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Streit um Straßenumbenennung in HannoverHindenburg ist keine gute Adresse

Mit allen Mitteln kämpfen Anwohner im noblen Zooviertel Hannovers gegen die Umbenennung ihrer Straße. Nun wies ein Gericht ihre Klage ab.

Loebensteinstraße soll sie künftig heißen – nach einer 10-Jährigen, die von den Nazis ermordet wurde Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hannover taz | Am Ende wird es dann schon sehr spitzfindig: Mit allen Mitteln versuchen sich ein Dutzend Anwohner im Hannoverschen Zooviertel gegen die Umbenennung ihrer Hindenburgstraße in Loebensteinstraße zu wehren.

Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht zweifeln sie das Verfahren und die Begründung des Bezirksrates an, argumentieren mit den Ausgaben für Briefpapier, Visitenkarten und die Werbebanner im Tennisclub. Einer glaubt sogar, seine Glaubwürdigkeit als Autor­ wissenschaftlicher Aufsätze könnte angezweifelt werden, wenn eine Googlesuche seiner internationalen Leserschaft ergäbe, dass seine Adresse nicht länger ­existiert.

Seit vier Jahren wird um diese Umbenennung gestritten. Es ist vielleicht kein Zufall, dass das hier so lange dauert. Die Hindenburgstraße ist nicht irgendeine Adresse, sondern eine ziemlich teure. Die Anzahl der Menschen, die selbst Juristen sind oder es sich leisten können, einen zu bezahlen, ist ent­sprechend hoch. Die CDU-Parteizentrale residiert hier, Ex-Kanzler Schröder wohnt ums Eck.

Dabei – das betont auch die zuständige Verwaltungsrichterin in diesem Verfahren noch einmal – kann man nicht behaupten, dass der für die Entscheidung zuständige Bezirksrat sich die Entscheidung leicht gemacht hätte. Er hat das Umbennungsverfahren 2018 eingeleitet, nachdem eine vom Rat beauftragte Begleitkommission dies empfohlen hatte.

Fünf Jahre lang Biografien überprüft

Diese Kommission – in der Historiker, Vertreter der Kirchen, der jüdischen Gemeinde und des DGB saßen – hatte zuvor fünf Jahre lang Straßennamen unter die Lupe genommen. Allerdings auch nur diejenigen, bei denen Namensgeber in der NS-Zeit noch aktiv gewesen sind – frühere Epochen blieben unbeachtet. Von den 493 überprüften Namen wurde bei 476 die Beibehaltung empfohlen. Bei ganzen 17 wurde nach einer umfangreichen Begutachtung der Biografien die Umbenennung empfohlen.

Diese Umbenennung – auch das wurde zum Thema in dieser Gerichtsverhandlung – ist seit der Reform des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes 2010 Sache der Bezirksräte. So hat es das Land bestimmt. Vorher war dies aber Sache des Rates – der hat daher auch, zum Teil schon vor Jahrzehnten, Grundsätze erarbeitet, nach denen diese Überprüfungen und Umbenennungen abzulaufen haben. Und er hat eben diesen Beirat beauftragt.

Aber müsste dann, fragen die Kläger, nicht überall gleichermaßen entschieden werden? Wie kann es sein, dass der eine Bezirksrat im Stadtteil Mitte sich zur Umbenennung entscheidet und ein anderer, in dessen Gebiet eine nach Hindenburg benannte Schleuse liegt, nicht? Nun, sagt die Vorsitzende Richterin, der Rat und die Stadtverwaltung könnten eben nur Empfeh­lungen abgeben, die Stadtbezirksräte sind frei in ihrer Entscheidung.

Und natürlich sind dies letztlich Spitzfindigkeiten, bei denen es eigentlich um etwas anderes geht: Die Anwohner finden, ihr Votum als Betroffene sollte mehr ins Gewicht fallen. Tatsächlich hatten sich Stadt und Bezirksrat alle Mühe gegeben, Bürger einzubinden, vor allem nachdem sich erste Proteste formierten und Unterschriftenlisten die Runde machten.

