Streitgespräch zum Görlitzer Park: „Mir fehlt bei euch die Empathie"
Manche Park-Anwohner fühlen sich von Drogendealern belästigt, Flüchtlingsunterstützer fordern von den Nachbarn mehr Solidarität. Die taz holt beide Seiten an einen Tisch.
taz: Lorenz und Martin, ihr habt eine Anwohnerinitiative gegründet wegen der vielen Drogenverkäufer und ihrer Kunden, die den Görlitzer Park dominieren. Seit zwei Wochen sind im Park kaum noch Dealer, dafür aber viel Polizei. Ist es das, was ihr wolltet?
Lorenz: Im Moment ist von den Afrikanern kaum jemand zu sehen. Auch wenig andere Leute sind unterwegs. Dazu das abgeholzte Gebüsch, das den Park kahl macht. Trotz einer gewissen Erleichterung, dass es nicht so voll ist: Das ist nicht, was wir wollten.
Marius und Karin, ihr setzt euch für Flüchtlinge ein, auch für die im Park. Wie nehmt ihr die Situation wahr?
Marius: Wenn ich durch den Park laufe, ist da eine Totenstille. Es macht mich wütend und traurig, dass eine ganze Gruppe von Menschen vertrieben wurde. Ich weiß nicht, ob Anwohner das meinten, als sie sagten, sie wollten den Park „zurückerobern“.
Martin: Davon haben wir nie gesprochen. Es geht nicht um einen Territorialkonflikt. Wir wollen, dass sich alle irgendwie okay fühlen. Dass wir einen Weg finden, miteinander umzugehen, ohne dass einer komplett auf der Strecke bleibt. Ein Aushandeln, aber auch ein Aushalten. Es ist doch klar: Die Dealer tauchen woanders wieder auf. Die Flüchtlinge stellen ein globales Problem dar, man wird sie nicht durch Verdrängung beseitigen können.
Wer blieb eurer Meinung nach bislang auf der Strecke im Park?
Martin: Eine ganze Reihe von Gruppen fühlt sich in ihren Rechten beschnitten. Es gibt Frauen und Familien, die sich darüber beklagen, dass sie sich im Park nicht unbeschwert aufhalten können.
Marius: Moment, das möchte ich in Relation setzen. Wie stark sind erst die Menschen in ihren Rechten beschnitten, die im Park Gras verkaufen, weil sie kaum eine andere Möglichkeit haben? Die Geflüchteten sind nicht das Problem, sondern ihre systematische Entrechtung!
Marius, 32 und Karin, 59, sind Mitglieder des Bündnisses United Neighbours, das politische Flüchtlingsarbeit macht.
Lorenz, 61, und Martin, 60, haben eine Anwohnerinitiative für einen "Park für alle" gegründet, die zuletzt neuen Zulauf hatte. www.ai-gp.de
Karin: Die Menschenrechte sind universell. Meine Rechte sind auch ihre Rechte. Die Geflüchteten haben aber weniger Rechte als ich oder du.
Lorenz: Ich höre einfach von vielen Leuten, dass sie nicht mehr in den Park gehen, weil sie keinen Bock drauf haben, angesprochen zu werden. Wir wollen, dass auch die sich im Park wieder wohlfühlen. Uns geht es nicht darum, die Dealerei zu beenden, sondern bestimmte Verhaltensweisen zu verändern, die an den Drogenverkauf gekoppelt sind. Dass die Leute nicht mehr so eng an den Eingängen stehen. Dass keine Kinder angesprochen werden, möglichst auch keine Frauen. Wenn an drei oder vier Stellen Gras verkauft wird, das würde in Kreuzberg niemanden interessieren.
Wenn es um weniger Dealer ginge, müsstet ihr es jetzt doch gut finden im Park …
Lorenz: Nein, jetzt wird bei uns im Hauseingang gedealt. Mein Sohn wusste letztens gar nicht, wie er an die Tür kommen sollte.
Karin: Meine Wahrnehmung vom Park ist eine ganz andere als eure. Ich habe vier Enkelkinder, die gehen ausgesprochen gerne mit mir dorthin und sprechen auch gerne mit den Leuten. Die wohnen in einem anderen Bezirk, der ist nicht so bunt.
