TV-Talk Günther Jauch: Wenn man keine Ahnung hat, …
… einfach mal die Klappe halten. Ihren stärksten Moment hatte die Jauch-Sendung vom Sonntag in der einen Minute, in der absolute Stille herrschte.
Harald Höppner hat ein Boot gekauft und aufgemotzt. Damit will er im Mittelmeer ertrinkende Flüchtlinge retten. Am Sonntag ist es in See gestochen – erst einmal ohne Höppner, denn Höppner musste die Jauch-Gäste zum Schweigen bringen: für die Toten der vergangenen Monate. Als Jauch aus Höppners Engagement eine kitschige Homestory machen wollte, stand Höppner auf, bat Publikum und Podium, sich von den Plätzen zu erheben und eine Minute für die Toten im Mittelmeer zu schweigen. Jauch versuchte erst einzuschreiten, ließ Höppner aber schließlich gewähren.
Zwei Mal wurde in der vergangenen Woche der Rekord der gestorbenen Flüchtlinge im Mittelmeer überboten: Am Montag waren es 400, in der Nacht auf Sonntag 700 – so viele wie nie zuvor bei einem einzelnen Unglück. Die Gäste einer Talkshow zu diesem Thema sollten mit besonderer Sensibilität ausgewählt werden. Jauch aber öffnete das Podium für einen Schweizer Populisten, der ungebremst seine vermeintlichen Wahrheiten verbreiten konnte.
Roger Köppel ist Chefredakteur der rechtskonservativen Weltwoche, der seinen Rassismus eloquent verpackt. Zum Beispiel dann, wenn er in früheren Zeiten das Votum der Schweizer gegen die Minarette als „Mut“ bezeichnete. Köppel kandidiert im Oktober – wohlgemerkt als Journalist – für die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) für den Nationalrat, weil ihn die „verheerende Politik der linken Mehrheit in Bundesrat und Parlament“ dazu zwinge. Er ist also ein Mann mit Botschaft, und zwar einer rechts der CSU, die mit dem ehemaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich schon vertreten war.
Jauch schritt kaum ein, nicht als Köppel von den IS-Terroristen sprach, die mit den syrischen Kriegsflüchtlingen angeblich in Deutschland „eingeschleust“ würden. Nicht als Köppel sagt, Europa könne nicht alle Krisenkonflikte dieser Welt lösen, so als sei Europa der Heilsbringer dieser Erde.
Die Schuld der EU
Zeitweise gelang es Köppel, die Diskussion zu dominieren und selbst den sonst so schlagkräftigen Heribert Prantl in die Enge zu treiben. Prantl, Leiter der Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, argumentiert seit Jahren vehement für eine bessere Flüchtlings- und Asylpolitik. Dass die Flüchtlinge im Meer „ersaufen“, sei Schuld der EU, sagt Prantl. Und: „Europa tötet“. Zu Beginn der Sendung hatte Prantl noch auf die europäische Agrarpolitik geschimpft, die die afrikanischen Märkte ruiniere und auf die amerikanischen und europäischen Kutter, die die Meere vor der afrikanischen Küste leer fischten und die Menschen deswegen zur Flucht zwängen. Nach Köppels Mantra („Wir dürfen nicht die ermutigen, die kein Asyl verdient haben“) ließ sich auch Prantl dazu verleiten, zwischen asylwürdigen (syrischen) und asylunwürdigen (zentralafrikanischen) Flüchtlingen zu unterscheiden.
Da waren sie also wieder, die „Wirtschaftsflüchtlinge“, die gern als abschreckendes Beispiel für „Asylmissbrauch“ und „Masseneinwanderung“ herangezogen werden. Dass, wer sein Leben aufs Spiel setzt, um monatelang nach Europa zu laufen, seine existenzielle Gründe haben muss, ging in der Debatte unter. Erst der Flüchtlingsretter Höppner brachte das wieder zur Sprache.
Sein Gegenspieler „aus dem Volke“ war Christian Haase, der in Bautzen eine Bürgerinitiative gegen den Ausbau einer Flüchtlingsunterkunft gegründet hat. Momentan sind dort 60 Flüchtlinge untergebracht, in einer Stadt mit 40.000 Einwohnern und einem Ausländeranteil von 1,3 Prozent. Und trotzdem fürchten die Anwohner „Kriminalität und Lärm“, und dass die Flüchtlinge sich „untereinander die Köpfe einhauen, und wir als Bautzener sind dann die Bösen“, sagten Männer mit grauen Haaren in einem Einspieler. Ach ja: Rechts sind sie übrigens nicht, das ist ihnen ganz wichtig. Nur, was sind sie dann?
Dem Mann aus dem Volke dürfte der spätere Verlauf der Sendung gut gefallen haben. „Die Bösen“ waren dann nämlich nicht die Initiativen gegen Asylbewerberheime, sondern die Schleuser. Eine klassische Ausflucht in der Asyldebatte, wie auch die Forderung nach Asylzentren in Nordafrika. Für die Europäer wäre das eine feine Sache: Nachdem sie die Seenotrettung heruntergefahren haben, könnten sie also auch noch das Asylprozedere outsourcen. Das sichere Europa rückt für die Geflüchteten damit noch weiter weg.
Ihre Rettung: die Schlepper
Wie schwach das Argument gegen die Schleuser ist, konnte die Syrerin Maya Alkhechen mit ihrer eigenen Geschichte beweisen: Sie floh mit ihrem Mann und ihrer Familie von Kairo nach Italien, eingepfercht mit 310 anderen Menschen, sieben Tage auf See. Eine andere Möglichkeit gab es für sie nicht: Der Landweg über die Türkei ist verriegelt, ein Visum bekam die junge Frau nicht, und das, obwohl sie in Deutschland aufgewachsen war und dort Abitur gemacht hat, stets aber nur als „Geduldete“. Die Schlepper, sagte Alkhechen, seien ihre Rettung gewesen.
Die Meinung der Deutschen, das kann man seit Wochen im ganzen Land beobachten, ist gespalten in der Flüchtlingsfrage. Die einen gehen gegen die vermeintliche Islamisierung auf die Straße oder protestieren gegen Asylbewerberheime. Die anderen stellen sich gegen den rechten Mob und vor die Flüchtlinge. Dass diese Kluft tiefer wird, zeigten auch die Leserkommentare, die Jauch in der Sendung vorlas. Einer schreibt, „als ob wir diese Kriege provozieren würden“ und „jeder ist für sein eigenes Leben verantwortlich und jeder, der sich in ein Boot setzt, sollte sich des Risikos bewusst sein und es vorher abwägen.“
Und wieder zweifelte man an der Sensibilität der Jauch-Redaktion: Nur weil Menschen jeden Müll ins Internet schreiben können, heißt das noch lange nicht, dass ihnen eine öffentlich-rechtliche Sendung eine Plattform dafür geben muss.
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