Streit um Gesichtserkennungssoftware: Die volle Kontrolle
Hamburgs Polizei und der Datenschutzbeauftragte der Stadt streiten über die Rechtmässigkeit eines massenhaften Gesichts-Scannings im Rahmen der Strafverfolgung.
Dass dessen Einsatz durch die Hamburger Polizei nicht legal ist, behauptet der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. In einer federführend von der Polizei verfassten Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Linken heißt es wörtlich, Caspar habe der Polizei am 5. Juli mitgeteilt, dass er „den mit der Verwendung dieser Software einhergehenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von Betroffenen als rechtswidrig bewertet“. Ein Großteil der G20-Ermittlungen wäre es damit auch.
Caspar moniert, dass es überhaupt keine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Identifizierungs-Technik gibt. Diese, so hatten schon die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern erklärt, würde „die Freiheit, sich in der Öffentlichkeit anonym zu bewegen, gänzlich zerstören“. Gegenüber der taz spricht Caspar von „einer neuen Dimension der Kontrolle, über den Aufenthaltsort und das Verhalten von Personen“. Der Überwachungsstaat wäre Realität.
Doch die Polizei will trotz der massiven Rechtsbedenken von Caspar auf diese Fahndungsmethode nicht verzichten. Im Gegenteil: Im G20-Sonderausschuss kündigte sie vor der Sommerpause an, den Gesichtsscanner-Einsatz in Zukunft stark forcieren und ausweiten zu wollen. Caspar schickte sie in der zweiten Julihälfte zwei Stellungnahmen, in der sie darauf beharrt, der Einsatz der Erkennungs-Technik sei rechtskonform. Laut Innenbehörde schloss sich die Staatsanwaltschaft der polizeilichen Bewertung an.
Der Konflikt ist da programmiert, droht zu eskalieren und könnte bald die Justiz beschäftigen. Bis Ende des Monats will Caspar eine endgültige Beurteilung der Software vornehmen. Und nichts spricht dafür, dass die Polizei-Stellungnahmen seine Bedenken zerstreuen konnten. Bleibt Caspar bei seiner Position und schafft die Polizei keine Abhilfe, landet die Sache vor Gericht. Wer hier verliert – egal ob Datenschützer oder Polizeiführung – wäre brüskiert.
„Es geht in diesem Verfahren um eine grundsätzliche Fragestellung, die am Ende bundesweite Auswirkungen haben kann“, erläutert Caspar die Relevanz des Konflikts. Hamburg beschreite mit dem Einsatz der Technik juristisches „Neuland“. Wird die Technik – wie angekündigt – „in der täglichen Ermittlungsarbeit“ der Polizei eingesetzt, würden Daten „von Gesichtern auch völlig unbeteiligter Personen aus allen erdenklichen Bereichen zusammengezogen und (…) verknüpft“.
Damit droht die totale Kontrolle über den Aufenthalt jedes Einzelnen, oder wie Caspar es nennt, „eine enorme Herausforderung für die Rechte und Freiheiten Betroffener“. Denn die können sich gegen ihre Erfassung und die Speicherung ihrer Daten kaum wehren, sie würden nicht einmal davon erfahren.
Enorme Datenflut
Dass es um enorme Datenfluten mit geringem Fahndungsertrag geht, zeigt die Fahndung nach mutmaßlichen G20-Straftätern. Über 15.000 Videos und fast 16.500 Bilder wurden durchs System gejagt, die Gesichter Tausender Personen so analysiert und bewertet. Sieben Wochen dauerte es allein, den Daten-Everest einzulesen. Am Ende des Mammut-Prozederes konnte die Polizei nach eigenen Angaben dann genau drei Tatverdächtige identifizieren.
„Dass die hochgepriesene Software noch nicht die Ergebnisse liefert, die sich die SoKo ‚Schwarzer Block‘ versprach, beruhigt nicht“, sagt die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Christiane Schneider, die die Befürchtungen von Caspar teilt und seine kritische Stellungnahme „sehr begrüßt“.
Auch in der rot-grünen Koalition wird hinter den Kulissen über den Einsatz der Erkennungs-Software heftig gestritten. Denn nicht nur für die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller, wirft „die generelle Anwendung“ der Technik „viele Grundrechtsfragen auf“.
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