Marius: Für mich gehören die, die Gras verkaufen und in einem Treppenaufgang schlafen müssen, genauso zu den Anwohnern. Wenn jemand sagt, ich finde es unangenehm, wenn ich angesprochen werde, muss man das doch in Relation setzen zur Situation derer, die ansprechen. Die stehen den ganzen Tag da rum, damit sie sich abends was zu essen kaufen können. Wenn man ernsthaft etwas an der Situation ändern möchte, muss man sich auch mit den Ursachen beschäftigen: Der Großteil der Leute, die im Park verkaufen, hat überhaupt keine legale Möglichkeit, sich Geld für Nahrung und Unterkunft zu beschaffen. Mir fehlt bei euch die Empathie für die Geflüchteten.
Lange verkauften Flüchtlinge im Görlitzer Park ihr Gras, ohne dass es Ärger gab. Sie waren eine Gruppe von Parknutzern neben anderen. Seit einigen Jahren steigt aber die Zahl der Dealer deutlich. Seitdem häufen sich die Beschwerden von Anwohnern. Als eine Kitagruppe auf einem Spielplatz Kokainkügelchen ausbuddelte, sorgte das bundesweit für Schlagzeilen.
Im Juni wollten Anwohner eine Initiative gründen für einen "Park für alle". Sie konnten ihr Anliegen aber gar nicht erst äußern: Flüchtlinge, Unterstützer und andere Kritiker schrien sie nieder. Die Veranstaltung wurde abgebrochen.
Unter den Dealern war es schon häufiger zu Gewalt gekommen. Mitte November stach dann der Wirt einer Shisha-Bar in einem mutmaßlichen Akt von Selbstjustiz einen Dealer nieder. Zwei Flüchtlinge kamen schwer verletzt ins Krankenhaus, der Polizei wurde Versagen vorgeworfen. Daraufhin gründeten Senat und Bezirk eine behördenübergreifende "Taskforce", die Polizei vervielfachte ihre Einsätze.
Es liegt nicht in der Macht der Anwohner, den Flüchtlingen eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu verschaffen.
Marius: Aber es macht einen Unterschied, ob man nur mit der Situation vor Ort nicht einverstanden ist. Oder ob man die politische Struktur dahinter kritisiert. Das von euch zu wissen, würde mir eine Zusammenarbeit erleichtern.
Lorenz: Ich finde es schwierig, immer zu sagen, die Flüchtlinge hätten keine Alternative zum Drogenverkauf. Damit degradiert man die Männer im Park zu Opfern. Und nicht alle Dealer im Park sind Flüchtlinge. Der Einzelne hat immer einen Handlungsspielraum. Wir sagen auch nicht: Die Leute müssen weg. Sondern: Sie müssen sich in manchen Punkten anders verhalten.
Martin: Ich ärgere mich über die Unterstellung, wir hätten keine Empathie. Sicher, wir haben uns nicht für die Flüchtlinge, sondern aus Anlass der lokalen Konflikte gegründet. Wir wollen deeskalieren. Etwa dadurch, dass man interkulturell geschulte Sozialarbeiter im Park einsetzt.
Marius und Karin, was haltet ihr von dem Vorschlag?
Karin: Es käme mir nie in den Sinn zu sagen: Die sollen sich anders verhalten. Das ist mir zu normativ. Nach dem Motto: Wenn du in meiner Stube bist, hast du dich so zu verhalten, wie ich es sage. Ich denke, wir sollten voneinander lernen. Es gibt kulturelle Unterschiede, wie und wann wir uns einander nähern, das muss man aushandeln.
Marius: Wir konstruieren auch keine Opfer, sondern wollen Täterstrukturen sichtbar machen. Die deutsche Asylpolitik schließt systematisch eine ganze Gruppe von Menschen von Ressourcen und Möglichkeiten aus.
Heißt das in der Konsequenz, die Flüchtlinge dürfen alles, weil sie so arm dran sind?
Marius: Sie dürfen ja eben ganz viel nicht. Sie dürfen hier keine Wohnung mieten, nicht arbeiten, nicht zur Uni gehen, keine Ausbildung machen. Wenn ich frage: dürft ihr denn jetzt alles – dann heißt das, dass ich kein Bewusstsein habe für die Alltagswelt von jemandem, der nicht so privilegiert lebt wie ich.
