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Taliban-Offensive in AfghanistanKundus ist gefallen

Vor wenigen Wochen haben die letzten Bundeswehrsoldaten das afghanische Kundus verlassen. Nun haben die Taliban die Stadt eingenommen.

Kundus in Afghanistan 2011. Heute ist die Bundeswehr weg, die Taliban haben die Stadt erobert Foto: dpa

Kabul afp/rtr | Die nordafghanische Provinzhauptstadt Kundus ist von den radikalislamischen Taliban erobert worden. „Kundus ist gefallen. Die Taliban haben alle wichtigen Gebäude der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht“, berichtete ein AFP-Korrespondent in Kundus am Sonntag und bestätigte damit eine Erklärung der Islamisten. Zuvor waren heftige Kämpfe aus dem Zentrum der Großstadt gemeldet worden. Die Stadt gilt als strategisch wichtig, weil sie am Zugang zu den an Rohstoffen reichen Provinzen im Norden des Landes und in Zentralasien liegt.

In Kundus war bis vor wenigen Wochen die Bundeswehr im Rahmen eines internationalen Einsatzes stationiert. Sie hatte am 30. Juni ihre letzten Soldaten abgezogen.

Die Taliban hatten in den vergangenen Tagen ihre Offensive verstärkt und haben am Sonntag mit Sar-i-Pul im Nordwesten Afghanistans die vierte Provinzhauptstadt binnen drei Tagen eingenommen. „Die Taliban haben ein Armeebataillon am Rande der Stadt umzingelt. Alle anderen Teile der Stadt sind unter Kontrolle der Taliban“, sagte Mohammed Hussein Mudschahidsada, ein Mitglied des Provinzrats von Sar-i-Pul, am Sonntag, nur wenige Stunden nach dem Fall von Kundus.

Schiberghan in der nordafghanischen Provinz Dschuzdschan und die im Südwesten gelegene Hauptstadt der Provinz Nimrus, Sarandsch, hatten die Islamisten bereits in den vergangenen Tagen erobert. Sarandsch liegt an der Grenze zum Iran.

Seit Wochen treiben die Taliban ihre Offensive voran. Die Regierung in Kabul macht dafür auch den Abzug der internationalen Truppen verantwortlich. Die USA wollen bis Ende August all ihre Soldaten aus Afghanistan zurückholen. Lediglich 650 US-Soldaten sollen zum Schutz der US-Botschaft in Kabul bleiben.

Die afghanischen Streitkräfte kämpfen seit dem Abzug der internationalen Truppen an zahlreichen Fronten gegen die Taliban. Die radikalislamische Miliz kontrolliert bereits weite Teile der ländlichen Regionen und verstärkt auch den Druck auf Provinzhauptstädte wie Herat nahe der Grenze zum Iran sowie Laschkar Gah und Kandahar im Süden.

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12 Kommentare

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  • Genau so wurde einmal ein erfolgreicher Söldner der USA fallen gelassen, von jetzt auf gleich war er nichts mehr wert, obwohl er vorher für diese gekämpft hatte, er hieß Osama Bin Laden. Die Taliban sind noch aus seiner Tradition. Die Gegner der Taliban, die nun Freiwild werden, bleibt nichts anderes, als sich den Taliban an zu schließen, wenn sie überleben wollen. Und diese zu stärken, mti dem Wissen, das sie über die Nato erlangt haben.

  • Und was machen wir? Wir schieben Menschen nach Afghanistan ab und damit in den sicheren Tod. Das muss sofort aufhören. Wir müssen uns jetzt auf die bevorstehende Fluchtbewegung vorbereiten. Es geht hierbei nicht um ein paar Menschen, sondern um Hunderttausende und wir stehen in der Pflicht. Oder wollen wir diese Menschen wirklich im Mittelmeer ertrinken lassen?

  • Ich verstehe nach wie vor nicht, warum man die ganze Bevölkerung Afghanistans den Islamisten zum Fraß vorwirft.

    Es bestand keine militärische Notwendigkeit für den Abzug.

    Schande, was da passiert. Wir haben sie alle im Stich gelassen.

    Das wird uns noch heimsuchen.

    • @kditd:

      Die Abzugsentscheidung ist primär in Washington gefallen im Wesentlichen deshalb weil der dortigen Bevölkerung die Sinnhaftigkeit des Einsatzes nicht mehr vermittelbar war. Der hiesigen übrigens auch nicht und da ist ja auch etwas dran. Mit der bisherigen Strategie mit mäßiger Militärpräsenz vor Ort die sich über Jahrzehnte in ihren gut gesicherten Lagern verschanzt lässt sich die Lage dort eben nicht drehen. Ein Gegner wie die Taliban lässt sich nicht aus der Luft oder der Distanz besiegen, hätte man sie wirklich zerschlagen wollen hätte das langwierige, kleinteilige und vor Allem auch verlustreiche Kämpfe bedeutet. Aber man war eben nicht bereit (zehn)tausende deutsche Söhne und Töchter für die Befriedung Afghanistans zu opfern. Ebenso hätte man sich darüber im Klaren sein müssen, dass es mit militärischen Mitteln allein nicht getan ist, sondern dass diese lediglich die Vorbedingungen für die Schaffung neuer Strukturen bereiten können. Tatsächlich kam dieser Aspekt viel zu kurz und lag viel zu oft in den Händen der Militärs. Ein ziviles Engagement des Westens in Afghanistan hat weder finanziell noch personell in der Größenordnung stattgefunden die nötig gewesen wäre. Das Ergebnis war ein von Korruption und Nepotismus zerfressenes politisches System mit daraus resultierenden Legitimitätsproblemen. Dass sich nun kaum jemand bereit findet für dessen Fortbestand zu kämpfen ist angesichts dessen leider verständlich.



