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Streit um Nord Stream 2 spitzt sich zuMobilmachung auf der Ostsee

Wegen US-Sanktionen war der Bau der Pipeline vor einem Jahr gestoppt worden. Russland will jetzt den Rest der Arbeiten übernehmen.

Ein russisches Spezialschiff zum Weiterbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist bereit Foto: DPA

MOSKAU/WASHINGTON taz | Im Ringen um die Fertigstellung der Ostseepipeline Nord Stream 2 droht der Streit nun vollends zu eskalieren. Das Außenministerium in Moskau reagierte mit Kritik auf US-Forderungen an die Bundesregierung, den Weiterbau des fast fertigen Milliardenprojekts zu verhindern, und warf den USA aggressives Verhalten vor. Der Aufruf der geschäftsführenden US-Botschafterin in Berlin, Robin Quinville, sei eine „politische Aggression und illegaler Widerstand“ gegen die Gasleitung, schrieb Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa bei Facebook.

Die etwa 9,5 Milliarden Euro teure Pipeline mitten durch die Ostsee ist zu 94 Prozent fertig. Durch die zwei jeweils rund 1.200 Kilometer langen Leitungen von Nord Stream 2 sollen künftig jedes Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland gepumpt werden. Die USA sind gegen das Projekt und begründen dies mit zu großer Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas. Kritiker werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen. Die Bundesregierung hingegen befürwortet das Projekt.

Abgeordnete im US-Kongress haben sich vergangene Woche darauf verständigt, Sanktionen gegen die am Bau beteiligten Unternehmen weiter zu verschärfen. Die ausgeweiteten Sanktionen beziehen sich sowohl auf Firmen als auch auf Privatpersonen, die das russische Gas-Pipeline-Projekt unterstützen. Dazu zählen unter anderen die Betreiber der Spezialschiffe, die in der Ostsee Rohre verlegen, wie auch andere beispielsweise für die Fertigstellung benötigte Arbeiten, Serviceleistungen und Versicherungen. Der Strafenkatalog für diese Vergehen umfasst Einreiseverbote sowie das Einfrieren von Eigentum in den Vereinigten Staaten.

Bereits im vergangenen Jahr verabschiedeten die USA ein Sanktionsgesetz (Peesa) gegen Nord Stream 2. Daraufhin zogen sich die meisten westlichen Firmen aus dem Projekt zurück. Die Bauarbeiten an dem milliardenschweren Projekt mussten daraufhin gestoppt werden. Zuletzt war ein skandinavisches Unternehmen von der US-Maßnahme betroffen.

Arbeiten sollten Samstag beginnen

Kremlchef Wladimir Putin kündigte am Freitag an, dass Russland die Rohrverlegungsarbeiten nun selbst übernehmen werde. Das Verlegeschiff „Akademik Tscherski“, das Transportschiff „Fortuna“, „Finwal“ und „Iwan Sidorenko“ stünden für die Fertigstellung bereit. Laut Radaren waren sie am Sonntag nahe der deutsch-dänischen Seegrenze auch schon zu sehen. Die Röhren für die Pipeline lagern bereits im Hafen Mukran von Sassnitz auf Rügen. Das Versorgungsschiff „Umka“ soll die Anlieferungen übernehmen.

Die Aufnahme der Arbeiten war für den Samstag vorgesehen. Allerdings machten russische Behörden keine Angaben, ob es auch wirklich dazu gekommen ist. Auch über die Portale vesselfinder.com und Marine Traffic ließ sich nicht feststellen, ob die Arbeiten wieder angelaufen sind.

Russland wird nicht aufgeben

Die Genehmigungen vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sind unterdessen nur noch bis Ende des Jahres gültig. Das Unternehmen selbst äußerte sich nicht zu den Arbeiten, dürfte sich einer Fristverlängerung, die die Nord Stream 2 AG von Januar bis April anvisiert, aber sicherlich nicht verstellen. Dennoch hängen die US-Sanktionen weiter bedrohlich über der Unternehmung.

Russland wird jedoch nicht aufgeben. Moskau muss weiterhin Gas verkaufen. Darüber hinaus schafft die Pipeline Verbindungen zwischen der russischen Welt des oligarchischen Kapitals und europäischen Firmen. An diesen gezielten Abhängigkeiten ist dem Kreml gelegen.

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