Da wurden Befragungen in Auftrag gegeben, Namensvorschläge entgegen genommen, es gab eine Reihe von turbulenten öffentlichen Sitzungen. Fast immer zeigte sich dabei, dass es zwar im politischen Raum und bei anderen Einwohnern durchaus ein paar Sympathien für eine Umbenennung gab, bei den unmittelbar Betroffenen aber eher nicht.

Viele Anwohner antworteten gar nicht

Bei einer schriftlichen Befragung der Anwohner der Hindenburgstraße waren 99 Prozent gegen die Umbenennung – damit argumentieren die Kläger gern. Allerdings: es hatten auch nur 32 Prozent geantwortet. „Die Erfahrung zeigt, dass eher die Unzufriedenen sich rühren“, sagt Richterin Andrea Reccius, „wir wissen schlicht nicht, wie die anderen 68 Prozent darüber denken“.

Am Ende votierte im Bezirksrat eine knappe Mehrheit von zehn rot-rot-grünen Stimmen gegen sieben schwarz-gelbe Stimmen dafür, dass die Straße künftig nach der von den Nazis im Alter von zehn Jahren ermordeten Lotte-Lore Loebenstein heißen soll, statt nach Hitlers Steigbügelhalter. Diese demokratische Entscheidung sei nicht zu beanstanden, es seien alle wesentlichen Punkte in der Debatte berücksichtigt und abgewogen worden, befand das Gericht.

Auf eine Debatte über die historische Rolle Paul von Hindenburgs über die beide Streitparteien Gutachten hatten anfertigen lassen, wollte es sich dabei gar nicht erst einlassen. „Man kann das sicher unterschiedlich bewerten, aber das ist in den Debatten ja auch deutlich geworden,“ sagte die Richterin.

Das alte Bild vom greisen Kriegshelden, der am Ende seines Leben nicht mehr so richtig mitbekommen habe, was diese Nazis da eigentlich vorhatten, habe durch die neuere Forschung jedenfalls deutliche Risse bekommen, zitiert sie aus der Begründung des Beirates.

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11 Kommentare

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  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    Hindenburg hatte auch ein persönliches Interesse, Hitler an die Macht zu bringen, wie es der Historiker in seinem 2020 erschienenen Buch „Der Skandal“ dargelegt hat. Kurz zusammengefasst: Die Familie Hindenburgs gehörte zu einer Gruppe ostelbischer Großgrundbesitzer, die vom größten Subventionsprogramm der Weimarer Republik, der „Osthilfe“ profitierte, während das Volk unter den Lasten der Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit litt. Die Aufdeckung betrügerischer Machenschaften dieser Osthilfe drohte den Namen Hindenburg in Verruf zu bringen. Der Reichspräsident hatte in dieser Situation, wie Hoffmann deutlich macht, ein persönliches Interesse, Hitler zur Macht zu verhelfen: die Korruptionsaffäre drohte akut in die Schlagzeilen zu geraten. In den wesentlichen Grundzügen sind diese Hintergründe schon lange bekannt - dem Historiker Hoffmann gebührt das Verdienst, durch systematisches Zusammentragen der entsprechenden Dokumente hieb- und stichfeste Beweise dazu vorzulegen.



    Auf einer Seite der ZEIT kann man die Häufigkeit von Straßennamen recherchieren. Danach gibt es bei uns aktuell 436 nach Hindenburg benannte Straßen und Plätze, alle übrigens im Bereich der ehemaligen BRD. Diese Anzahl hat sich seit meiner letzten Recherche vor knapp zwei Jahren auch nicht verringert. Dagegen gibt es nur 124 Straßen, gleichverteilt im Ost und Westen unserer Republik, die den Pazifisten Carl von Ossietzky ehren, der 1938 an den Folgen der Folter im KZ Esterwegen gestorben ist:



    www.zeit.de/interactive/strassennamen/

  • Umbenennungen von Straßen oder Plätzen stören sicherlich erstmal die, die dort wohnen. Das ist verständlich. Wer gewöhnt sich schon gern an einen neuen Namen, wenn er nicht umzieht. Völlig sinnlos m. E.🤣

  • @URANUS

    Und das bedruckte Klopapier [1] erst!

