TV-Debatte Trump gegen Biden: Trump wütet, Biden bleibt ruhig
Die erste TV-Debatte der beiden Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Joe Biden war chaotisch – vor allem durch das Verhalten Trumps.
„Sozialist“, zischt Trump schon nach weniger als fünf Minuten Debatte. Wenig später höhnt der 74-jährige US-Präsident über seinen 77-jährigen Herausforderer als einen Schulversager. „Joe hat keine Ahnung, was klug ist“, unterbricht er ihn. Und behauptet, als hätte das irgendeine Bedeutung für die Debatte oder für die Arbeit im Weißen Haus, dass er in der frühen Mitte des 20. Jahrhunderts ein brillanter, Biden hingegen ein schlechter Student gewesen sei.
Als Biden darauf hinweist, dass die USA mit nur 5 Prozent der Weltbevölkerung 20 Prozent der Coronatoten haben, lobt Trump seinen eigenen Umgang mit der Pandemie als einen „phänomenalen Job“ und krakeelt: „Biden hätte nicht einmal Beatmungsgeräte hergestellt.“ Bei mindestens drei anderen Gelegenheiten unterbricht er Biden, um den Vornamen von dessen jüngerem Sohn „Hunter“ zu raunen. Sowie die Namen von Ländern, in denen der Geschäfte gemacht haben soll.
Wer Trump über die Jahre beobachtet, konnte sich keine Illusionen über die potenzielle Qualität dieser Debatte machen. Die Umfrageergebnisse der letzten Zeit, in denen Trump konstant hinter Biden liegt, haben ihn noch wütender gemacht. Aber am Dienstagabend übertrifft er dennoch selbst die schlimmsten Befürchtungen.
Biden zu Trump: „Mann, jetzt halte endlich mal den Mund!“
„Ich bin der Moderator dieser Debatte. Und ich würde jetzt gern eine Frage stellen“, sagt Wallace nach den ersten Minuten. Schon zu dem Zeitpunkt muss er sehr und bestimmt laut reden, um gehört zu werden. Später erinnert Wallace Trump mehrfach daran, dass seine Kampagne die Regeln für die Debatte mit ausgehandelt hat. Und fordert ihn immer wieder entschieden auf, Biden zu Wort kommen zu lassen: „Herr Präsident, bitte!“
Für Biden ist der Abend nach langen Pandemie-Monaten, in denen Trump auf allen Bildschirmen zu sehen war, die erste Gelegenheit, sich dem großen Publikum zu zeigen. Er spricht mehrfach direkt an die WählerInnen – während Trump vor allem ihn und den Moderator anstiert.
Biden sieht jünger aus und wirkt deutlich energiegeladener als der Mann, den Trump „Sleepy Joe“ nennt. Er stottert auch kaum. Und er schafft es – trotz aller Provokationen – fast durchgängig die Ruhe zu wahren. Wenn Biden Trump als „Clown“ beschreibt und als er ihm nach der x-ten Unterbrechnung sagt: „Mann, jetzt halte endlich mal den Mund“, klingt das immer noch freundlich. Aber er hat auch härtere Vorwürfe. Er nennt Trump den „schlechtesten Präsidenten, den wir je hatten“ und einen „Rassisten“.
Dennoch schafft Biden es kaum, über sein Programm und seine Bilanz zu sprechen. Moderator Wallace stellt Fragen zur Besetzung des Obersten Gerichts, über die Pandemie, über die Wirtschaftspolitik, das Klima und über systemischen Rassismus. Aber wenn Biden versucht zu antworten, fällt ihm Trump ins Wort.
Trump zu Rechtsextremen: „Haltet euch bereit!“
Wer den Schlagabtausch lange genug erträgt, erfährt immerhin, dass Biden Trumps Steuersenkungen für SpitzenverdienerInnen wieder abschaffen will. Dass er einen Klima-Plan hat, der Millionen Arbeitsplätze schaffen soll und dass er die USA zurück zum Pariser Klima-Abkommen bringen will. Er sagt auch, dass er die Polizei nicht abschaffen, aber reformieren will.
Trump beantwortet die Fragen des Moderators nicht. Er ist nicht bereit, auch nur das Wort „Klimaforschung“ in den Mund zu nehmen. Er will nicht auf Distanz zu weißen Rassisten gehen. Als Moderator Wallace ihn ausdrücklich dazu auffordert, sagt Trump an die Adresse der militanten rechtsextremen „Proud Boys“: „Tretet zurück. Und haltet Euch bereit!“ Jemand müsse etwas gegen die Antifa und die Linke unternehmen, fügt er hinzu.
Er weigert sich auch zu sagen, dass er abtreten wird, falls er im November verliert. „Wir wissen es möglicherweise erst nach Monaten“, warnt er über das Wahlergebnis. Und beschreibt ein Szenario, das von Chaos und Fälschungen geprägt ist, obwohl Wahlfälschung in den USA so selten vorkommen, dass sie statistisch kaum nachweisbar sind. Bei derselben Gelegenheit fordert der Präsident seine AnhängerInnen – nicht jedoch seine Landsleute insgesamt – auf, wählen zu gehen.
Am Ende der eineinhalb Stunden schlägt eine Freundin in Washington vor, eine Petition zu organisieren. Thema: „Wir, das Volk, verlangen die sofortige Absage der weiteren Debatten.“ Vermutlich würde ein Abbruch der Debatten wenig am Wahlausgang ändern. Denn abgesehen von einer kleinen Gruppe von Unabhängigen haben die meisten WählerInnen, die überhaupt abstimmen wollen, ihre Entscheidung längst gefällt. Zigtausende von ihnen haben sogar – per Briefwahl – bereits ihre Stimme abgegeben.
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