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Streiks in BVG und öffentlichem Dienst„Das muss man erstreiten“

Wenn die Tarifverhandlungen nichts nützen, bleibt nur noch Arbeitskampf: Wer streikt in Berlin am Mittwoch und am Freitag? Vier Protokolle.

Ende Januar gab es schon einen Warnstreik von Erzieher*innen und Lehrer*innen in Berlin Foto: dpa

Sinan Kizilyokus, Erzieher an der Hunsrück-Grundschule in Kreuzberg

„An meiner Schule streikt heute beinahe das gesamte Kollegium. Die Schulleitung und auch die Leitung des Freizeitbereichs – wir sind eine Ganztagsgrundschule – stehen aber voll hinter uns, die unterstützen unseren Streik. Die Lehrer, die verbeamtet sind, müssen natürlich arbeiten. Das sind bei uns aber nur 13 KollegInnen. Die werden einen Teil des Streiks auffangen, aber mehr als zwei bis vier Stunden Mehrarbeit wegen eines Streiks geht arbeitsrechtlich nicht. Mehr als eine Notbetreuung wird heute also nicht stattfinden können, richtigen Unterricht wird es jedenfalls nicht geben.

Ich denke, die meisten Kinder werden einfach zu Hause bleiben. Für viele Eltern ist das natürlich unbequem, aber negative Reaktionen gab es eigentlich nicht. Die meisten äußern eher Verständnis für unsere Anliegen.

Ich gehe heute auf die Straße, weil ich die Gehaltsschere zwischen Lehrern und Erziehern ungerecht finde, die ist hier in Berlin inzwischen sehr groß. Ich habe den Erzieherberuf an einer Fachschule studiert und werde damit als Berufsanfänger in die Entgeltstufe 9 eingruppiert. Eine ausgebildete Lehrerin bekommt dagegen E13.

Dabei vermitteln wir als Erzieher den Kindern ganz wichtige Dinge: Es geht viel um den sozialen Umgang miteinander, es geht um Werte- und Normenvertmittlung. Doch die Wissensvermittlung, der Lehrerjob, wird viel besser bezahlt. Das suggeriert, dass unsere Arbeit weniger wert sei. Aber das stimmt nicht.“

Protokoll: Anna Klöpper

Benita Hanke, 55, Leiterin der Stadtbibliothek Marzahn-­Hellersdorf

„Ich bin seit 1990 in der Gewerkschaft. Bessere Arbeitsbedingungen kommen nicht von alleine – die muss man erstreiten. Wenn Tarifverhandlungen nichts nützen, bleibt nur noch der Arbeitskampf.

Wir fordern, dass unsere Bezahlung an TVÖD angepasst wird, weil niemand, der in einer Stadtbibliothek arbeitet, aus seiner Gehaltsgruppe aufsteigen kann – egal, ob Diplom-Bibliothekarin oder Fachangestellte. Wir haben zwar einen modernen und tollen Beruf und machen schöne und wichtige Veranstaltungen, aber das spiegelt sich nicht in der Bezahlung wider: Weil man in Bibliotheken zu wenig verdient, haben wir kaum noch Bewerbungen, wenn wir Stellen ausschreiben.

Es geht uns nicht nur um 200 Euro mehr, sondern auch um eine bessere Bezahlung für unsere Auszubildenden. Die Ausstattung mit Personal und Technik ist schlecht – wir können unsere gut ausgebildeten Azubis zu selten übernehmen.

Wir haben Ende Januar schon einen Warnstreik vor der Finanzverwaltung gemacht und haben Senator Matthias Kollatz (SPD) unsere Forderungen übergeben. Eine Reihe von Bibliotheken wird an diesem Mittwoch geschlossen sein – wir rechnen mit großer Unterstützung.“

Protokoll: Gareth Joswig

Sabine K., Lehrerin an einer Neuköllner Grundschule

„Ich bin Lehrerin an einer Grundschule in einem sogenannten Brennpunkt. Ich streike, weil ich vor allem darauf aufmerksam machen will, dass unsere Arbeitsbedingungen immer schwieriger werden. Die Inklusion zum Beispiel: Wir haben immer mehr Kinder mit Förderbedarf, aber nicht mehr Zeit oder Personal, uns zu kümmern.

