Studie zu Klimapolitik: Wenn Einsicht in Wut umschlägt
Die Menschen sorgen sich um die sozialen Folgen der Klima-Transformation: Mangelnder sozialer Ausgleich gefährdet den Umbau.
D iese Botschaft sollten der selbsternannte Klimakanzler Olaf Scholz und sein Regierungsteam sehr ernst nehmen: Die überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland sieht angesichts der Klimakrise großen politischen Handlungsbedarf – aber die allermeisten sorgen sich gleichzeitig um eine angemessene soziale Abfederung. Die Umfrage im Auftrag des Umweltbundesamts wurde im vergangenen Sommer gemacht, auf dem Höhepunkt der Energiepreiskrise, nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und während der Pandemie.
Nach der Debatte über das Heizungsgesetz dürften die Sorgen um den sozialen Ausgleich noch viel größer sein. Wenn die Regierung den Bürger:innen diese Furcht nicht nehmen kann, wird die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen schmelzen. Der Präsident des Umweltbundesamts fordert mit Blick auf die Umfrageergebnisse, dass bei jeder klimapolitischen Maßnahme das Soziale von Anfang an mitgedacht werden muss. Ja, natürlich muss das so sein. Dass das in einer Regierung, in der auch SPD und Grüne sitzen, nicht selbstverständlich ist, ist ein politischer Offenbarungseid für die beiden Parteien. Denn anders als die FDP beanspruchen sie für sich, die anstehende Transformation sozial zu gestalten.
Die Einsicht, dass der klimaneutrale Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft notwendig ist und auch eigene Veränderungen erfordert, schlägt in Wut und Verweigerung um, wenn Bürger:innen das Gefühl haben, sie allein sollen das finanziell stemmen, obwohl sie es nicht können. Und wenn sie gleichzeitig sehen, dass Energiekonzerne und richtig Reiche von Belastungen verschont oder sogar entlastet werden.
Begründete Furcht
Diese Furcht und dieser Ärger breiten sich bis weit in die Mitte der Gesellschaft aus. Die Regierung hat beim Umgang mit dem Heizungsgesetz gezeigt, dass sie dafür keine Antenne hat. Auch die nach langem Gerangel verbesserte Förderung für eine neue Heizung reicht für Menschen mit wenig und mittlerem Einkommen nicht.
Mit warmen Worten sind den Bürger:innen diffuse Ängste und eine begründete Furcht nicht zu nehmen. Dafür muss etwas Konkretes her, wie es das Klimageld sein könnte. Damit könnten Bürger:innen entlastet werden, wenn der CO2-Preis, wie derzeit vorgesehen, stark steigt. Durch die Erhöhung verteuert sich vieles, was Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen erheblich belastet. Doch das Projekt Klimageld kommt nicht voran, obwohl es im Koalitionsvertrag steht. Das Signal: Klimaschutz führt zu höheren Preisen, aber einen sozialen Ausgleich gibt es nicht. Wer so etwas macht, treibt die Gesellschaft auseinander.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“