Wieder-Wahl und Klima-Volksentscheid: „Getrennte Termine wären ein Skandal“

Dass der Klima-Volksentscheid nicht am Wahltag stattfinden könnte, sorgt für Empörung. Eher behutsam fällt die Kritik von Grünen und Linken aus.

Mensch hält Plakat: "Es ist nicht zu spät!"

Vielleicht nicht zu spät, aber trotzdem nicht zur rechten Zeit? Foto: Stefan Boness/Ipon

BERLIN taz | Das Signal von Innensenatorin Iris Spranger (SPD), den Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ nicht zusammen mit der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl stattfinden zu lassen, sorgt weiter für Empörung in der Klima- und Demokratie-Bewegung. Derweil geben Grüne und Linke zaghaft zu erkennen, dass sie einen entsprechenden Senatsbeschluss verhindern wollen.

Sprangers Sprecher Thilo Cablitz hatte am Mittwoch mitgeteilt, die gleichzeitige Durchführung beider Urnengänge am 12. Februar 2023 sei „unwahrscheinlich“. Problematisch sei aus Sicht der Innenverwaltung etwa, in der kurzen Zeit die Abstimmungszettel zu organisieren. Allerdings hatte Landeswahlleiter Stephan Bröchler schon im Oktober signalisiert, seine Behörde sei auf die Kombi-Abstimmung eingestellt. Bröchler wird spätestens am 29. November das Ergebnis der Unterschriftensammlung verkünden. Das Bündnis „Berlin 2030 klimaneutral“ hat nach eigenen Angaben über 260.000 Unterschriften eingereicht – weit mehr als nötig.

Die AktivistInnen sind sauer und enttäuscht: „Niemand will nach einer bereits gescheiterten Wahl, dass die Demokratie noch mehr Schaden nimmt“, sagte Bündnis-Sprecherin Jessamine Davis am Donnerstag. „Genau dazu kommt es allerdings, wenn die SPD-geführte Innenverwaltung jetzt zwei getrennte Termine festlegen will.“ Auch seien die Kosten für getrennte Urnengänge „unverhältnismäßig höher“. Das Bündnis verweist auf Entscheide, die an Wahltagen oder separat stattfanden – Letztere seien mehr als doppelt so teuer gewesen.

Verschwendung von Ressourcen

In einer Mitteilung des Bündnisses heißt es, die Behauptung, den Volksentscheid aus organisatorischen Gründen getrennt durchführen zu wollen, könne „nicht nur als Verschwendung von Ressourcen, sondern auch als Hindernis für die Demokratie interpretiert werden“. Denn eine gemeinsame Wahl fördere den „gesellschaftlichen Diskurs und ein lebendiges, politisches Miteinander“.

Davis’ Co-Sprecher Stefan Zimmer sagte, alle Parteien kritisierten seit Monaten die Aktionen der „Letzten Generation“ und rieten der Klimabewegung, den rechtlichen Rahmen nicht zu verlassen. „Genau das macht Klimaneustart seit Jahren. Wir gehen mit unserem Volksentscheid den institutionellen Weg der direkten Demokratie und haben dafür vier Monate lang jeden Tag Menschen auf der Straße um ihre Unterschrift gebeten.“ Jetzt werde man ausgebremst, so Zimmer – „offensichtlich aus Angst vor dem Willen der Bevölkerung“.

Unterstützung bekommt die Initiative von vielen BeobachterInnen: So sprach Michael Efler, bis 2021 klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion, auf Twitter von einem „unfassbaren Demokratieskandal“, sollte es keine gemeinsame Abstimmung geben. Efler, der maßgeblich an der Novellierung des Berliner Abstimmungsgesetzes beteiligt war, die 2020 die Bedingungen für die Volksgesetzgebung verbesserte, verweist auf die Begründung der von Rot-Rot-Grün beschlossenen Novelle: „Die Regelung soll sicherstellen, dass Volksentscheide soweit möglich grundsätzlich zusammen mit anderen Wahl- oder Abstimmungsereignissen abgehalten werden“, hieß es darin.

Er rege sich „tierisch auf“, so Efler zur taz – es sei „demokratietheoretisch unmöglich“, von diesem neuen Regelfall ohne Not abzuweichen – zumal die aktuelle Konstellation „nicht vom Himmel gefallen“ sei. Er erwarte darum von seiner Partei, dass diese der Innensenatorin im Senat widerspreche und auf der Kopplung der Termine bestehe.

Auch Georg Kössler, in der vergangenen Legislatur klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion und mittlerweile Politikchef von Greenpeace, sagte der taz, „beide Entscheidungen“ – also Wahl und Volksentscheid – seien „wichtig für das Klima und für Berlin“, es brauche „für beide so viel Mitbestimmung wie möglich“. Deswegen müssten sie zusammengelegt werden. „Alles andere wäre ein Skandal, den sich dieser Senat nicht mehr leisten kann.“

Der Demokratietheoretiker und Philosoph an der FU, Robin Celikates, sagte der taz, eine Zusammenlegung sei „nicht nur pragmatisch sinnvoll – was den organisatorischen und finanziellen Aufwand betrifft –, sondern demokratisch gefordert“. Es liege „in der Verantwortung von Senat und Verwaltung, der demokratischen Selbstbestimmung der Bür­ge­r*in­nen keine Steine in den Weg zu legen, sondern sie so gut es eben geht zu ermöglichen“.

Man habe sich schon beim Umgang mit dem Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen fragen müssen, ob der Senat dieser Verantwortung gerecht werde. „Sollte der Senat nun nicht willens oder nicht fähig sein, seiner demokratischen Verantwortung nachzukommen, wird das Zweifel an seiner demokratischen Legitimität und Kompetenz wecken beziehungsweise verstärken“, so Celikates.

Schwer vermittelbar

Den Termin setzt in jedem Fall der gesamte Senat, weshalb es nun auf die Koalition ankommt. Dass sich die Grünen auf einen Wahlkampf mit einer vom Volksbegehren beflügelten Klimabewegung freuen, darf bezweifelt werden. Trotzdem können sie nicht umhin, Sprangers Verschiebevorstoß zu kritisieren. Wenn die gesammelten Unterschriften ausreichten, so Landeschef Philmon Ghirmai zur taz, „wäre ein separater Abstimmungstermin „den Ber­li­ne­r*in­nen schwer vermittelbar“.

Zudem, so Ghirmai, sei die Innenverwaltung „die erste Stelle, die mindestens indirekt einen Zusammenhang zwischen dem Wahlchaos im September 2021 und der seinerzeit gleichzeitigen Abstimmung über den Volksentscheid herstellt“. Heißt wohl: Das war und ist nicht das Problem.

Laut Linken-Chefin Katina Schubert will ihre Partei, „dass die Berlinerinnen und Berliner mitmischen und mitentscheiden können“, dafür seien „Volksbegehren ein wesentliches Element“. Man erwarte von Spranger, „dass sie genau darlegt, warum eine Abstimmung parallel zur Wiederholungswahl nicht möglich sein soll“. Das „ist mir derzeit nicht nachvollziehbar“, so Schubert.

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