Stuttgarter Querdenken-Chef verhaftet: Ballweg weg vom Fenster
Michael Ballweg ist Mitbegründer des „Querdenken“-Protests. Nun nahm ihn die Polizei fest. Er soll Spendengelder veruntreut haben.
Die Stuttgarter Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigte nur, dass am Mittwoch zwei Wohnungen und Geschäftsräume eines 47-Jährigen durchsucht wurden. Das Ermittlungsverfahren richte sich gegen zwei Tatverdächtige. Nach taz-Informationen handelt es sich dabei aber um Michael Ballweg und seine Partnerin.
Bereits seit Beginn der „Querdenken“-Proteste im Frühjahr 2020 hatte Ballweg um Spenden für die Bewegung geworben. Laut Polizei kam dabei ein „höherer sechsstelliger Betrag“ zusammen, den der Beschuldigte allerdings „zweckwidrig für sich verwendet“ habe. Die Spender seien somit „getäuscht“ worden.
Bei den Durchsuchungen beschlagnahmten die Polizeibeamten auch Computer und Handys von Ballweg, die nun ausgewertet werden. Dem 47-Jährigen wurden zudem Zugriffe auf seine Konten entzogen. Noch am Mittwoch verhängte ein Richter einen Haftbefehl gegen Ballweg
Querdenken-Szene reagiert entsetzt
Die „Querdenken“-Szene reagierte entsetzt auf die Festnahme. Der dort aktive Anwalt Ralf Ludwig bestätigte, dass bei Ballweg durchsucht wurde. Die Vorwürfe nannte er „konstruiert“. Die Köpfe des Protests sollten „mit staatlicher Gewalt verfolgt“ und „eingeschüchtert“ werden, kritisierte Ludwig.
Michael Ballweg, ein früherer Softwareunternehmer, hatte in Stuttgart unter dem Label „Querdenken 711“ im Frühjahr 2020 erste Proteste gegen die Coronamaßnahmen organisiert. Zwischenzeitlich folgten zehntausende Demonstrierende, das Label verbreitete sich bundesweit. Im April 2021 stellte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Bewegung indes unter Beobachtung, weil diese über die Kritik an der Coronapolitik eine „Delegitimierung des Staates“ betreibe.
Bereits zuletzt Anklagen gegen Querdenker
Zuletzt war bereits der prominente Coronaverharmloser Sucharit Bhakdi wegen Volksverhetzung angeklagt worden. Er hatte in einem Video die Shoah relativiert und behauptet, Juden hätten von den Nazis das „Erzböse“ gelernt und würden dieses nun „umsetzen“.
Auch der bekannte Querdenker und HNO-Arzt Bodo Schiffmann wurde zuletzt angeklagt. Er soll falsche ärztliche Atteste zur Befreiung der Maskenpflicht ausgestellt haben. Zudem soll auch er im Internet den Holocaust verharmlost und zu „unfriedlichen Aktionen“ gegen die Bundesregierung aufgerufen haben. Schiffmann war zuletzt nach Tansania ausgewandert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen