Stromnetz wird nicht verstaatlicht: Chance für die Energiewende verpasst
Der Kauf von Tennet, einem Mitbetreiber der Nord-Süd-Stromtrasse, durch den Staat ist geplatzt. Das ist keine gute Nachricht für die Energiewende.
D er Verkauf des Stromnetzbetreibers Tennet an den deutschen Staat ist gescheitert. Das ist keine gute Nachricht. Denn alles, was die Modernisierung und den Ausbau der Stromnetze weiter verschleppt, verzögert auch die Energiewende. Die voranzutreiben wäre viel einfacher, wenn der deutsche Staat stärkeren Zugriff auf die Netze hätte. Doch der freidemokratische Finanzminister Christian Lindner will dafür kein Geld ausgeben. Das ist ein riesiger Fehler. Die rot-grün-gelbe Bundesregierung vertut eine große Chance.
Das niederländische Unternehmen Tennet gehört zu den Betreibern der Nord-Süd-Stromtrassen, die für das Gelingen der Energiewende mitentscheidend sind. Tausende von Kilometern neuer Leitungen müssen gebaut werden, um den im Norden sauber erzeugten Strom in den Süden zu transportieren.
Das kostet sehr, sehr viel Geld. Der Investitionsbedarf von Tennet in Deutschland soll bei mehr als 100 Milliarden Euro liegen. Eigentümer ist der niederländische Staat. Dass der nicht einsieht, warum er solch hohe Summen in das deutsche Stromnetz stecken soll, erscheint nachvollziehbar. Weil der Investitionsbedarf so hoch ist, sollte das Unternehmen an die Bundesrepublik abgegeben werden.
Aber: Die Gewinne in Form von Netzentgelten wurden bislang gern mitgenommen. Das zeigt: Staatskonzerne gehen bei Aktivitäten in der Nachbarschaft genauso vor wie private Unternehmen: Gewinne mitnehmen, Kosten auf die Allgemeinheit verteilen.
Tennet soll privatisiert werden
Nachdem die Verhandlungen gescheitert sind, soll Tennet jetzt ganz oder teilweise an private Investoren verkauft werden, auch ein Börsengang ist im Gespräch. Nach Angaben der niederländischen Regierung unterstützt die deutsche Ampel diese Pläne. Das ist keine gute Idee. Das Stromnetz ist Teil der existenziellen Infrastruktur. In vielen Ländern, etwa in Frankreich, ist es deshalb komplett in Staatsbesitz.
Die einstige Privatisierung des Stromnetzes in Deutschland ist offensichtlich gescheitert. Ansonsten wären die Leitungen in einem besseren Zustand. Weil die Netze nicht ausreichend ausgebaut wurden, werden heute Windräder abgestellt.
Interessant für private Investoren ist das deutsche Stromnetz nur, wenn es Profite abwirft. Und die müssten die Verbraucher:innen in Form stark steigender Strompreise finanzieren. Dabei sind für viele Privatleute, Gewerbe und Industrie die Strompreise schon jetzt zu hoch, auch wegen der Netzentgelte. Für den Klimaschutz wären höhere Stromkosten fatal, denn zum Beispiel der Betrieb von E-Autos oder Wärmepumpen würde viel teurer. Die Akzeptanz würde noch weiter sinken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?