    (Achso, das ist ja gar nicht der Hindenburg)

    [1] www.bbc.com/news/b...elsewhere-29507775

    • @tomás zerolo:

      :-D

  • "Bei einer schriftlichen Befragung der Anwohner der Hindenburgstraße waren 99 Prozent gegen die Umbenennung – damit argumentieren die Kläger gern. Allerdings: es hatten auch nur 32 Prozent geantwortet. „Die Erfahrung zeigt, dass eher die Unzufriedenen sich rühren“, sagt Richterin Andrea Reccius, „wir wissen schlicht nicht, wie die anderen 68 Prozent darüber denken“."

    Das ist ein Argument das auch von Gegnern von Volksabstimmungen gerne angeführt wird. Da es aber keine Wahlpflicht gibt ,ist das invalide. Auch "normale "Wahlen werden nach den abgegebenen Stimmen gewertet ,unabhängig von der Zahl der Wahlberechtigten insgesamt. Nichtwähler stimmen eben indirekt für das Mehrheitsergebnis. Wenn das ihnen nicht passt... Nun ,warum sind sie dann nicht wählen gegangen?



    Und für einen Volksentscheid wäre eine Beteiligung von 32% gar nicht so schlecht.

  • Oh, nein! Mehrausgaben für neue Werbebanner eines Tennesclubs und neuer Visitenkarten. Das klingt ja fürchterlich! Wir sollten für sie Geld sammeln gehen! Die armen Wohlhabenden! /Sarkasmus/



    Ich kann mir schon vorstellen, dass die Glaubwürdigkeit von Autor*innen schwindet, allerdings nicht aufgrund eines Adresswechsels, sondern wenn die Person zum Beispiel Historiker*in oder Politikwissenschaftler*in wäre und sie aufgrund ihrer selbst vertretetenen Position nun den eigenen Ruf schädigt.



    Offenbar bleibt noch viel aufzuarbeiten. Mit solchen Hindenburg-Hindenburg-Relativierer*innen ist wohl kaum ein demokratischer Staat zu machen. Wenig gelernt aus der Geschichte ...

  • So ein Schwachsinn.



    Lasst die Straße heißen wie sie heißt und gebt Frieda Loebenstein zu Ehren einer neuen Straße oder einem Platz diesen Namen. Das Umbenennen einer Straße verursacht nur Ärger, Aufwand und Kosten. Einen Sinn kann ich darin nicht erkennen.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      „So ein Schwachsinn. [….]Das Umbenennen einer Straße verursacht nur Ärger, Aufwand und Kosten.“



      „verursacht nur Ärger, Aufwand und Kosten.“ Das sollte uns im Falle Hindenburg die Sache wert sein. Viele Städte haben den Aufwand schon getragen. „Nicht gedacht soll seiner werden.“



      www.staff.uni-main...chlese/gedacht.htm

    • @Rudi Hamm:

      So schlimm ist das nun auch wieder nicht.

      Die Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße hat meines Wissens keine Todesfälle nach sich gezogen.

      Würde sich nie etwas ändern, sprächen wir heute noch Mittelhochdeutsch.

    • @Rudi Hamm:

      Klar doch. Die alten, grossen straßen behalten ihre namen und nach den opfern des kolonialismus oder des naziterrors werden dann straßen oder wege in neubau- oder gewerbegebieten benannt.



      Gott bewahre, daß da irgendjemand sein weltbild überdenken müsste. Mit derlei scheuklappen ist gut in die welt gucken.

  • nomen est omen