Klar, eigentlich geht es heute bei dem Streik nicht um verbesserte Arbeitsbedingungen, sondern um mehr Geld. Da ist für die angestellten LehrerInnen zuletzt ja auch schon etwas passiert: Stichwort gleicher Lohn für gleiche Arbeit, dass nach und nach in Berlin nun alle Lehrkräfte nach E13 bezahlt werden.

Wir LehrerInnen streiken dieses Mal deshalb vor allem auch aus Solidarität mit den ErzieherInnen. Ich würde schätzen, bei uns im Kollegium geht ungefähr die Hälfte auf die Straße.

Natürlich müssen wir zwischen 7 Uhr und 13.30 Uhr – wir sind eine Halbtagsgrundschule – eine Notbetreuung anbieten. Die Kinder bekommen dann ja alle Schreiben in die Zettelmappe, ob sie nach Möglichkeit früher nach Hause gehen können. Das hat unsere Sekretärin gestern gut beschäftigt.“

Protokoll: Anna Klöpper

Detlef Sass, 52, BVG-Busfahrer, seit vier Jahren freigestellter Personalrat

„Ich bin jetzt im 30. Jahr bei der BVG und gehöre damit zu den Glücklichen oder Unglücklichen, wie man will, die nur 36,5 Wochenstunden bezahlt bekommen. Alle, die seit 2005 eingestellt wurden, müssen ja 39 Wochenstunden arbeiten. Weil wir Alt-Beschäftigte bestimmte Zulagen bekommen, haben wir insgesamt etwas mehr Lohn am Ende, was natürlich ein Neidfaktor für manche ist, die sich fragen, warum wir mit weniger Arbeit mehr Geld bekommen.

Das große Problem für alle Busfahrer sind aber die Dienste: ­Manchmal muss man sechs Tage in einer Woche arbeiten mit langen Acht- oder Neun-Stunden-Schichten, manchmal kriegt man wochenlang nur kurze Fünf-Stunden-Schichten.

Das ist besonders ärgerlich für Kollegen, die eine lange Anfahrt zur Arbeit haben. Man weiß seine Dienste auch nur acht oder neun Tage im Voraus, kann also nur ganz schlecht was planen, einen Arzt­termin zum Beispiel.

Außerdem reichen die zuletzt vereinbarten Lohnerhöhungen überhaupt nicht, um die steigenden Mieten auszugleichen, klagen viele Kollegen. Die BVG hat ja noch nie wirklich gut bezahlt. Die Unzufriedenheit ist also insgesamt hoch, wir haben eine hohe Fluktuation: Letztes Jahr sind vier Kollegen zur Fahrbereitschaft der Polizei gegangen, zwei sind Hausmeister an Schulen geworden.

Für mich ist der Hauptpunkt aber die Forderung nach mehr Lohn für Gewerkschaftsmitglieder. Das soll mal die belohnen, die Verdi jahrelang die Stange gehalten haben, obwohl die Gewerkschaft in den letzten Jahren nicht so viel rausgeholt hat für uns. Wer nicht in der Gewerkschaft ist, hat ja mehr in der Tasche, denn er oder sie zahlt keinen Mitgliedsbeitrag, profitiert aber davon, wenn Verdi höhere Löhne durchsetzt. Bei der Hamburger Hochbahn haben sie jetzt erreicht, dass Verdi-Mitglieder 500 Euro brutto als zusätzliche Einmalzahlung kriegen. Das will ich für uns auch.“

Protokoll: Susanne Memarnia

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