Studie zum Mangel an Sozialwohnungen: „Der Staat ist erpressbar“
Die Zahl der Sozialwohnungen schrumpft. Das hat Folgen für die Staatsfinanzen, zeigt eine Studie. Der Staat bezuschusse oft überhöhte Mieten.
Der Gesamtbestand staatlich bezuschusster Wohnungen hat sich in diesem Zeitraum also fast halbiert. Ein Trend, der sich seit Jahren abzeichnet.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt wird damit insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen immer prekärer. Grob die Hälfte der Miethaushalte habe „vom Einkommen her die Berechtigung, in einer Sozialwohnung zu wohnen“, sagt der Studienleiter Günther.
Das Bündnis Soziales Wohnen geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 bundesweit 2 Millionen Sozialwohnungen nötig sind. Demnach müssten also noch 910.000 Sozialwohnungen geschaffen werden.
Die Studie „Bauen und Wohnen 2024 in Deutschland“ zeigt nicht nur, wie der soziale Wohnungsbau in den einzelnen Bundesländern vernachlässigt wurde – besonders viele Sozialwohnungen fehlten demnach in Baden-Württemberg (Lücke: rund 206.000 Wohnungen), Bayern (rund 195.000), Berlin (rund 131.000) und Niedersachsen (rund 109.000).
Staat zahlt überteuerte Mieten
Sie richtet den Blick auch auf ein bisher unterbeleuchtetes Thema: wie viel Geld der Staat für Mieten ausgibt, indem er diese zum Beispiel für Bürgergeldberechtigte übernimmt oder Menschen mit niedrigem Einkommen durch Wohngeld unterstützt. Und in welchem Verhältnis steht das eigentlich zu den Ausgaben im sozialen Wohnungsbau?
„Um bedürftigen Haushalten das Wohnen überhaupt noch zu ermöglichen, ist der Staat mittlerweile gezwungen, stetig steigende Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt zu akzeptieren“, erklärt Günther. Dadurch seien „staatliche Ausgaben für das Wohngeld und für die Kosten der Unterkunft geradezu explodiert“. Sprich: Weil Sozialwohnungen fehlen, zahlt die öffentliche Hand oft völlig überhöhte Mieten.
Davon profitierten vor allem Vermieter, kritisiert Günther und nennt München als Beispiel: Hier zahlten die Jobcenter im Juni 2022 laut der Studie 19,20 Euro pro Quadratmeter. Die Durchschnittsmiete lag 2022 bei nur 12,8 Euro pro Quadratmeter. Bundesweit habe der Staat demnach pro Jahr rund 700 Millionen Euro mehr übernommen, als die Miete durchschnittlich gekostet habe, rechnet die Studie hoch. Günther fasst das so zusammen: „Der Staat ist erpressbar, weil er Mieten in Kauf nehmen muss.“
Im Jahr 2022 habe der Fiskus demnach erstmals mehr als 20 Milliarden Euro zur Unterstützung von Wohnen für Bedürftige ausgegeben: davon 15 Milliarden Euro für die Unterkunft, die die Job-Center übernehmen, und mehr als 5 Milliarden Euro für das Wohngeld.
Zum Vergleich: Die Ausgaben von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau lagen in den letzten Jahren unter 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, so die Studie. „Die Sozialausgaben fürs Wohnen sind damit 8-mal so hoch wie die zur Förderung des Neubaus von Sozialwohnungen“, kritisiert Günther das Missverhältnis.
Bundesbauminsterin findet Studie unseriös
Immerhin hat der Bund kürzlich bekannt gegeben, dass die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau und das Programm „Junges Wohnen“ von bisher 2,5 Milliarden auf 3,15 Milliarden Euro im Jahr 2024 erhöht werden. Die Länder haben sich zudem verpflichtet, diese Summe kozufinanzieren. Insgesamt kommen Bund und Länder für das Jahr 2024 auf mindestens 4,16 Milliarden Euro für den Sozialen Wohnungsbau.
Aus Sicht von Soziales Wohnen reicht das aber nicht aus, das Bündnis fordert seit Längerem ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau.
Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, mahnt zudem an, dass es ein „effektives Mietrecht“ brauche. Es sei nötig, „die Mieten für einige Jahre einzufrieren“.
Die Studie offenbare „das Versagen der Wohnungspolitik der Bundesregierung“, kommentiert Linken-Politikerin Caren Lay gegenüber der taz. Sie unterstütze die Forderung eines Sondervermögens für den sozialen Wohnungsbau. Daneben brauche es dringend eine neue Wohngemeinnützigkeit. Nur diese könne „den Teufelskreis durchbrechen, dass geförderte Sozialwohnungen wieder aus der Bindung fallen“, kritisiert Lay.
Auch aus den Regierungsparteien kommen selbstkritische Töne. Die Studie frage zu Recht, ob „an der richtigen Stelle“ investiert werde, sagt Grünen-Politikerin Hanna Steinmüller der taz. „Statt jedes Jahr steigende Mieten mit Milliarden Euro zu subventionieren in Form von Wohngeld und Kosten der Unterkunft“ müssten mehr neue bezahlbare Wohnungen durch sozialen Wohnungsbau und die neue Wohngemeinnützigkeit geschaffen werden.
Anders sieht es hingegen die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). „Ich persönlich halte die Studie für hochgradig unseriös und zweifle die Analysen an – denn diese sind teilweise völlig absurd“, erklärt sie am Dienstag. Dennoch sei richtig, „dass wir in Deutschland viel zu wenig Sozialwohnungen haben – eine Folge von zwei Jahrzehnten fehlender Gelder für den sozialen Wohnungsbau.“
Geywitz warnt zudem vor einem Sondervermögen für den sozialen Wohnungsbau. „Der Bau von Sozialwohnungen ist eine Kernaufgabe des Staates und gehört auch in den ordentlichen Haushalt“, so die Bauministerin. Die Bundesregierung hatte 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr versprochen, aber 2022 wurden nur 22.545 neue Sozialwohnungen fertiggestellt.
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