Innenministerkonferenz zu rechten Netzen: Der Feind in den eigenen Reihen

Gibt es rechte Netzwerke in den Sicherheitsbehörden? Innenminister und Behörden wollen dem nachgehen, aber das Unterfangen ist schwierig.

Vereidigung von neuen Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärtern samt traditionellem Mützenwurf in der Lanxess-Arena

Saubere Westen? Oder sind unter diesen Kommissar-Anwärtern auch Rechtsextreme? Foto: Christoph Hardt/picture alliance

BERLIN taz | Nun kommen auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und seine Länderkollegen nicht mehr um das Thema herum. Ab Mittwoch werden sie sich in Lübeck treffen, zur halbjährlichen Innenministerkonferenz. Eines der drängenden Themen diesmal: rechtsextreme Vorfälle in den Sicherheitsbehörden.

Bei dem Thema wollen die ­Minister nach taz-Informationen ein schärferes Vorgehen vereinbaren: Es solle geprüft werden, inwiefern bei Extremisten im öffentlichen Dienst „diszi­plinarrechtliche Konsequenzen bis zur Entziehung des Beamtenstatus ermöglicht werden können“, heißt es in einer Beschlussvorlage. Auch soll eine Zentralstelle zur „Aufklärung rechtsextremistischer Umtriebe im öffentlichen Dienst beim Bundesamt für Verfassungsschutz auf- und ausgebaut werden“ – parallel zu „eigenen Bekämpfungsansätzen“ der Länder.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnt: „Ich sehe noch keine Unterwanderung der Sicherheitsbehörden durch Rechtsextreme, aber die Einzelfälle müssen wir sehr ernst nehmen. Auf diese Fälle muss disziplinarrechtlich reagiert werden.“ Auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) erklärte zuletzt mit Blick auf die Polizei, Rassismus sei „unvereinbar“ mit dem Beruf. „Jeglichen Verdachtsfällen wird konsequent nachgegangen.“

Maier hat auch Anhänger des „Flügels“ der AfD im Blick – von denen einige Polizisten sein sollen. „Mit der Einstufung des Flügels als rechtsextremer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz ist der Rubikon für Beamte im Grunde schon überschritten“, so der SPD-Mann. „Wer sich dort als Beamter engagiert, sollte sich über Konsequenzen nicht wundern.“

Die „Einzelfälle“ häufen sich

Lange Zeit war der Tenor ein anderer. Gefragt nach Extremisten in den Reihen der Sicherheitsbehörden, lautete die offizielle Antwort: Einzelfälle. Inzwischen aber spricht auch Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang von „zu vielen Einzelfällen“. Und Holger Münch, Chef des Bundeskriminalamtes, fordert einen „selbstkritischen Blick“: Auch die Polizei sei nicht gegen Extremismus gefeit. Wer sich von der Verfassung entferne, habe dort nichts verloren.

Tatsächlich häuften sich zuletzt die Fälle: Gerade erst wurden Ermittlungen gegen drei Bundeswehrsoldaten bekannt, einer vom Kommando Spezialkräfte (KSK), die teils Hitlergrüße gezeigt haben sollen. Insgesamt stehen in der Armee derzeit 500 Soldaten unter Rechtsextremismusverdacht. Gegen einen, Franco A., wurde jüngst Terroranklage erhoben. Er stand in Kontakt zu Mitgliedern des rechten Hannibal-Netzwerks, das von der taz mitaufgedeckt wurde.

Bei der Polizei wurde allein in Hessen zuletzt gegen 38 Beamte ermittelt, in Mecklenburg-Vorpommern sollen Polizisten Waffen und Munition gehortet und über Umsturzpläne diskutiert haben. Und zuletzt meldeten auch der Verfassungsschutz und der BND jeweils einen Rechtsextremen in den eigenen Reihen.

Inzwischen haben die Behörden reagiert. Die von den Innenministern geforderte Zentralstelle beim Verfassungsschutz ist bereits im Aufbau. Ziel sei eine „Informationsverdichtung“ zu „Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst“, heißt es intern. Die Landesämter sollen Hinweise heranschaffen, ebenso der Militärische Abschirmdienst (MAD), der bei der Bundeswehr Extremisten aufspürt. Erstellt wird ein Lagebild, das zum Jahreswechsel fertig sein soll.

Beamte backten Hakenkreutz-Plätzchen

Es ist ein ambitioniertes Vorhaben. Denn bisher gibt es keine Erhebungen über extremistische Vorfälle in den Behörden. Da es bislang allenfalls Einzelfälle gegeben habe, „wird keine Statistik geführt“, heißt es etwa aus Sachsen. Noch schwieriger ist das Aufspüren neuer Fälle. Denn der Verfassungsschutz erhebt bei abgespeicherten Rechtsextremisten im Regelfall nicht die Berufe. Alternativ müsste er Personaldaten von der Behörde anfragen und mit seinen Dateien abgleichen – diese Massenprüfung ist weder vorgesehen noch durchsetzbar.

