Streit um Vorratsdatenspeicherung: Sie ist wieder da
Die Union drängt wieder auf die Vorratsdatenspeicherung. In der SPD trifft sie nun aber auf eine neue, starke Gegnerin: Saskia Esken.
Der jüngste Vorstoß sollte auf der am Mittwoch in Lübeck beginnenden Innenministerkonferenz (IMK) gemacht werden. Auf Initiative von Seehofer und dem sächsischen Innenminister Roland Wöller (CDU) sollten die Minister aller Länder einen Beschluss fällen: eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung, diesmal begründet mit der rechtsextremistischen Bedrohung.
„Für die Aufdeckung komplexer Netzwerke von Extremisten und anderen Straftätern“ brauche es die „Erarbeitung einer tragfähigen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung“, hieß es in einer Beschlussvorlage, die der taz vorliegt. Die Speicherdauer müsse dafür von bisher zehn Wochen auf „mindestens ein halbes Jahr“ ausgeweitet werden.
Die Unions-Minister indes scheiterten: Auf Druck der SPD-Seite wurde die Beschlussvorlage wieder gekippt. Verwiesen wurde dort auf noch ausstehende Gerichtsurteile, ob die Vorratsdatenspeicherung in derzeitiger Form rechtmäßig sei. Solange brauche man über das Instrument nicht reden.
Die Union aber drängt weiter. Sachsens Innenminister Wöller will sich zum Veto auf der IMK nicht äußern. Aber: Gerade nach den Angriffen in Halle und gegen den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke müsse der Staat „effiziente Wege finden“, gegen rechtsextreme Gefahren möglichst früh vorzugehen und „Geflechte“ aufzudecken, sagte Wöller der taz. Dafür brauche es auch eine „Erweiterung der Befugnisse“ der Sicherheitsbehörden.
Jahrelanges Hickhack
Über die Vorratsdatenspeicherung – das Abspeichern durch Telefon- und Internetfirmen, wer wann wie lange mit wem kommunizierte – wird schon seit Jahren gestritten. 2015 wiedereingeführt, erklärte sie zuletzt der Europäische Gerichtshof für unverhältnismäßig. Eine dortige Prüfung der deutschen Variante steht noch aus. Deshalb bleibt die Vorratsdatenspeicherung hierzulande zwar eingeführt, wird aber nicht angewendet.
Die Union will das ändern. Schon nach dem Anschlag in Halle forderte der CDU-Parteivorstand in einem Maßnahmenpapier auch die Vorratsdatenspeicherung: Diese sei für Verfassungsschutz und Polizei „von größter Bedeutung“. Zuletzt legten die Justizminister der Union nach. Auf der Justizministerkonferenz der Länder erklärten auch sie die Speicherpflicht für „unverzichtbar“ im Kampf gegen Straftaten im digitalen Zeitalter. Das Bundesjustizministerium müsse sich für eine „Wiederbelebung“ einsetzen.
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fordert das Instrument offensiv. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein „unverzichtbares Ermittlungsinstrument“, sagte sein Sprecher der taz. Die bisherige Aussetzung habe bereits zu „erheblichen Ermittlungsdefiziten“ geführt, etwa bei Missbrauchsdelikten. Gerade bei Terrorismus oder der organisierten Kriminalität könne das Instrument Netzwerkstrukturen aufdecken. Die Vorratsdatenspeicherung sei „unerlässlich“. Seehofer kann sich dabei auch auf BKA-Chef Holger Münch berufen, der die Speicherung ebenso einfordert.
Designierte SPD-Chefin: „unzulässiger Eingriff in Grundrechte“
Bei der SPD hält man davon indes weniger. Und dort gibt es eine nun prominente entschiedene Gegnerin der Vorratsdatenspeicherung: die designierte Parteichefin Saskia Esken. Schon bei der Wiedereinführung der zehnwöchigen Speicherpflicht 2015 durch den damaligen Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte die profilierte Digitalpolitikerin gegen das Vorhaben gestimmt – und gegen die Mehrheit der SPD-Fraktion. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein „unzulässiger Eingriff in die Grundrechte der Bürger“, erklärte sie damals.
Die Position habe Bestand, sagte Esken am Dienstag der taz: „Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass eine anlasslose und uneingeschränkte Vorratsdatenspeicherung einen zu großen Eingriff in die Grundrechte darstellt und nicht mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist.“ Explizit verwies sie auf die EuGH-Entscheidung von 2016. Als SPD-Parteichefin dürfte Esken damit das jüngste Veto ihrer Parteikollegen gegen das Vorhaben umso mehr zementieren.
In der Opposition dürfte man das begrüßen. „Rufe nach der Wiedereinführung dieses Zombies der Sicherheitspolitik bringen realpolitisch gar nichts“, sagte der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz. Die Gerichtsurteile hätten hier „die Tür fest zugeschlagen“. Gerade im Kampf gegen Rechtsextremismus müssten statt Symboldebatten „endlich echte Maßnahmen“ ergriffen werden. Die Regierung müsse die Vorratsdatenspeicherung „ein für allemal zurücknehmen“. Auch der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle fordert „statt anlassloser Massenüberwachung ein passgenaues, verdachtsabhängigen Konzept“.
Die zuständige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) jedenfalls sieht keinen Grund für Aktionismus. Auch sie bremst die Union derzeit aus – und verweist ebenso auf die noch ausstehenden Urteile beim EuGH und Bundesverfassungsgericht: „Das sollten wir abwarten, bevor wir über weitere mögliche Maßnahmen nachdenken.“
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