Sturm auf Kongress in Brasilien: Angriff mit Ansage

Der Sturm auf den Kongress in Brasília war gut vorbereitet. Doch der Bolsonaro-Mob ist mit dem Putschversuch gescheitert – dank wehrhafter Demokratie.

Anhänger Bolsonaros gehen gewaltsam gegen Sicherheitskräfte vor

Déjà-vu in Brasília. Anhänger von Ex-Präsident Bolsonaro stürmen den Kongress Foto: Matheus Alves/dpa

Der Schock sitzt tief in Brasilien. An­hän­ge­r*in­nen von Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro sorgten am Sonntag für stundenlanges Chaos in der Hauptstadt Brasília. Ein Mob von hunderten Fa­na­ti­ke­r*in­nen stürmte den Kongress, zog marodierend durch das Regierungsviertel, hinterließ eine Spur der Zerstörung. Man muss die Ereignisse als das bezeichnen, was sie gewesen sind: ein Putschversuch.

Hätte man das voraussehen können? Ja, denn es war ein Angriff mit Ansage. Seit Wochen riefen Bol­so­na­ris­t*in­nen zum Sturm auf Brasília auf, verkündeten on- und offline, Widerstand gegen die neue Regierung zu leisten. Sie waren gut vorbereitet, hatten Codewörter und – wie es aussieht – auch die Unterstützung von Teilen der Sicherheitskräfte. Außerdem: Sie konnten von anderen Ereignissen lernen.

Der Sturm aufs Kapitol vor zwei Jahren in den USA diente ihnen als Blaupause. Das zeigt, wie gut die globalen Rechten vernetzt sind. Dass sie voneinander lernen, gemeinsame Ziele verfolgen. Das sollte eine Warnung für die ganze Welt sein. Die gestrigen Ereignisse haben auch gezeigt: Ein Teil der brasilianischen Bevölkerung driftet immer weiter in rechtsextreme Parallelwelten ab. Der Mythos der „geklauten Wahl“ bringt ganz unterschiedliche Menschen zusammen, es droht eine weitere Radikalisierung.

Nun wäre es leicht, die Bewegung als durchgeknallte Sekte abzutun. Doch der Bolsonarismus hat durchaus Rückhalt in der Bevölkerung und auch einen politischen Unterbau. Etliche Po­li­ti­ke­r*in­nen nähren Zweifel an den Wahlergebnissen und machen sich damit mitschuldig. Und Bolsonaro selbst? Zwar kritisierte der Ex-Präsident die Attacken, aber er war es, der überhaupt erst die Bedingungen für die Gewalt schuf.

Fast schon logisch

Bolsonaro, ein notorischer Antidemokrat und Bewunderer von Militärdiktaturen, attackierte während seiner Amtszeiten wieder und wieder die demokratischen Institutionen, er beschimpfte Jour­na­lis­t*in­nen und ließ sich auf ultrarechten Putschprotesten feiern. Dass ein Teil seiner Entourage nun den Aufstand wagte, ist in Anbetracht der letzten vier Jahre seiner Amtszeit fast schon logisch. Doch es gibt auch eine gute Seite des gestrigen Tages: Die Eindringlinge konnten sich nicht durchsetzen.

Brasiliens Demokratie erwies sich als wehrhaft. Zwar ließen viele Sicherheitskräfte den Bolsonaro-Mob passieren, doch der Putschversuch scheiterte. Die Stimmung im Land: Diese Angriffe gehören verurteilt. Jetzt müssen die An­grei­fe­r*in­nen gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden. Wenn man eine Wiederholung der Gewaltakte verhindern will, darf es keinen Zweifel daran geben, dass in der brasilianischen Gesellschaft kein Platz für Verschwörungstheorien und Putschgebaren ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Niklas Franzen, Jahrgang 1988, ist Journalist und ehemaliger Brasilien-Korrespondent. Im Mai 2022 erschien sein Buch “Brasilien über alles - Bolsonaro und die rechte Revolte” bei Assoziation A.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.