Studie zu finanziellen Reserven: Die wirtschaftliche Freiheit
Krankheit muss man sich leisten können. Die obersten 10 Prozent können einen Ausfall zwölf Jahre überbrücken. Die untersten haben keine Reserven.
![Eine DDR-Platte Eine DDR-Platte](https://taz.de/picture/2387220/14/19132382.jpeg)
Die Wissenschaftler berechneten, wie lange das Vermögen eines Haushalts ausreicht, wenn dieser trotz eines Komplettausfalls aller Einkünfte sein Ausgabenniveau beibehält. In den beiden unteren Dezilen, den ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung also, existiert demnach überhaupt kein finanzieller Puffer. Im dritten Dezil beträgt er drei Monate, im fünften wird dann der Medianwert von 23 Monaten erreicht. Danach geht es zunehmend steiler bergauf. Die oberen 10 Prozent könnten ihren Lebensstandard im Durchschnitt immerhin zwölf Jahre und neun Monate halten, die oberen 5 Prozent sogar 21 Jahre.
Signifikante Unterschiede gibt es allerdings zwischen den verschiedenen Haushaltstypen. Singles und Alleinerziehende sind deutlich schlechter abgesichert als Paare mit und ohne Kinder. Und generell sind die Vermögen im Westen wesentlich höher als im Osten, vor allem durch Immobilienbesitz.
Für WSI-Direktorin Anke Hassel, die die Studie am Dienstag in Berlin vorstellte, zeigen die Ergebnisse die „enormen gesellschaftlichen Dimensionen der ohnehin ungerechten Vermögensverteilung“. Vermögen bedeute Freiheit und eröffne „Wahlmöglichkeiten in der Lebensgestaltung“, die großen Teilen der Bevölkerung vorenthalten würden.
Immobilien fürs Alter fördern?
Als Konsequenz fordert das WSI neue Formen der Vermögensbildung für den „unteren Mittelstand“, also jene 30 Prozent, die im dritten bis fünften Dezil der Einkommens- und Vermögenspyramide angesiedelt sind. Im Fokus steht dabei die gezielte Förderung des Erwerbs von Wohneigentum durch zinsgünstige Darlehen, Zuschüsse und Steuererleichterungen.
Dies, so Hassel, entspreche auch „dem Wunsch vieler Familien nach einem eigenen Haus oder einer eigenen Wohnung“. Immobilienbesitz biete zudem ein hohes Maß an Sicherheit, sowohl für die Altersvorsorge als auch für die Lebensgestaltung, die besonders in Ballungsräumen durch explodierende Mieten zunehmend bedroht sei. Daher sei eine entsprechende Förderpolitik auch ein gutes Instrument gegen die gerade in der unteren Mittelschicht weit verbreiteten Abstiegsängste.
Den Einwand, dass auf diese Weise auch die sich bereits abzeichnende Spekulationsblase auf dem deutschen Immobilienmarkt weiter befeuert würde, ließ Hassel nicht gelten. Schließlich sei die Wohneigentumsquote im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch „extrem gering“. Die WSI-Direktorin räumte allerdings ein, dass die als arm oder armutsgefährdet geltenden Menschen in den beiden unteren Dezilen mit derartigen Programmen nicht erreicht würden, da sie nicht über die notwendigen Ressourcen für einen Immobilienkauf verfügten. Daher müssten sozialer Wohnungsbau und Mietpreisbegrenzung im Bestand weiterhin hohe Priorität haben, wie auch die „armutsfeste Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche