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Sudans Armee erobert Hauptstadt zurück„Khartum ist frei“, ruft der Präsident

Sudans Armee hat nach fast zwei Jahren Krieg die volle Kontrolle über die Hauptstadt wiedergewonnen. Der Jubel bei vielen Sudanesen ist groß.

Sudans Staats- und Armeechef al-Burhan bei der Rückkehr in den Präsidentenpalast in Khartum am Mittwochabend Foto: ap/dpa

Berlin taz | Es ist ein Wendepunkt in Sudans fast zweijährigem Krieg. Sudans Armee hat die volle Kontrolle über Sudans Hauptstadt Khartum wiederhergestellt. „Khartum ist frei!“ rief Staats- und Armeechef Abdelfattah al-Burhan am späten Mittwochabend, nachdem er am soeben zurückeroberten internationalen Flughafen der Stadt gelandet war, mit einem Sonderflug aus Port Sudan am Roten Meer. „Die Sache ist erledigt.“

Khartum war Kriegsgebiet seit dem 15. April 2023, als der damalige Vizepräsident Mohamed Hamdan Daglo, genannt Hametti, mit seiner Miliz RSF (Rapid Support Forces) in den Aufstand gegen die Armee trat, um die drohende Auflösung seiner Truppe zu verhindern. Die RSF und die Regierungsarmee SAF (Sudanesische Streitkräfte) kämpften ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung um die Macht in Khartum und dann, als keine Seite die Oberhand gewann, in ganz Sudan. Im April und Mai 2023 flohen Millionen von Menschen. Von Khartums 5 Millionen Einwohnern – 9 Millionen im gesamten Großraum Khartum – haben 3,5 Millionen die Stadt verlassen, die Regierung zog nach Port Sudan.

Von den einst 45 Millionen Einwohnern Sudans sind heute knapp ein Drittel auf der Flucht. Zwei Drittel der Bevölkerung Sudans ist auf humanitäre Hilfe zum Überleben angewiesen. Nach UN-Angaben ist die Krise in Sudan die größte Hunger- und Flüchtlingskrise der Welt.

Je weiter sich der Krieg ausdehnte, desto verheerender wurden die Zerstörungen. Die RSF eroberte 2023 einen Großteil der fruchtbaren Landstriche südlich von Khartum entlang des Nils, was die Landwirtschaft zusammenbrechen ließ. Die Miliz übernahm 2023 und 2024 auch die Kontrolle über fast ganz Darfur und verjagte Volksgruppen, die schon eine Generation vorher Zielscheibe des systematischen Völkermords durch die RSF-Vorgängermiliz Janjaweed im Auftrag des damaligen Militärdiktators Omar Hassan al-Bashir gewesen waren.

Krieg in Sudan

In Sudan liefern sich Einheiten der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz (Rapid Support Forces) seit dem 15. April 2023 Kämpfe im ganzen Land. Der Machtkampf setzt den Bemühungen zur Demokratisierung Sudans vorläufig ein Ende.

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Sudans Demokratiebewegung, die 2019 Bashir gestürzt hatte und dann hilflos der Rücknahme der Macht durch Sudans Generäle zusehen musste, zerstreute sich in alle Winde. In ihrem Kampf gegen die RSF beging auch die Armee Massaker und Kriegsverbrechen, beide Seiten bombardierten und beschossen bedenkenlos zivile Ziele.

Seit rund einem halben Jahr ist die Armee wieder auf dem Vormarsch. Sie eroberte nacheinander alle Provinzen am Nil zurück und trug im Januar die Schlacht nach Khartum. Mitte Februar verkündete die Armee den Durchbruch ihrer den Nil flussabwärts nach Norden vorstoßenden Truppen bis zu ihren eingekesselten Gebieten im Zentrum von Khartum. Am 21. März fiel der Präsidentenpalast mitten in Khartum an die Regierungstruppen.

Danach ging alles sehr schnell. Die Armee übernahm einen Stadtteil nach dem anderen, die RSF zog sich auf das West­ufer des Nils zurück, in Richtung ihrer Hochburgen Kordofan und Darfur. Fast jeden Tag gab es schwere Artillerieangriffe beider Seiten, denen auch viele Zivilisten zum Opfer fielen. Aus dem letzten RSF-gehaltenen Stadtviertel, Jebel Aulia im Süden mit der gleichnamigen Talsperre am Nil, wurde am Mittwoch die Flucht der letzten Milizionäre über die Flussbrücke gesichtet. Einzelne RSF-Einheiten sollen sich noch in Omdurman auf dem westlichen Nilufer befinden, aber Khartum als solches ist „befreit“.

