Stimmen aus dem Iran: „Ich verfluche euch“
Nicht erst seit dem jüngsten Angriff auf Israel sind viele Menschen in Iran besorgt – und wütend auf das Regime in Teheran.
„Dieses Theater hat uns Menschen 500 Millionen Dollar gekostet“, fügt er hinzu. Die Summe schätzt er nur, aber eines weiß er sicher: „Als ob es den Menschen in Iran nicht schon schlecht genug geht, klaut das Regime immer nur weiter das Geld, das der Bevölkerung zusteht.“ Mit dem Angriff habe das Regime aus seiner Sicht jedoch nur die eigene Schwäche bewiesen. „Das Regime ist wie ein kläffender Hund, den niemand ernst nimmt.“
In den Tagen nach dem Beschuss Israels durch Iran und vor der militärischen Reaktion Israels am Freitag schwanken viele Iraner:innen zwischen Zynismus, Sorge und Wut. Viele machten ihren Gefühlen in den sozialen Medien Luft. „Ich verfluche euch“, schrieb ein Iraner aus Teheran auf Instagram. „Wir wollten nur leben und nichts anderes, und genau das habt ihr uns mit aller Kraft weggenommen.“
Der Widerstand wurde so offensichtlich, dass sich der Geheimdienst der Revolutionsgarden gezwungen sah, eine Meldung herauszugeben, in der er die „lieben Landsleute“ dazu aufrief, jegliche Aktivitäten, die es in der Bevölkerung „zur Unterstützung des israelischen Scheinregimes“ gebe, bei den Behörden zu melden.
Das unliebsame Regime
In Kriegszeiten versammelt sich die Bevölkerung in der Regel hinter der eigenen Führung. In Iran passiert derzeit allerdings genau das Gegenteil. Ein großer Teil der Bevölkerung stellt sich seit dem Angriff auf Israel offen gegen die Machthaber. Spätestens seit die Proteste nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini im September 2022 gewaltsam niedergeschlagen wurden, zeigt sich, dass das iranische Regime die meisten Menschen im eigenen Land gegen sich hat. Nur noch die loyalsten Anhänger sowie Leute, die unter Druck gesetzt oder bezahlt werden, zeigen Unterstützung für die Islamische Republik.
Mahdis Amini ist 38 Jahre alt und lebt in der nordiranischen Stadt Rascht. Als sie vom Angriff auf Israel erfuhr, regte sich in ihr neben Sorge auch Hoffnung. Sie und ihre Freund:innen wünschten sich, dass Revolutionsführer Ali Chamenei dasselbe Schicksal erleiden möge wie Saddam Hussein. Über die iranischen Machthaber sagt sie: „Vielleicht braucht es Gewalt, damit sie verstehen, dass wir sie nicht wollen.“
Mit dem Verfall der Währung und der erneut gestiegenen Gewalt der Sittenpolizei gegen Frauen wüssten die Menschen nicht, wie sie sich noch wehren können. „Israel soll ihre Stellungen angreifen“, wünscht sich die 38-Jährige. Sie scheint nicht die Einzige zu sein, die so denkt: An Hauswänden in Teheran finden sich seit Sonntag Sprüche wie „Israel, schlag auf die Mullahs ein“.
Straßengewalt ist gestiegen
Tatsächlich ist die Gewalt auf den Straßen Irans seit einiger Zeit enorm gestiegen, und das schon vor dem jüngsten Angriff auf Israel. Die sogenannte Sittenpolizei, deren hauptsächliche Aufgabe es ist, die Frauen des Landes unter das Kopftuch zu zwingen, treibt ihr Unwesen wie seit September 2022 nicht mehr. Nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini wurde sie zunächst weitgehend von den Straßen abgezogen, und inzwischen haben viele Frauen überall im Land den Hidschab abgelegt. Schätzungen gehen von mehr als der Hälfte der Frauen aus.
„Die Straßen sind ein gefährlicher Ort geworden“, sagt Anuscheh Schariati. Die 32-Jährige aus Teheran trägt schon lange kein Kopftuch mehr, wenn sie das Haus verlässt. „Wir denken gerade kaum an den Krieg mit Israel“, erzählt sie. „Wir sind völlig abgelenkt.“ Die Sittenpolizei gehe derzeit mit so viel Gewalt gegen Frauen vor wie lange nicht mehr. Die Machthaber in Teheran, so scheint es, will in einer außenpolitisch prekären Situation verhindern, dass sich im Land Proteste regen. Dem greifen sie gewaltsam vor.
Die Angst vor einer weiteren kriegerischen Eskalation ist in Iran dennoch groß. Mohsen Schariati ist 43 Jahre alt und lebt in Teheran. Als die Meldung über den Angriff auf Israel ihn erreichte, war er gerade mit dem Auto unterwegs. Er musste anhalten, um sich zu beruhigen, erzählt er. „Mein erster Gedanke war: Mein Kind soll keinen Krieg sehen.“
Es sind die Menschen, die leiden
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Die Erinnerung an den Iran-Irak-Krieg von 1980 bis 1988 ist in seiner Generation bis heute sehr präsent. Die ständige Furcht vor Bomben und Tod und die Sorge, dass junge Söhne in den Krieg eingezogen werden, ist bis heute nicht vergessen. Mohsen Schariati ist einer jener Iraner:innen, die zwar gegen das iranische Regime sind, aber den Krieg in Gaza trotzdem kritisch sehen. Er habe Angst, so Schariati, „dass nun auch die Kinder von Gaza vergessen werden.“
Es ist wie bei jeder kriegerischen Auseinandersetzung, bei Feindschaft, Gewalt und Waffengängen: Es sind nicht die politischen Führungen, die Diktatoren und Machthaber, die leiden. Es sind immer und zuallererst die Menschen – und zwar überall.
* alle Namen geändert
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