piwik no script img

Studie zur Wiedervernässung von MoorenUmsiedlung von 900 Höfen empfohlen

Die Wiedervernässung von Mooren in Schleswig-Holstein könnte viel CO2 einsparen, aber auch das Ende einiger Landwirte bedeuten. Das zeigt eine Studie.

Wieder nass: Acker in der Eider-Treene-Niederung Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Es sind enorme Mengen CO2, die laut einer aktuellen Studie in Schleswig-Holsteins Niederungen eingespart werden können: Bis zu eineinhalb Millionen Tonnen pro Jahr würde es bringen, wenn 8,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche wieder in ihren ursprünglichen Zustand als Moor versetzt würden. Der Haken an der Sache: 900 Höfe müssten dafür aufgeben – oder umgesiedelt werden.

Im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums unter Minister Werner Schwarz (CDU) ist das Kieler Institut für Europäische Landwirtschaftsstudien der Frage nachgegangen, mit welchen Auswirkungen landwirtschaftliche Betriebe durch eine Wiedervernässung trockengelegter Moore rechnen müssen.

Denn schon länger ist klar, dass die Wiedervernässung einst trockengelegter Moore eine vergleichsweise kostengünstige Maßnahme für den Klimaschutz ist. Während die früheren Moorregionen bei anhaltender landwirtschaftlicher Nutzung beständig und viel CO2 freisetzen, würden klimaschädliche Gase bei einer Anhebung des Wasserstands langfristig gebunden werden.

Die nun veröffentlichten Antworten zeigen, dass zwei Drittel der rund 14.000 Höfe im Land gar nicht von einem sogenannten Niederungsmanagement betroffen wären.

Wasserstand um 20 Zentimeter anheben

Hingegen gilt jeder fünfzehnte Betrieb von einer Wasserstandsanhebung um 20 Zentimeter als „besonders schwer betroffen“, weil mindestens 60 Prozent ihrer Betriebsflächen wiedervernässt würden. Diese liegen vor allem in der Eider-Treene-Niederung sowie im Oldenburger Graben. Eine Wiedervernässung würde ihnen die landwirtschaftliche Nutzung, die dort vor allem aus der Milchviehhaltung besteht, unmöglich machen.

Für die übrigen, weniger stark betroffenen Betriebe in den beiden Niederungsregionen sehen die Stu­di­en­au­to­r:in­nen aber Chancen: Ihr Überleben halten sie auch in Kombination mit dem Moorschutz für möglich. Die wiedervernässten Flächen könnten schließlich anders als bisher genutzt werden. So könnte einerseits eine weniger intensive Tierhaltung weiterhin gelingen, auch der Anbau anderer Pflanzen auf den Moorflächen, sogenannte Paludikultur, kommt infrage.

Große Hoffnung stecken die Kieler For­sche­r:in­nen aber in keine der beiden Optionen. Viel eher kommt als „nasse Folgenutzung“ die Stromerzeugung durch den Bau von Photovoltaikanlagen auf den Freiflächen in Betracht. Sie könnte tatsächlich „zu einer Einkommenssteigerung im Vergleich zur intensiven Milchviehhaltung führen“.

Zugleich gibt es einen beträchtlichen Anteil von Höfen, deren Betriebsfläche zu höchstens 20 Prozent von einer Wiedervernässung betroffen wäre. Hier würde es wohl schon reichen, wenn die Politik ihnen ein „zugeschnittenes Flächentauschmodell“ anböte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Neben der Agrivoltaik könnte die Paludikultur dann bestehen, wenn die Landwirt:innen Interesse haben, ihren Beruf beizubehalten und es bessere Absatzmärkte für die entsprechenden Produkte gäbe. Das kann in einer Kombination aus flächensparsamem, aber wenig einträglichem Gartenbau, einer flächenintensiven und einigermaßen einträglichen „Agri“-Voltaik (die größtenteils keine Nutzpflanzen anbaut, um den Boden- und Wasserhaushalt zu optimieren) und im „Mittelfeld“ zwischen den Extremen liegende Paludikultur enden, die z.B. pflanzliche Rohstoffe für Dämmmaterial liefert, die für eine ökologische Gebäudeenergiewende eigentlich schon jetzt gebraucht würden. Die Grenzen der Studien sind halt die ökonomischen Rahmenbedingungen, die von den Autor:innen angenommen werden.

    • @Zangler:

      Im Allgemeinen sehen Landwirte ihre Aufgabe darin, Lebensmittel zu erzeugen. Davon leben je Betrieb 140 Menschen. Von AgriPV lebt niemand., auch nicht von Schilf.

