Streit um Klima-Volksentscheid in Berlin: Wahrscheinlich zwei Termine
Volksentscheide müssen mit Wahlen zusammengelegt werden. Beim Klimaentscheid wird das immer unwahrscheinlicher. Ein Skandal, findet die Initiative.
Die Grünen und ihre Spitzenkandidatin hatten sich vehement für eine gemeinsame Abstimmung eingesetzt. Zuletzt beteiligte sich Jarasch sogar an von Klima- und Demokratieaktivist*innen organisierten Demonstrationen vor der dienstäglichen Senatssitzung, in der sie selbst sitzt. Auch die Linke hatte auf einen gemeinsamen Termin gedrängt.
Die Innenverwaltung hatte indes bereits am 16. November mitgeteilt, ein gemeinsamer Termin sei „unwahrscheinlich“. An jenem Tag hatte das Berliner Verfassungsgericht die Abgeordnetenhauswahl von 2021 für ungültig erklärt; zwei Tage zuvor hatte die Initiative Klimaneustart Berlin rund 260.000 Unterschriften für einen Entscheid eingereicht.
Der neue Landeswahl- und -abstimmungsleiter Stephan Bröchler hatte nach eigener Aussage schon früh mit der Möglichkeit gerechnet, dass es zu einem Entscheid am Tag der Wahl kommen könnte. Mitte Oktober auf diese Option angesprochen, hatte Bröchler vor Journalisten erklärt: „Darauf müssen wir uns einstellen.“ Das geschah jedoch offenbar nicht. Zuletzt hatte Bröchler mehrfach die Organisation allein der Wahl als „Herkulesaufgabe“ bezeichnet und betont, auf keinen Fall dürften sich Pannen wie am 26. September 2021 wiederholen. Diese waren der Grund für die nun nötige Wiederwahl.
Jarasch selbst sieht die Fehler nicht bei Bröchler. „Dem Landeswahlleiter möchte ich hier keinen Vorwurf machen“, erklärte sie weiter. Sie wies aber darauf hin, dass es vor der Wahl 2021 eine Ausschreibung gegeben habe mit der Option, kurzfristig mehr Papier zu bestellen, falls es auch zum Enteignungs-Volksentscheid kommen würde. „Mit so einer Option hätte man die Ausschreibung auch dieses Mal durchführen können und hätte dadurch kein Geld verschwendet. Aber man hat es offensichtlich nicht gemacht.“
Neuer Termin erst im April?
Laut Berliner Verfassung muss, sofern die Sammlung von Unterschriften erfolgreich verlaufen ist, innerhalb von vier Monaten ein Volksentscheid stattfinden; dieser ist juristisch gleichrangig mit Wahlen. Zeit wäre dafür nun bis Anfang April. Allerdings müsste dann auch zwei Mal die komplette Organisation einer Wahl erfolgen, samt Mobilisierung von Wahlhelfer*innen.
Die Initiative drängt auf einen gemeinsamen Termin, weil dabei aller Erfahrung nach die Wahlbeteiligung deutlich höher ausfällt und die Wahrscheinlichkeit gegen Null geht, dass ein Entscheid am Quorum scheitert: Damit der vorgelegte Gesetzentwurf, der dem Land vorschreibt, bis 2030 klimaneutral zu werden, gültig wird, muss eine Mehrheit der Abstimmenden dafür votieren – und diese Mehrheit muss gleichzeitig mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten umfassen.
„Schwere Versäumnisse“
Die Initiative Klimaneustart Berlin warf der Innenverwaltung am Freitag „schwere Versäumnisse“ vor. Von ihr beauftragte Rechtsexpert*innen sähen nach eingehender Prüfung „keine stichhaltige Begründung für getrennte Wahltermine“, heißt es in einer Mitteilung. Der Erfolg des Volksbegehrens sei absehbar gewesen. Dennoch sei bei den Vorbereitungen zur Wahlwiederholung im Februar der anstehende Volksentscheid „bewusst ausgeklammert“ worden.
Die Initiative wies insbesondere das Argument zurück, es könne nicht mehr schnell genug Papier besorgt werden. „Nachfragen bei mehreren Druckereien haben gezeigt, dass die Unterlagen innerhalb von zwei Wochen oder bei Eilaufträgen sogar innerhalb weniger Tage gedruckt und nach Berlin geliefert werden können“, heißt es in der Mitteilung. Ohne stichhaltige Begründung würden die erheblichen Mehrkosten für getrennte Abstimmungstermine in Kauf genommen. „Das ist ein handfester Skandal.“
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