Martin: Ich möchte nicht die Behauptung stehen lassen, dass ich mich nicht mit den Leuten unterhalte. Ich verstehe sehr wohl, welche Problematik die haben. Es ist natürlich kritisch zu beurteilen, wenn eine weiße Mittelschicht sagt, was die Regeln sind und anderen vorschreibt, sie habe diese einzuhalten. Aber uns geht es nicht darum. Wir wollen die Situation so entschärfen, dass alle davon profitieren.
Wie zum Beispiel?
Martin: Anlass für die letzten Konflikte war ja, dass die Dealer aus dem Blumentopf vor einer Shisha-Bar Zeug verkauft haben und der Betreiber das nicht wollte. Es schaukelte sich hoch, bis zur Messerstecherei. Aus dem migrantischen Milieu gibt es den Vorschlag, Bürgerwehren zu gründen. Da liegt Aggression in der Luft! Und da ist es nicht unsere Haltung zu sagen: Der blöde Dealer darf das nicht. Wir wollen vermeiden, dass der türkische Migrant auf den afrikanischen Migranten losgeht.
Es gab auch schon Aggressionen eines deutschstämmigen Wirtes. Marius und Karin, könnten Parkworker helfen, Konflikte zu vermeiden?
Karin: Sozialarbeiter sind etwas Erzieherisches, das gefällt mir nicht. Was den Umgang von Sozialarbeitern mit Wohnungslosen angeht, kenne ich mich ganz gut aus. Die nehmen oft ihr eigenes bürgerliches Lebensmodell als Maßstab dafür, wie Wohnungslose in Zukunft zu leben haben. Deshalb habe ich da Vorbehalte.
Kreuzberg steht bislang für Toleranz, für das Prinzip „leben und leben lassen“: Sind wir an einem Punkt angekommen, an dem das endet?
Lorenz: Toleranz kann zweierlei heißen: Eine achselzuckende Wurschtigkeit. Oder, dass jeder seine Rechte wahrnehmen kann. In Kreuzberg haben wir viel zu viel Wurschtigkeit. Und Angst. Es gibt viele Leute, die sich in diese Art Konflikte lieber nicht reinhängen. Weil sie die Auseinandersetzung zu heftig finden.
Vor was haben sie Angst?
Lorenz: Leute, die sich in der Vergangenheit zum Park geäußert haben, wurden bedroht. Es wurden Scheiben eingeschmissen, Autos angezündet. Wenn von Kreuzberg immer als einem Zentrum der Toleranz gesprochen wird, wäre ich vorsichtig. Toleranz hieße: Wir können miteinander reden. Und da haben wir in Kreuzberg ganz viel zu lernen. Weil stark in Kategorien gedacht wird: Sobald jemand nicht meiner Meinung ist, ist er ein Arschloch, mit dem ich tun und lassen kann, was ich will.
Karin: Angst ist ein Phänomen, das wir in vielen gesellschaftlichen Bereichen haben. Gerade in der Asylpolitik werden Ängste reproduziert, weil es ein hegemoniales Interesse an Schuldigen gibt. Nach dem Motto: Wenn „die“ weg sind, können wir besser leben. Finden wir einen Weg – und da ist Toleranz vielleicht gar nicht so schlecht – gemeinsam die Ursachen zu sehen? Es geht um die Voraussetzungen, unter denen wir ins Gespräch kommen. Das muss eine rassismus-und sexismusfreie Grundlage haben. Ansonsten reproduzieren wir nur die Rassismen dieser Gesellschaft.
Marius: Ich kenne viele, die vor dem Nato-Krieg in Libyen geflohen sind und ohne psychologische Unterstützung mit ihren Traumatisierungen leben müssen. Wenn die am Rad drehen und auf andere losgehen, wird das sofort generalisiert auf die Gesamtgruppe. Das ist ein Problem. Die asylpolitische Kategorisierung bietet einen Nährboden für Rassismus. Und wenn man von Angst spricht: Wissen wir, was es heißt, Angst zu haben, jederzeit festgenommen und deportiert werden zu können?
Noch mal zur Angst in der Kreuzberger Debatte: Im Wohnhaus der grünen Bürgermeisterin Monika Herrmann wurden Umzugskartons in den Flur gestellt und Parolen an die Wand gesprüht. Ein Bedrohungsszenario im privaten Raum, begründet mit Herrmanns Flüchtlingspolitik. Marius und Karin, wie steht ihr dazu?
Karin: Ich kann verstehen, dass Leute Monika Herrmann als Bestandteil eines Systems ansehen, das für sie strukturelle Gewalt ausübt. Es war auch kein Anschlag, es war eine politische Performance. Ihr Leben war nicht bedroht. Sie war nicht mal zu Hause.
Martin: Das Schloss war zugesprüht!
Karin: Es gab keine Gefahr für Leib und Leben.
Lorenz: Ja, aber woher soll ich wissen, wo da die Grenzen sind?
Karin: Man muss jetzt doch aber Henne und Ei benennen. Ohne die Zuspitzung der Situation durch die Bürgermeisterin wäre so eine Performance nicht denkbar gewesen. Ich würde das aber nicht so hoch hängen. Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative zum Aufeinanderzugehen.
In welcher Form?
Karin: Wir brauchen ein neues Modell: die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule als internationales Flüchtlingszentrum mit einem Bereich für Undokumentierte. Die halten mit ihrer Arbeitskraft diese Stadt am Laufen. Monika Herrmann ist eine Grüne. Ich habe die Hoffnung nicht verloren, dass wir uns mit ihr und allen aus der Nachbarschaft, die mit Flüchtlingen arbeiten, an einen Tisch setzen.
Eine Lösung für den Görlitzer Park muss auch eine Lösung für die Schule beinhalten?
Karin: Es bietet sich an, dieser Ort ist erkämpft worden. Dass die Undokumentierten da ihre Rechte wahrnehmen, finde ich großartig!
Wie seht ihr von der Anwohnerinitiative den Vorschlag für einen Runden Tisch zur Schule, wärt ihr dabei?
Lorenz: Nein, das ist für mich ein anderes Thema. Die großen Diskussionspunkte zwischen uns sehe ich wie folgt: Ihr wollt, dass man sich zuerst mit den Ursachen der Situation befasst. Und meiner Meinung nach kommt für euch dabei heraus, dass man sich mit der Situation im Park momentan nicht beschäftigt, weil es ein Luxusproblem ist. Die zweite Frage ist die, inwieweit wir berechtigt sind, bestimmte Normen zu setzen.
Wie stehst du dazu?
Lorenz: Wenn man sagt: Jeder kann tun, was er will, und keiner hat das Recht, bestimmte Normen zu setzen, dann ist das für mich ein Problem. Für mich gibt es Normen, zum Beispiel, dass Kindern keine Drogen angeboten werden, dass man Leute mit einem gewissen Respekt behandelt, ihnen Platz macht.
Marius: Ich habe noch nie erlebt, dass an Kinder verkauft wird.
Lorenz: Mein Sohn ist 13, dem werden im Park Drogen angeboten. Und ich erlebe immer wieder, wie Frauen angequatscht werden, und nicht immer auf nette Weise.
Karin: Ich finde Drogenverkauf an Kinder und Anmache auch nicht gut. Aber schlimmer finde ich die sexistische Werbung im Stadtraum. Ich habe, wenn ich die Dealer im Park sehe, eben auch anderes vor Augen: Ich sehe seine strukturelle Abhängigkeit. Und ich sehe auch meine. Deshalb gehe ich auf die Verkäufer im Park vielleicht etwas gelassener zu, im Sinne von: Brüder, wir müssen gemeinsam diese Welt verändern!
Martin: Wir haben im Görlitzer Park eine bestimmte Form des Drogenhandels, ein streng hierarchisches, zutiefst rassistisches System. In diesem gewinnen am Ende die Großhändler. Die nutzen gezielt die Notlage der Schwarzen aus. Mich wundert, dass die Kritik, die ihr äußert, die Großhändler außen vor lässt.
Karin: Aber diese Strukturen herrschen in allen Dienstleistungsbereichen vor. Das nennt man Kapitalismus.
Martin: Dann darf man es aber nicht so darstellen, als wäre der Haschischhandel im Park ein romantisches System von bedürftigen Kleinunternehmern.
Marius: Es geht doch um das Gegenteil von Romantisierung: Darum, zu verstehen, dass es für viele Menschen keine legale Möglichkeit gibt, ihre Grundbedürfnisse zu stillen.
Konsequenterweise müsstet ihr die Leute aufnehmen, ihnen Essen und Wohnung geben.