      Warum denken die Leute eigentlich immer, es sei völlig ok, wenn die Bauern für diese, jene und noch mehr Einschränkungen nur genug Geld bekämen?

      Ist das irgendwie abhanden gekommen, dass man Geld nicht essen kann?

  • @SURYO

    Bitte, bedienen Sie sich:

    www.ise.fraunhofer.../agrivoltaics.html

    • @tomás zerolo:

      Okay, danke. Aber wie gesagt: die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, also eines "wilden" Moors mit den spezifischen Faunen- und Florenelementen, ist das eher nicht.

  • Photovoltaikanlagen über Mooren? Wie muss man sich das vorstellen? Brauchen Moorpflanzen nicht typischerweise eher viel Licht und würde ihnen das nicht durch die Solarpaneele genommen? Oder geht es hier nicht um Renaturierung bzw. Wiederherstellung von Mooren, sondern nur um die Vernässung des Bodens zwecks CO2-Speicherung?

  • PV drüber bauen ist wohl mittlerweile teils erforderlich um überhaupt wiedervernässen zu können. Es kann nämlich mittlerweile auch mal sein dass es für eine vernässung garkein Wasser mehr gibt

    • @Jasmin Reeh:

      Stimmt! PV spendet Schatten. Und Schatten wird in Zukunft sehr viel gebraucht.



      Schon heute gedeihen Gemüse und Kartoffeln in heißen Sommer besser unter (Teil-)Abschattung.



      PV könnte auch den Riesling an der Mosel retten. Dort steigt man bereits auf Sorten aus Südeuropa um.

  • Die Durchschnittliche Größe eines Landwirtschaftlichen Betriebes in SH ist 78 Hektar, also bräuchte man für 900 Betriebe eine Fläche von 70200 Hektar, über 10% der gesamten Landwirtschaftlichen Nutzfläche von SH. Also KANN es keine Umsiedelung geben sondern nur die Zerstörung dieser Betriebe.

    • @Günter Witte:

      Dennoch bedeutet das das Ende des herkömmlichen Betriebes und nicht der Landwirte, wie die taz "untertitelt".



      ("Die Wiedervernässung von Mooren in Schleswig-Holstein könnte viel CO2 einsparen, aber auch das Ende einiger Landwirte bedeuten")



      Alternative: umsatteln



      Aus badische-zeitung.de



      "Landschaftserhaltungsverband wird gegründet



      Bauern als Landschaftsschützer"

      • @Martin Rees:

        Ich habe diese Zahlen nur im Bezug zu dem Artikel genommen, weil die 900 Hektar eigentlich eh nicht interessieren. Jeden Tag werden in Deutschland über 50 Hektar für Straßen und Siedlungen zerstört, die 900 Hektar werden in unter 3 Wochen jedes Jahr zerstört.

    • @Günter Witte:

      Die werden aufgekauft, zerstörung ist da übertriebener Populismus. Generell wird zuviel Fleisch konsumiert und daher kann man die Landwirtschaft durchaus ein wenig runterfahren, 10% ist dabei echt nicht viel wenn man im Gegensatz viel CO2 bindet und Natur zurückgewinnt.

      • @Machiavelli:

        Deutschland ist Nettoimporteur bei Lebensmitteln. Jedes "runterfahren" bei uns kostet anderer Länder und Menschen Fläche.

      • @Machiavelli:

        Würden Sie auch so großzügig zustimmen wenn Sie einer der betroffenen Betriebe währen ?? Außerdem hat Deutschland eine Landwirtschaft die mit das wenigste CO2 pro Einheit Weltweit erzeugt. Die Weltbevölkerung wächst und wächst, also steigt auch die Nachfrage ( auch nach Fleisch ), dann werden Getreide, Milch und Fleisch unter viel ungünstigeren Vorzeichen hergestellt. Natürlich passt dann die Deutsche Bilanz, nur Weltweit wird es zum Bumerang !!

  • Billiger als durch eine staatlich finanzierte Umsiedlung kommt kein Landwirt in Deutschland an zukunftssichere Nutzfläche.

    Denn die Wiedervernässungsflächen müssen zwangsläufig einen bereits jetzt so hohen Grundwasserspiegel haben, dass ihre langfristige Nutzbarkeit fraglich ist: nach Starkregen steht dort halt erst mal das Wasser; schon jetzt immer wieder, und in Zukunft wohl noch öfter.

    • @Ajuga:

      Interessant! WO liegen diese Flächen denn, und wem gehören sie derzeit?



      Da hört man immer vom Kampf um jeden m² und irrwitzigen Pachpreisen, und dabei haben wir Fläche satt.... ? Wo?