      Tatsächlich muss man konstatieren, dass der Einsatz in ähnlicher Weise auf einer Lüge beruhte wie der 2. Irak-Krieg. Es ging dort genauso wenig um Demokratie und Frauenrechte wie es im Irak um Massenvernichtungswaffen ging, man wollte schlicht Rache für 9/11 und die dortigen Terror-Camps beseitigen, darüber hinaus hatte man weder einen Plan wie es weitergehen sollte, noch wie man wieder gesichtswahrend abrücken könnte ohne die hehren aber vorgeschobenen Ziele umgesetzt zu haben.

      • @Ingo Bernable:

        Sie unterstellen, dass die Einsätze auf einer Lüge ähnlich der mit den Massenvernichtungswaffen im Irak beruhen würde. Nennen diese Lüge aber nicht. Das ist durchschaubar herbeigeredet.

        Begründung für die Unterstützung Afghanistans gegen die Taliban sind die Menschenrechtsverletzungen der Taliban im großen Maßstab ( de.wikipedia.org/w...rechtsverletzungen ). Die sind real und keine Lüge.

        • @Rudolf Fissner:

          "Nennen diese Lüge aber nicht. Das ist durchschaubar herbeigeredet."



          Ich hielt es für selbsterklärend und sie scheinen ja durchaus verstanden zu haben worum es dabei ging.



          "Die sind real und keine Lüge."



          Die Menschenrechtsverletzungen sind real, richtig; nicht aber der Wille diese auch wirklich zu bekämpfen, denn das hätte bedeutet die Soldat*innen die man dorthin abkommandiert hatte auch wirklich in den Krieg und den potentiellen Tod zu schicken. Das wollte man nicht, weil absehbar war, dass spätestens nach den ersten 100 BW-Angehörigen die ihre Repatriierung in Zinksärgen absolvierten, es auch hier zu Aufständen gekommen wäre.

      • @Ingo Bernable:

        Ich stimme Ihnen umfänglich zu. Aber die Motive, Afghanistan unter Kontrolle zu bringen gehen über Rache (=wohl eher innenpolitisches Kalkül) und Menschrechte (lol?!) doch ein wenig hinaus. Man wollte unter anderem einen rationalen Staat etablieren, der in dieser geostrategisch wichtigen Region ein verlässlicher "Partner", sprich: Vasall, gewesen wäre.

        • @Fabian Wetzel:

          "Man wollte unter anderem einen rationalen Staat etablieren"



          Da wäre ich mir eben nicht so sicher. Wenn das ein wirkliches Ziel war, hätte man sehr viel Geld und Aufwand in die Schaffung stabiler Strukturen stecken müssen und diese Notwendigkeit war auch absehbar und keinesfalls eine Überraschung. Von daher lassen sich die Demokratisierungsversprechungen ebenso als Verkaufsargument für den Einsatz verbuchen wie der Schutz der Menschenrechte.

      • @Ingo Bernable:

        Analyse einigermaßen korrekt, nur können sich die Menschen dort dafür nix kaufen...

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @kditd:

      Die Amerikaner haben keinen Bock mehr und wollen ihre Kräfte in Asien gegen Chinas Aggression gegen Philippinen, Taiwan und Japan positionieren. Die Europäer haben schlichtweg nicht die Fähigkeiten oder den Willen den Einsatz alleine zu führen.



      Heimsuchen wird uns das, unter den Taliban wird Afghanistan wieder Terror exportieren und die Region destabilisieren.

  • Das war doch zu erwarten - aber wie lang hätte die deutsche Bundeswehr denn in Afghanistan bleiben sollen? Weitere Jahrzehnte?



    Während afghanische Männer zuhauf das land verlassen und offenbar nichts davon halten, gegen die Taliban zu kämpfen?



    Das ist nicht unser Krieg da - irgendwann müssen die Menschen dort ihre Konflikte alleine lösen.

  • Die beste Werbung für die Taliban hat die BRD geleistet, mit ihrem Oberst Klein, der damals hunderte von Zivilisten - trotz Bedenken von den USA Piloten - nähe Kunduz bombardieren ließ.



    Niemand wurde entschädigt. Oberst Klein wurde zum General promoviert.



    Und Sie fragen: warum hassen sie uns?

    "Oberst Klein gibt gezielte Falschinformationen zu"



    Der für den Angriff auf Tanklaster bei Kunduz verantwortliche Bundeswehroberst hat gezielt die Unwahrheit gesagt, um US-Piloten zu dem Bombenabwurf zu bewegen.

    www.spiegel.de/pol...n-zu-a-672261.html