Umgang mit Frauen in der Politik: Mehr als Elternbeirat
Ob sie denn wisse, was auf sie zukommt, wurde die neue SPD-Vorsitzende Esken von einem Journalisten gefragt. Das ist so herablassend wie typisch.

M an könnte das Verhalten des Journalisten Christoph Schwennicke schlicht als das eines Mannes beschreiben, der sich nicht zu benehmen weiß. „Ich weiß gar nicht, ob Sie sich im Klaren darüber sind, was auf Sie zukommt“, kanzelt er am Sonntagabend bei „Anne Will“ die designierte SPD-Vorsitzende Saskia Esken ab. „Das höchste Amt, das Sie innehatten, war nicht in einer Partei, sondern das einer Vizevorsitzenden im Landeselternbeirat.“
Doch davon abgesehen, dass diese Behauptung auch noch falsch ist – die herablassende Verachtung, die Schwennicke der 58 Jahre alten Informatikerin und ausgewiesenen Digitalexpertin entgegenbringt, ist symptomatisch für einen Umgang mit Frauen in der Politik, den die Hauptstadtpresse seit Wochen gekonnt vorführt: Frauen, die sich auf Posten wagen, die gesellschaftlich nicht für sie vorgesehen sind, werden dafür bestraft.
Das zeigt sich schon darin, dass Esken wie ihre Konkurrentin Clara Geywitz im überwiegenden Teil der Berichterstattung zunächst lange durch Abwesenheit glänzten. Während Norbert Walter-Borjans medial zu Olaf Scholz’ Gegenspieler hochstilisiert und als „Wirtschaftstheoretiker“ beschrieben wurde, fragten die einen „Saskia wer?“, während die anderen die beiden Frauen schlicht ganz ignorierten.
Längst sollte nun durchgesickert sein, dass Esken auch Positionen vertritt. Bei “Anne Will“ zeigte sie zudem, dass sie Typen wie Schwennicke leicht und sachlich etwas entgegensetzt: „Wenn wir immer nur erlauben, dass Menschen Parteien führen, die die letzten 20 Jahre nichts anderes gemacht haben, dann werden wir nie etwas verändern.“ Sie benennt, was die SPD braucht, um zu überleben: einen Neuanfang. Die Chance, den herbeizuführen, sollten ihr auch Menschen gönnen, die wie Schwennicke Politik so gar nicht von innen kennen.
Für die Zukunft könnte Esken es mit einem Aphorismus halten, der Gandhi zugeschrieben wird, ein geschlechterübergreifend geeignetes Vorbild: Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss