dritten Weg der Kirchen in Gefahr:" Die Kirchen vereinbaren ihre Löhne in eigenen Kommissionen (...)".



      Es geht den Kirchen um den Machtanspruch sich und ihre Betriebe der weltlichen Einflußnahme zu entziehen. Und das nicht nur in Bezug Entlohnung, sondern in allen Belangen des Arbeitsrechts. Anstellung und Entlassung von Arbeitskräften (auch an Hand des Religionsbekenntnisses) sowie die Ablehnung des Betriebsverfassungsrechts und damit der qualifizieren Mitbestimmung durch Betriebsräte.



      Sie betrachten sich als quasi nicht zu dieser Welt gehörig und nur der römischen Kurie verpflichtet. Diese "extraterrestische" Machtposition ist teils ein Überbleibsel aus dem mittelalterlichen Ringen zwischen Kirche und Staat um die weltliche Vorherrschaft - und teilweise des Reichskonkordats von 1933. Letzteres erklärt vielleicht auch, weshalb dies ein typisch deutsches Problem ist. In anderen Ländern (Bsp.: Österreich) läuft das anders.



      Solange es keine Trennung von Kirche und Staat in diesem Land gibt wird sich daran auch nichts ändern. Der Staat hat es sich im Nachkriegsdeutschland einfach zu bequem gemacht und soziale Aufgaben nur zu gerne an die Kirchen abgeschoben. Und nun haben wir es deshalb mit einem mächtigen Sozialkonzern zu tun, der in manchen Regionen ein regelrechtes Monopol aufgebaut hat und dort die Arbeitsbedingungen selbstherrlich diktiert.



      Dass die Caritas in manchen Bereichen besser bezahlt als private Sozialträger ist richtig - aber durchaus nicht überall selbstverständlich - siehe die ambulante Pflege.

      • @LittleRedRooster:

        "Dass die Caritas in manchen Bereichen besser bezahlt"

        Es hieß nicht "manche", sondern ""Die Löhne der Caritas liegen in der Regel sogar über denen, die im Verdi-Branchentarifvertrag ausgehandelt wurden."

        Was an diesen in paritätisch besetzten Gremien ausgehandelten höheren Löhnen als bei Verdi nun "mittelalterlich" sein soll ist mir schleierhaft. Mittelalterlich ist allenfalls dass Weniger des verdi-Tarifvertrags nun das neue Besser sein soll.

        Die Gemeinnützigen Pflegeorganisationen sind nicht dafür verantwortlich, dass Verdi es nicht gebackenen bekommen hat, dass in den kommerziellen Heimen ein Teil der Gelder zu privaten Gewinnen wird und nicht das Niveau in der Caritas erreicht hat.

        • @Rudolf Fissner:

          "Was an diesen in paritätisch besetzten Gremien ausgehandelten höheren Löhnen als bei Verdi nun "mittelalterlich" sein soll ist mir schleierhaft." (Fissner)



          Ehrlich gesagt: mir auch, Herr Fissner. Ich habe das nämlich gar nicht gesagt. Diese merkwürdige Assoziation entstammt nicht meinem Einwurf.



          Den Begriff "mittelalterlich" verwendete ich stattdessen eigentlich unmissverständlich (wie ich glaubte) in meiner Kritik an der kirchlichen Strategie sich weltlicher Gesetze und Regularien zu entziehen - hier am Beispiel des sturen Beharrens auf den sog. "Dritten Weg". Dieser dritte Weg besteht im Wesentlichen auch an einem sehr patriarchalischen Führungsstil der echte Mitbestimmungsrechte Seitens der Interessensvertretung der Mitarbeiter mit Erfolg verhindert, indem man sich dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes entzieht - siehe "Tendenzschutz".



          Mein Einwurf war aber eigentlich begründet in Ihrer Frage: "Warum sollten die Beschäftigten der Caritas dannn auf den Zug von Verdi aufspringen". Diese Frage zeugt von Ihrer Verkennung der Sachlage. Die Ablehnung der Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages kam nämlich von der "Arbeitsrechtlichen Kommission des Caritasverbandes" - und nicht von der Mitarbeiterseite, wie Sie unterstellen. Hingegen: "Die Mitarbeiter-Seite der Caritas warf der Dienst- beziehungsweise Arbeitgeberseite mangelnde Solidarität vor - sie hätten das Ende von Dumpinglöhnen bei Tausenden privaten Anbietern verhindert." (Zitat: NTV/Panorama vom 02.03.21).



          Hier der Link zum Gesamttext:



          www.n-tv.de/panora...ewtab-global-de-DE



          Im Übrigen: Ihr Hinweis, dass die Löhne der Caritas in der Regel höher als bei privaten Sozialeinrichtungen wären, besagt eigentlich gar nichts über die Höhe dieser Löhne. Das hilft lediglich darüber hinweg zu täuschen, dass Pflegeberufe generell nicht ihrer gesellschaftlichen Bedeutung gemäß bezahlt werden.

  • Welches Image zerstören? Das Image als Wirtschaftsmacht, für die es überall Sonderprivilegien gibt, während sich der Rest an allgemeinverbindliche Regeln zu halten hat? Arbeitsrecht, Gewerkschaften, Gemeinnützigkeit, Subventionen, Steuervorteile, Behandlung von Verbrechen?

    Keine Wirtschaftsmacht ist so privilegiert wie die Kirchen, und das lassen sie sich natürlich nicht ohne weiteres einschränken. Das steht ihnen nämlich zu, so die Denke dort.

    Vielleicht einfach mal die staatliche Unterstützung auf das Niveau von staatlichen Trägern herunterfahren, und Gemeinnnützigkeit aberkennen. Dann wären staatliche/kommunale Träger gegenüber den kirchlichen auch wieder konkurrenzfähig und etliche Steuermilliarden könnten sinnvoller eingesetzt werden, als sie den Kirchen hinterherzuwerfen.

    Aber die Kirchen sind in der Politik bestens vernetzt, sie spielen sich die Bälle zu und tun sich nichts. Sie brauchen sich gegenseitig, sind Teil eines austarierten Machtgefüges, das ist schon viele Jahrhunderte so, überall auf der Welt. "Halt Du sie dumm, ich halt sie arm" gilt nach wie vor. Keine Partei hat ein Interesse, den Kirchen die üppigen Privilegien zu beschneiden, denn sie brauchen sie für ihre Legitimation und fürs Netzwerken.

    Ach und die Wohltäter der privaten weltlichen Träger - die sagen wenigstens von vornherein an, dass sie pur eigennützig agieren.

  • "Damit hilft er, das Image der katholischen Kirche zu zerstören."

    Wenigstens ein positiver Aspekt.