Marius: Ich kenne sehr viele, die Geflüchtete bei sich zu Hause aufnehmen, ihre WG-Zimmer mit ihnen teilen. Da gibt es sehr viel Solidarität.
Erwartest du die auch von den anderen Anwohnern?
Karin: Das ist doch nicht die Lösung. Wir sind keine Sozialarbeiter, wir sehen ein strukturelles Problem und benennen es.
Martin: Ihr sagt, dass wir über die Voraussetzungen für das Gespräch erst reden müssen. Ihr könnt von uns aber keinen kompletten Perspektivwechsel einfordern. Wir haben als Anwohner einen anderen Ausgangspunkt als ihr. Ich habe erlebt, dass es ein großes Unbehagen an der Situation im Park gab. Und dass darüber keine ordentliche Diskussion geführt wurde. Die Taskforce von CDU-Innensenator Frank Henkel (der Zusammenschluss von Sicherheitsbehörden und Bezirk; Anm. d. Red.) ist für mich das Ergebnis einer Unfähigkeit von uns Kreuzbergern, gemeinsam eine andere Debatte zustande zu bringen. Jetzt gibt es ordnungspolitisch-polizeiliche Maßnahmen. Dafür hätten wir keine Anwohner-Ini gründen müssen.
Marius: Auch wir lehnen die Taskforce ab, weil sie für die Betroffenen Angst, Stress und Diskriminierung bedeutet und das eigentliche Problem in die Unsichtbarkeit verschoben wird. Dann gibt es noch die Forderung nach Legalisierung des Grasverkaufs, einem Coffeeshop. Ich halte das für Quatsch, weil es ja wieder den Illegalisierten den Markt entzieht. Es gibt bessere Ansätze: AnwohnerInnen haben zum Beispiel eine Werkstatt gegründet, in denen sie Geflüchtete beschäftigen und den Verkauf als Spenden deklarieren. Sie wollen Menschen eine Alternative zum Drogenverkauf anbieten.
Lorenz: Diesen Ansatz halte ich für sehr wichtig. Die Parkworker könnten ja zum Teil auch ehemalige Dealer sein.
Marius: Das wäre eine Idee! Die allermeisten würden sofort jeden anderen Job machen, aber sie dürfen eben nicht. Selbst wenn sie eine Arbeitserlaubnis bekommen und ein Arbeitgeber bereit ist, sie einzustellen, legt ihnen die Ausländerbehörde wieder Steine in den Weg. Dann müssen sie beweisen, dass sich keine EU-BürgerIn besser für die Arbeit eignet. Dieses Kriterium könnte der Job als Parkworker erfüllen. Die Betroffenen müssten an diesen Gespräch hier beteiligt sein. Dass man nicht immer über sie redet, sondern mit ihnen.
Stimmt. Zum Schluss bitte eine Prognose von euch: Wie sieht der Görlitzer Park in zehn Jahren aus?
Karin: Durchgentrifiziert, wie Mitte. Ein Appartment im Wrangelkiez kostet ja jetzt schon das Dreifache von dem, was jemand mit Altmietvertrag zahlt. Die Geflüchteten werden dann unsichtbar sein, weggeschlossen.
Lorenz: So sehe ich das auch. Die Mieten steigen weiter, der Drogenhandel wird sich so verteilen, dass er kaum noch sichtbar ist.
Karin: Dürfen wir auch die Utopien sagen?
Bitte!
Karin: Das internationale Flüchtlingszentrum wird aufgebaut, mit Platz für die Undokumentierten. Die Gesellschaft wird endlich anerkennen, dass sie hier sind und warum sie hier sind. Der Kapitalismus ist übrigens längst implodiert bis dahin. Und Kreuzberg ist die erste Republik, die wegweisende Modelle geschaffen hat.
Martin: Ich wünsche mir, dass der Stadtteil sich neu erfindet. Wir beobachten zurzeit den Untergang des Mythos Kreuzberg, er stirbt mit den Leuten, die wegen der steigenden Mieten weg müssen. Ich wünsche mir, dass wir das aufhalten können.
Karin: Wenn wir mit den Leuten kämpfen, können wir vielleicht etwas von dem retten, was du schön findest. Wenn wir uns gegen sie stellen, werden wir gemeinsam verdrängt.
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