Studie über Grundschulkinder: Bildungsmisere mit Ansage

Eine neue Studie offenbart große Wissenslücken bei Viertklässler:innen. Das Problem beginnt schon in den Kitas, dort muss die Politik handeln.

Schüler am Morgen in der Grundschule Feldstraße im Unterricht zusammen, im Vordergrund steht ein Abacus

Zu viele Kinder können in der 4. Klasse nicht gut lesen, rechnen oder schreiben Foto: Oliver Berg/dpa

So selbstkritisch wie an diesem Montag erlebt man die Bil­dungs­mi­nis­te­r:in­nen nicht alle Tage. Normalerweise loben sie bei Bildungsstudien auch mittelmäßige Ergebnisse – schließlich steigt ja die Heterogenität in deutschen Klassenzimmern. Und wer bei erschwerten Bedingungen gleiche Leistungen zeigt, hat sich doch wacker geschlagen!

Dieses Mal jedoch wollen die Verantwortlichen keine mildernden Umstände gelten lassen, nicht mal die Pandemie. Zu eindeutig hat der IQB-Bildungstrend die Bildungsmisere an Grundschulen offengelegt. Entsprechend der Tenor aus den Ländern: Nicht hinnehmbar, wie viele Viert­kläss­le­r:in­nen mittlerweile nicht mehr richtig lesen, schreiben oder rechnen können! Nicht akzeptabel, dass die Schere bei der Bildungsungleichheit weiter aufgeht!

Nur – was folgt aus der Erkenntnis? Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) Karin Prien, CDU, jedenfalls verspricht die Leh­re­r:in­nen­aus­bil­dung zu verbessern, um die „richtigen Rezepte“ für einen modernen integrativen Grundschulunterricht zu finden. Im Dezember soll der KMK ein entsprechendes Gutachten vorliegen.

Das ist sicher nicht verkehrt. Mindestens genauso wichtig wäre allerdings, die Probleme (ungleiche Bildungschancen, Förderbedarf bei der deutschen Sprache) bereits viel früher anzugehen – nämlich bereits in den Kitas. Dass in der frühen Bildung die Weichen für die Chancengleichheit gelegt werden, betonen Bil­dungs­for­sche­r:in­nen seit Jahren. Dennoch sind Kitas in Sachen Ausstattung und Bezahlung bis heute so unattraktiv, dass viele Fachkräfte nach kürzester Zeit wieder weg sind.

Das unwürdige Hin und Her mit der Finanzierung der Sprachkitas zeigt, wie wenig Wertschätzung das Kitapersonal vonseiten der Politik bis heute erfährt, allen Sonntagsreden zum Trotz. Erst wenn die Wertschätzung auch finanziell spürbar ist und die Arbeitsbelastung sinkt, wird sich die Personallage in Kitas entspannen. Und erst dann werden die Kitas ihrem Auftrag, die Bildungsungleichheit möglichst früh auszugleichen, voll nachkommen können.

Was nicht heißt, dass die Bil­dungs­mi­nis­te­r:in­nen völlig machtlos sind. Hamburg beispielsweise, das beim IQB-Bildungstrend noch verhältnismäßig gut abgeschnitten hat, testet bei jedem Kind im Alter von viereinhalb Jahren die Sprachkenntnisse – und fördert die Kinder entsprechend weiter. Kostenlose Nachhilfe inklusive. Es wäre ein Leichtes, dies zum bundesweiten Standard zu machen – wenn nur alle Länder wollten. Eine andere sinnvolle Maßnahme ist, Schulen mit Hilfe sozialer Daten nach ihren tatsächlichen Bedarfen auszustatten, wie es beispielsweise Hessen oder NRW schon machen.

Davon kann übrigens auch der Bund lernen, wenn er Gelder verteilt. Beim Programm „Aufholen nach Corona“ werden die Mittel nach Einwohnerzahl verteilt – nicht nach der sozialen Lage der Kinder. Auch das ist ein Grund, warum das Programm bisher nicht wirklich geholfen hat, die Lernlücken zu schließen.

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Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

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