Jetzt feiern Sudanesen, wo sie können: auf den Straßen von Port Sudan, auf den Straßen von Khartum, sogar im Flugzeug aus Katar. „Das geduldige Volk, das viel aushalten musste, kann endlich aufatmen und in Freiheit lachen“, schreibt ein Demokratieaktivist aus Khartum. Die Erleichterung über ein Ende der Kämpfe um die Hauptstadt nach fast genau zwei Jahren ist riesig.

Dass sich die Lage verbessert, wenn die RSF verjagt wird, haben die Bewohner der Nilprovinzen in den vergangenen Wochen erlebt. In Wad Madani, 150 Kilometer südlich von Khartum, das im Dezember 2023 an die RSF gefallen war und im Januar 2025 von der Armee zurückerobert wurde, kehren Vertriebene heim, die Märkte haben sich wiederbelebt. In mehreren Regionen eröffnen jetzt gerade die Banken wieder, Geld kann zirkulieren.

Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn sinkt die Zahl der Kriegsflüchtlinge in Sudan: Knapp 400.000 Menschen haben seit Jahresbeginn wieder nach Hause gehen können, vor allem in Khartum sowie den Städten flussaufwärts am Nil, berichtet die UN-Migrationsorganisation IOM.

Die RSF hatte erst im Februar versucht, sich ein besseres ziviles Image zu geben, indem sie in Kenia andere Rebellengruppen sowie Teile der ehemaligen sudanesischen Demokratiebewegung eine Charta für eine „Gegenregierung“ unterzeichnen ließ. Dies ging jedoch nach hinten los. International wuchs die Entschlossenheit, die Miliz zu isolieren, um einen Zerfall Sudans zu stoppen.

Horror in der Folterhaft

Im März veröffentlichte die UN-Menschenrechtskommission Ergebnisse einer Untersuchung von Verschwindenlassen und Festnahmen sowohl durch die RSF als auch durch die Armee in Khartum. Beide Seiten, so der Bericht, verschleppten Menschen an Checkpoints und verbrachten sie in improvisierte Haftanstalten, zumeist Amtsgebäude, wo sie mit Schlägen, Peitschen, Aufhängen und Elektroschocks gefoltert wurden.

Augenzeugen berichteten von überfüllten Kellerräumen voller Häftlinge, die kaum Nahrung oder Wasser und keine medizinische Versorgung erhielten. Als schlimmste Haftanstalt Khartums wird das RSF-Gefängnis Soha mit insgesamt über 6.000 Insassen und Todeszahlen von 4 bis 80 Menschen am Tag genannt. Videos seit der Vertreibung der RSF aus Khartum zeigen Massengräber voller halb skelettierter Leichen und Hafträume mit halb verhungerten, halb nackten Männern.

Der Krieg geht derweil weiter – vor allem in Darfur. Erst Anfang dieser Woche tötete dort die Armee mit Luftangriffen auf einen Markt mehrere Hundert Menschen. Und die RSF gibt sich nicht geschlagen. Sie habe ihre Truppen lediglich „umgruppiert“, erklärte die Miliz am Donnerstag.

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12 Kommentare

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  • Ob das sudanesische Volk jubelt, weil das Militärregime seine Macht wieder festigen und den ausgewiesenen Schlächter Hametti und seine SRF an die Peripherie in Kordofan und Darfur vertreiben konnte (wo sie ihren Terror gegen die Zivilbevölkerung ungehindert fortsetzen)?



    Fest steht jedoch zweierlei: 1. die sudanesische Demokratiebewegung von 2019 ist in diesem blutigen Konflikt endgültig unter die Räder geraten. 2. die Schlächterei wäre in dem Ausmaß nicht möglich gewesen, wäre über die Jahre nicht ein unbegrenzter Strom an Waffen und Munition in das Land geflossen.



    Ähnliche Situation derzeit im Südsudan.



    Keine einzige Waffe und nicht eine Patrone mehr aus der EU, Deutschland und weltweit in diese Krisengebiete!



    taz.de/Sudan-Exper...ds-Rolle/!5931463/



    www.friedenskooper...uesse-in-den-sudan



    www.sueddeutsche.d...4VPjsGX9ufC5EuCZf9



    Die Sch … muss endlich aufhören.

  • Die Rüstungsindustrie des Sudan ist kaum erwähnenswert. Wer liefert da also wem seit vielen Jahren Waffen und Munition?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Was Munition und Kleinwaffen angeht ist der Sudan relativ autark. Die RSF kriegt Waffen von den UAE und Wagner, die SAF von Iran, Türkei, Ägypten.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Amnesty sagt hauptsächlich Russland, China und die Türkei. Die Russen mischen mit Wagner auch direkt vor Ort mit.

  • Kann mir mal jemand erklären worum es bei diesem Konflikt geht?



    Also welche Ziele hat die RSF wenn sie gewinnen? Was wollen sie politisch ändern? Oder geht es wirklich einfach nur um Macht?

    • @Jesus:

      Es geht um Macht, Der Sudan hat funktioniert solange er die Peripherie ausbeuten konnte insb. das Öl des Südens, das ist jetzt weg und dementsprechend geraten die Eliten in Konflikt. Etwas ähnliches passierte in Syrien als Syrien den Libanon räumen musste fingen die syrischen Eliten an Syrien mehr auszupressen bis zum Bürgerkrieg.

      • @Machiavelli:

        Und was sehen wir jetzt im Südsudan? Die beiden politisch mächtigsten Männer - unterstützt jeweils von den zwei größten, miteinander verfeindeten Ethnien im Südsudan (Dinka und Nuer) - versuchen wieder einmal, die Kontrolle über das Öl an sich zu reißen (das benachbarte Uganda mischt dabei kräftig mit).



        Ehemalige Befreiungskämpfer gegen die Dominanz des (muslimischen) Nordens betrachten den Südsudan also als eine Art Selbstbedienungsladen für sich persönlich, ihre Familien und ihr jeweiliges elitäres Klientel.



        Ob das nun mit den Beziehungen zwischen Syrien und Libanon vergleichbar ist? Da müsste man noch mal genauer hinschauen.

        • @Abdurchdiemitte:

          Südsudan ist anders, ich sprach vom Sudan und Syrien.

      • @Machiavelli:

        Aber Macht wozu? Einfach nur um die Macht zu haben? Es ist doch schwachsinnig dafür das ganze Land mit Krieg zu überziehen.



        Versteh ich beim besten Willen nicht, was glaube diese Leute wer sie sind, dass es rechtfertigt für den eigenen Vorteil so vorzugehen?



        Dabei ist es ja nichtmal ein wirklicher Vorteil da ja alle Beteiligten danach noch im Sudan leben wollen der aber gerade zerstört wird.



        Also wirklich total bescheuert.

        • @Jesus:

          Um ethnische Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen geht es dabei auch, die spielen derzeit auch bei dem wieder aufflammenden Konflikt im Südsudan eine Rolle. Und auch im Osten Kongos.



          Die lokalen Warlords haben natürlich immer einen gewissen Rückhalt in ihren Volksgruppen. Und natürlich wollen die jeweiligen Anrainerstaaten - z.B. Uganda im Südsudan, Ruanda im Ost-Kongo - dort ihre Einflusssphären sichern (obwohl man meinen sollte, diese Länder hätten selbst schon einen Arschvoll an eigenen Problemen). Das verhindert ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen der afrikanischen Nachbarn, um solche regionalen Konflikte von vornherein einzudämmen.



          Das größte Problem in diesem Zusammenhang scheint mir aber der ungehinderte internationale Zufluss an Kriegsgerät, Waffen und Munition zu sein … so erscheint es unmöglich, den lokalen Warlords und Despoten ihr Kriegsspielzeug aus den Händen zu schlagen.



          Und dann kommt mir nur noch die Galle hoch, wenn einige (westliche) Beobachter süffisant anmerken, die aktuellen Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent seien Ausdruck eines Scheiterns des Dekolonisierungsprozesses.

  • RSF - einst im Sold der EU für Grenzschutz? Dann Kämpfer gegen Jemens Huthi-Terroristen, aber dann: Zusammenarbeit mit Russlands Wagnersöldnern, um Sudans Goldbergbau an sich zu reißen! Mutiert von- Grenzschutz- und Antiterrortruppe zur weltschlimmsten Räuberbande. So brutal, dass 1/3 aller SudanesInnEn die Heimat verlor! Und vom Goldertrag bezahlt Putin den Ukrainekrieg! Ein Haufen elender feiger Säcke, diese RSF. Eine der Hilfstruppen Putins zur Entzivilisierung der Welt.

    de.wikipedia.org/w...pid_Support_Forces

    de.wikipedia.org/w..._Sudan_(seit_2023)