Dem Verfassungsschutz bleibt damit im Grunde nur eine Zusammenstellung bisher bekannter Vorfälle. Und ein zufälliges Aufstöbern von Extremisten in Uniform, die sich etwa im Internet zu erkennen geben. Haldenwang setzt die Erwartungen dennoch hoch. Am Ende, sagte er zuletzt im Bundestag, solle das Lagebild beantworten können, ob es tatsächlich Netzwerke im öffentlichen Dienst gibt – oder eben nicht.

Wie schwierig das Vorgehen selbst bei bekannten Fällen ist, zeigt der Fall Hessen. Dort ermitteln seit Monaten rund 60 LKA-Leute zu den 38 rechten Verdachtsfällen in der Polizei. Es geht um Hitlerbilder in WhatsApp-Chats, um rassistische Sprüche oder um die Todesdrohungen gegen die NSU-Opfer-Anwältin Seda Başay-Yıldız. Inzwischen sind laut Innenministerium 23 Fälle abgeschlossen – in nur 6 Fällen wurden Polizisten entlassen oder gekündigt, eine weitere Entlassung steht kurz bevor.

In 17 Fällen dagegen habe sich strafrechtlich kein Vorwurf bestätigt, so das Ministerium. So wurden erst kürzlich die Ermittlungen gegen einen der Polizisten eingestellt: Er hatte Bilder von Hakenkreuz-Plätzchen verschickt – dies aber nur in einer kleinen WhatsApp-Gruppe. Eine öffentliche Volksverhetzung sei somit nicht erfolgt, entschied eine Staatsanwaltschaft.

Kooperation von MAD und VS? Ein „Desaster“

Diese Fragen müssen sich jetzt auch die Verfassungsschützer in ihrer Zentralstelle stellen: Was ist noch Meinungs­äußerung? Was ist strafbar? Wo beginnt Extremismus?

Die gleichen Fragen treiben auch den MAD um. Bereits im Herbst gab es hier eine Reform. Die Extremismusabwehr wurde als eigene Abteilung ausgelagert und personell aufgestockt, die Kooperation mit dem Verfassungsschutz ausgebaut. Man wolle nun nicht nur verdächtige Soldaten, sondern auch „Kennverhältnisse und Beziehungsgeflechte“ in den Blick nehmen, erklärte MAD-Chef Christoph Gram. Geschaut werde jetzt auch, wie Soldaten außerhalb der Kasernen und in den sozialen Medien agieren.

Der Bedarf ist groß – wie nicht nur der aktuelle Fall des KSK-Soldaten und der zwei Stabsoffiziere zeigt. So ermittelt bereits seit Ende 2018 ein „Bevollmächtigter“ des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) der Geheimdienste im Bundestag zu möglichen rechtsextremen Netzwerken in der Bundeswehr. Im Frühjahr 2020 soll der Bericht vorliegen.

Schon vor einigen Wochen gab der Sonderermittler in dem vertraulich tagenden Gremium einen Zwischenbericht. Von einem „Desaster“ für den MAD und Verfassungsschutz war danach die Rede. Offenbar tauschten beide Behörden kaum Kenntnisse aus, wurde das Umfeld verdächtiger Soldaten wenig beachtet und blieben rechtsextreme Vorfälle kaum geahndet.

Dabei liegen im Feld der Bundeswehr offenbar durchaus Informationen vor. André Hahn, Linken-Vertreter im PKGr, spricht von mindestens 90 Aktenordnern, die im Bundesinnenministerium über rechtsextremistischen Strukturen bei Bundeswehr und anderen Sicherheitsbehörden stehen – öffentlich einsehbar sind diese nicht. „Wie kann es da sein, dass die Bundesregierung bis heute behauptet, keine Kenntnis von rechten Netzwerken in diesem Bereich zu haben?“, fragt Hahn. Die aktuellen Aufklärungsbemühungen seien überfällig. „Es bleibt nur zu hoffen, dass das keine Alibi-Veranstaltung wird.“

Spätestens im Frühjahr dürfte man dazu mehr wissen. Dann, wenn Verfassungsschutzchef Haldenwang und der PKGr-Bevollmächtigte ihre Lagebilder vorlegen. Schon jetzt aber wollen die Innenminister Druck machen. Thüringens Amtschef Maier warnt: „Wir müssen auf die Gefahr rechter Vernetzungen in den Behörden einen sehr genauen Blick werfen, damit uns dort nicht etwas entgleitet.“

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

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