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Studie zur KlimakriseNoch 3 Jahre, bis 1,5 Grad unvermeidlich sind

Emittiert die Welt Treibhausgas weiter wie bisher, ist bald so viel CO2 in der Atmosphäre, dass das Pariser Klimaziel dauerhaft überschritten wird.

Die steigenden Temperaturen machen auch der Gewässerqualität zu schaffen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Berlin taz | Die Messreihe auf dem Mauna Loa begann 1958. Die Lage des Laboratoriums auf dem 4.170 Meter hohen Vulkan auf Hawaii ist ideal für atmosphärische Untersuchungen: Die nächsten Industrieschlote sind tausende Kilometer weit weg. Damals maßen die Wissenschaftler 15 Teile Kohlendioxid pro Million Teile Luft. 1970 waren es 324 „parts per million“, abgekürzt ppm. Jahr für Jahr stieg die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, aktuell liegt sie bei 429,93 ppm. Im vergangenen Jahr war es 1,6 Grad zu warm.

Ein neuer Bericht kommt nun zu dem Schluss, dass die Konzentration bereits in drei Jahren so hoch sein wird, dass ein Anstieg der globalen Lufttemperatur um 1,5 Grad durchschnittlich über das Niveau der vorindustriellen Zeit wahrscheinlich nicht mehr zu vermeiden ist. Dann ist die Menge an CO2 in der Atmosphäre erreicht, bis zu der die Wissenschaft davon ausgeht, dass es zumindest noch eine Fifty-fifty-Chance gibt, dass die Erderhitzung bei 1,5 Grad Halt macht.

Will man sich nicht auf die Münzwurfwahrscheinlichkeit verlassen und immerhin eine 66-prozentige Wahrscheinlichkeit haben, die 1,5-Grad-Marke nicht dauerhaft zu knacken, ist die zulässige CO2-Menge noch geringer. Emittiert die Welt im bisherigen Tempo weiter Treibhausgas, reicht das Budget der neuen Untersuchung zufolge für weniger als zwei Jahre.

Der Report „Indicators of Global Climate Change“ wurde von einem internationalen Forscherteam erstellt und enthält eine Sammlung der wichtigsten Daten und Kennzahlen zur globalen Erwärmung. „Wir orientieren uns dabei so eng wie möglich an den Methoden des Sechsten Sachstandsberichts (AR6) des IPCC“, schreiben die Autoren.

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Ursprünglich hatten sich die Staaten der Klimarahmenkonferenz 2015 mit dem Paris-Protokoll verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, „den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“. Im Vertrag steht auch die Begründung für genau diese Temperaturschwelle. Es wurde erkannt, heißt es im Artikel 2, „dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde.“

Diese gehen von sogenannten Kipppunkten aus: zentrale Teile des Klimasystems, darunter etwa die Eisschilde von Grönland und der Antarktis, die atlantische Ozeanzirkulation oder der Amazonas-Regenwald.

„Diese können höchst nicht-linear reagieren“, erklärt die Klimaforscherin Ricarda Winkelmann. „Wenn diese Systeme sich erst einmal in einem kritischen Zustand befinden, also nahe ihres Kipppunktes, reicht eine kleine Störung, wie zum Beispiel eine kleine Änderung in der Temperatur, aus, um weitreichende, teils unumkehrbare Folgen auszulösen“, so die Professorin für Klimasystemanalyse an der Universität Potsdam.

Das Eis schmilzt

Der grönländische Eispanzer – flächenmäßig viermal so groß wie die Bundesrepublik – ist bis zu 3.300 Meter hoch. Taut das Eis, fällt seine Oberkante nach unten in immer wärmere Schichten. Der Tauprozess läuft bereits, in den vergangenen vier Jahrzehnten ging Eismasse auf einer Fläche von mehr als 5.000 Quadratkilometern verloren. Das ist doppelt so viel, wie das Saarland groß ist.

Taut der grönländische Eisschild komplett ab, steigt der Meeresspiegel um sieben Meter. Das hätte schwere Folgen für viele Orte weltweit, auch in Deutschland. Emden zum Beispiel liegt einen Meter hoch.

Die Erde erwärmt sich nicht gleichmäßig, an den Polen verläuft der Temperaturanstieg deutlich schneller als am Äquator, „die Arktis erwärmt sich viermal schneller als der Rest des Planeten“, sagt Julienne Stroeve, Professorin am National Snow and Ice Data Center in den USA. In diesem Februar lag die Temperatur am Nordpol mitten im arktischen Winter über dem Gefrierpunkt.

Das hat auch Auswirkungen auf unser Alltagsleben, wie eine weitere soeben erschienene Studie zeigt: Unsichtbare Staus am Himmel sind in den letzten Jahren dreimal häufiger geworden. Es geht um Starkwinde in der Stratosphäre, den „Jetstream“ beispielsweise, der wegen der Erdrotation von West nach Ost mit Geschwindigkeiten von teils mehr als 500 Stundenkilometern in ziemlich gleichmäßigen Wellen um den Globus mäandert. Angetrieben wird er von den Temperatur- und Druckunterschieden zwischen Tropen und Polen, seine Wellenbewegung bringt nach einem Tiefdruckgebiet ein Hoch und dann wieder ein Tief und so weiter.

Jetstream verliert an Kraft

Wenn die Temperatur an den Polen aber immer wärmer wird, verliert der Jetstream seine Kraft. Wetterextreme sind die Folge, der Extremsommer 2018, die extreme Hitze in Deutschland im Juli 2019 mit Temperaturen von über 40 Grad, das Ahrtalhochwasser 2021, aber auch der ungewöhnlich kalte Winter 2009/10.

Ein Team um Xueke Li und den renommierten Klimaforscher Michael Mann von der University of Pennsylvania haben nun globale Wetterdaten aus der Zeit von 1950 bis heute mithilfe neuer Analysemethoden ausgewertet. Zusätzlich untersuchten sie, wie oft die atmosphärischen Winde blockiert wurden. Ergebnis: Extremwetter haben sich in den letzten 70 Jahren von durchschnittlich einmal pro Jahr auf dreimal erhöht.

Aktuell tagt die Klimadiplomatie in Bonn, um den Fahrplan für ihre Verhandlungen in diesem Jahr festzulegen. Beobachter sprechen von zähen Gesprächen. Durchschnittlich messen sie auf dem Mauna Loa, dass pro Jahr 2 ppm Treibhausgase hinzukommen: Erreicht die Konzentration 450 ppm, wird auch das 2-Grad-Ziel gerissen. Schreibt sich die aktuelle Entwicklung so fort, wäre das 2035.

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8 Kommentare

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  • "Ein neuer Bericht kommt nun zu dem Schluss, dass die Konzentration bereits in drei Jahren so hoch sein wird, dass ein Anstieg der globalen Lufttemperatur um 1,5 Grad durchschnittlich über das Niveau der vorindustriellen Zeit wahrscheinlich nicht mehr zu vermeiden ist. " Nimmt man jetzt noch die Trägheit der Gesellschaft bei Transformationen dazu und schaut sich an wer gerade am längeren Hebel sitzt, dann wird aus wahrscheinlich eher ein höchst wahrscheinlich.

    Die Zahl der durch Hitze bedingte Todesfälle wird vermutlich auch steigen, das war zumindest ein Trend im letzten Jahrzehnt



    "de.statista.com/st...it-in-deutschland/"



    Spannend belibt die Frage ab wann wirkt sich das "positiv" für die Rentenkasse aus ?

    Und am Ende kommt die Frage "Warum genießt du das tolle Wetter nicht ? "

  • Was für ein Unsinn und eine Realitätsverweigerung. Die 1,5 Grad sind längst gerissen. Ich empfehle die Vortragsreihe von Mark Benecke " Time Is Up" die regelmäßig aktualisiert wird.

  • Genauer gesagt ist die Aussage, "dass die Konzentration bereits in drei Jahren so hoch sein wird, dass ein Anstieg der globalen Lufttemperatur um 1,5 Grad durchschnittlich über das Niveau der vorindustriellen Zeit wahrscheinlich nicht mehr zu vermeiden" wäre, selbst dann, wenn nach den drei Jahren jegliche Emissionen bzw. jeder weitere Anstieg des CO2-Gehalts unterbleiben würden.

    Ein abrupter Rückgang von 100% auf Null ist aber ausgeschlossen. Wir haben genaugenommen sechs Jahre Zeit, um in den jedem Jahr die Emissionen um ein Sechstel des Ausgangswertes zu reduzieren. Und zwar global. Zu Beginn der Ampelkoalition vor drei Jahren hätte noch ein Zwölftel jedes Jahr gereicht.

  • Trotz, oder wegen der Klimakrise



    Urlaub - „Ich reise gern – habe schon 80 Länder besucht.“



    „Urlaub ist Freiheit.“



    Oder: „Nur ein verlängertes Wochenende – ich muss einfach mal raus.“



    Rund 70 % der Deutschen machen regelmäßig Urlaub oder planen ihn. Viele träumen von Fernreisen – und übersehen dabei, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft Menschen aus über 120 Nationen leben.



    Urlaub ist längst mehr als Erholung – er wird als Symbol von Freiheit inszeniert: auf Kreuzfahrten, oft in ehemaligen Kolonien oder Ländern, aus denen andere fliehen mussten.

    Zum deutschen Glück gehören scheinbar drei Dinge: Auto, Urlaub, Eigenheim.



    Das Auto – mit Vergaser und viel PS.



    Der Urlaub – am liebsten dorthin, wo man schon war.



    Das Eigenheim – selbstverständlich ohne Wärmepumpe, aber mit Weber-Profigrill, Partyzelt und aufblasbarem Pool im Garten.

    Und selbstverständlich: Die Erbschaft – das eigentliche Fundament für den Einstieg ins gute Leben.

    Schönes Wochenende.

  • Keine Sorge, haben wir morgen schon wieder vergessen

    • @TV:

      und zu ende gelesen hab ich es auch nicht, weil auch schon zum 1000ten mal im genauen wortlaut



      unser suizidales mantra gib uns heute

  • Trump will Grönland. Er nimmt den Klimawandel in Kauf. Er macht halt "einen Deal mit dem neuen Klima". Er will Mar al Lago nach Grönland verlegen, wenn es in Florrida zu heiß wird.



    Der arme Kerl: Schmilzt der Eisschild Grönlands schnell weg, wird das Land hunderte Jahre lang von vielen vielen Erdbeben erschüttert, weil zusammengepresste Bodenschichten unter dem Eis dann eben ohne die trilliarden Tonnen schwere Eislast in Bewegung geraten. Grönland wird ohne Eis noch unbewohnbarer als mit!

    • @Uwe Kulick:

      Wenn Grönland zu den USA kämen, müssten sie jedenfalls für die überschwemmten Gebiete an den Meeresküsten Schadenersatz leisten, denn sowohl das getaute Wasser wie ein großer Teil des Grundes für sein Abtauen kämen dann aus den USA.